Manchester United gegen Juventus Turin: Die Rückkehr von Cristiano Ronaldo
Cristiano Ronaldo spielt mal wieder in Old Trafford. Beim letzten Mal wurde er auch im Real-Trikot gefeiert. Wie werden die Fans diesmal reagieren?
Gar nicht so einfach, in diesen Tagen über Cristiano Ronaldo zu schreiben. Über den Fußballspieler, der auch mit 33 Jahren noch zu den besten der Welt gehört und auch bei Juventus Turin nach leichten Anlaufschwierigkeiten so zuverlässig trifft wie immer. Mit fünf Toren in neun Spielen ist der Portugiese erfolgreichster Schütze. Am Samstag hat er beim 1:1 gegen Genua sein 400. Tor in einer der europäischen Topligen erzielt.
In der Champions League, seinem Lieblingswettbewerb, den er schon fünfmal gewonnen hat, läuft es noch nicht ganz so gut. Bei seinem Debüt Mitte September in Valencia flog Ronaldo nach einer vermeintlichen Tätlichkeit gegen den Kolumbianer Jeison Murillo äußerst umstritten vom Platz, war dann für das folgende Spiel gegen Young Boys Bern gesperrt und feiert nun am Dienstag seine Rückkehr, im doppelten Sinne des Wortes.
Cristiano Ronaldo gastiert mit Juventus dort, wo alles angefangen hat. In Old Trafford, der Fußball-Kathedrale von Manchester United, wo der 18-jährige Ronaldo im Sommer 2003 wie ein Naturereignis über die Premier League kam. Gleich bei seinem ersten Spiel hüpfte er wie Bugs Bunny über den Platz und begeisterte das Publikum mit seinen Sprints und Übersteigern und Flanken und Schüssen. „Absolutely sensational“, japste der BBC-Reporter in sein Mikrofon.
Aber es wird in diesen Tagen wenig über Ronaldos Fußballkunst geredet und sehr viel über Vergewaltigungsvorwürfe, sie reichen zurück bis in den Juni 2009. Es war der Sommer, in dem er Manchester verließ und zu Real Madrid wechselte. Und in Las Vegas die folgenschwere Bekanntschaft einer US-Amerikanerin machte. Ronaldo bestreitet alle Vorwürfe und nennt Vergewaltigung das scheußlichste aller Verbrechen. Wer wollte da widersprechen? Juventus hat sich bedingungslos hinter Ronaldo gestellt, dabei auf dessen professionelle Einstellung verwiesen und darauf, dass der Vorfall schon lange zurückliegt. Das kam nicht überall gut an. Auch die oft angeführte Unschuldsvermutung ist in diesem Fall nicht von Belang, denn die gilt nur für das Strafrecht. Ronaldo befindet sich aber in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung.
Der portugiesischen Nationalmannschaft mochte er in der vergangenen Woche nicht zur Verfügung stehen. Wer weiß, wie wichtig dem Patrioten Ronaldo diese Auftritte sind, mag daraus folgern, dass ihm die Affäre schon nahegeht. Wie werden die Fans in Manchester reagieren?
Erhaben wie ein Adler
Als Ronaldo vor fünf Jahren mit Real in Old Trafford gastierte, empfing ihn das Publikum mit Ovationen. Das war im Rückspiel des Achtelfinales der Champions League. United hatte sich zwei Wochen zuvor eine komfortable Ausgangsposition erarbeitet, mit einem 1:1 im Estadio Santiago Bernabeu. Danny Wellbeck traf früh für die Engländer, aber Real kam zurück.
Der Torschütze zum Ausgleich hieß, natürlich, Cristiano Ronaldo, und was war das für ein Tor! Angel Di Maria hatte von der linken Seite auf den Elfmeterpunkt geflankt, wo Ronaldo zwischen Patrice Evra und Jonathan Evans in die Luft stieg. Das heißt: Eigentlich stand er in der Luft, erhaben wie ein Adler, eine kleine Ewigkeit lang. Evra ging ehrfürchtig in die Knie und schaute aus bester Perspektive mit an, wie Ronaldo den Ball aus einer anderen, scheinbar unerreichbaren Sphäre mit der Stirn ins Tor wuchtete. Alex Ferguson mochte keinen Vorwurf an den armen Evra richten und kommentierte: „Wenn Cristiano den Ball bekommt, dann hilft nur beten.“
Auch beim Rückspiel in Old Trafford war Ronaldo der entscheidende Mann. Ein kleiner Junge im United-Trikot hielt kurz vor dem Anpfiff ein Plakat in die Kameras, darauf stand: „We want You back, Ronaldo! But... don't score tonight!“ Es kam anders. Zwar erwischte auch diesmal United den besseren Start und ging kurz nach der Pause in Führung, als Ronaldos portugiesischer Landsmann Nani in die Mitte passte, wo Reals Kapitän Sergio Ramos den Ball ins eigene Tor abfälschte.
Doch nur ein paar Minuten später sah Nani nach einem Tritt gegen Alvaro Arbeloa die Rote Karte. Real drückte, schaffte durch Luka Modric den Ausgleich und ... dann hatte Ronaldo seinen großen Aufritt. Den er in für ihn untypischer Weise klein zu halten versuchte. Nach Gonzalo Higuains scharfer Eingabe grätschte er den Ball aus superspitzem Winkel über die Linie und hob entschuldigend die Hände, den Blick auf den Boden gerichtet, umzingelt von tanzenden Madrilenen.
Kurze Umarmung
Manchester warf noch einmal alles nach vorn, aber es blieb beim 2:1 für Real. Ronaldo umarmte kurz die früheren Kollegen Wayne Rooney und Nemanja Vidic, marschierte dann gemessenen Schrittes zum Spielertunnel, wo ihn die englischen Fans abermals mit Applaus überschütteten. Und am Dienstag?
- Sven Goldmann schreibt immer dienstags in den Spielwochen der Champions League über Kicker, Klubs und Klassiker in Europas Fußball.