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Sein Team, sein Abend: Jürgen Klopp feiert mit dem FC Liverpool den größten Erfolg seiner Karriere.
© Toby Melville/REUTERS

Mehr als Heavy-Metal-Fußball: Die reife Leistung des Jürgen Klopp

Nach sechs Finalniederlagen in Serie ist Jürgen Klopp endlich Champions-League-Sieger. Der Triumph zeigt, wie sehr er sich weiterentwickelt hat. Ein Kommentar.

Wo Jürgen Klopp auftritt, ist eigentlich immer Alarm. Ob sein Team am Anschlag über den Rasen jagt oder er mit voller Hingabe an der Seitenlinie Betrieb macht, ob er in seiner einnehmenden Art von den Fans gefeiert wird oder charmant in den Medien plaudert. Am späten Samstagabend in Madrid bewies der Trainer des FC Liverpool, dass es bei ihm jedoch auch anders geht – und feierte am Ende mit dem 2:0-Sieg im Champions-League-Finale gegen Tottenham den größten Erfolg seiner Karriere.

Sechs bittere Finalniederlagen in Folge hatte er zuvor hinnehmen müssen. Meist war er dabei mit seinen Teams als Außenseiter in die Endspiele gegangen. Klopp setzte auf die geballte Kraft des schnellen Umschaltstils und ließ seine Mannschaften deshalb vom Anpfiff weg allerhöchsten Aufwand betreiben. Seine Spieler gingen an ihr Maximum – und wurden am Ende meist erschöpft von abgezockteren Teams geschlagen. So war es bei Klopps beiden Finalniederlagen in der Champions League (2013 mit Dortmund gegen München, 2018 mit Liverpool gegen Madrid) und auch in der Europa League (2016 mit Liverpool gegen Sevilla).

Doch diesmal war die Ausgangslage eine andere: Gegen Tottenham ging Klopp mit seinem Team erstmals als Favorit in ein Finale. Nach zwei Niederlagen in den bisherigen Duellen der Saison mussten die Spurs erst einmal zeigen, wie es diesmal mit einem Sieg klappen sollte. Das wusste Klopp und haute die Bremse in den Vollgasfußball. Der frühe Führungstreffer seines Starstürmers Mohamed Salah, der nach nicht einmal zwei Minuten einen Handelfmeter zum 1:0 verwandelte, kam ihm da gerade recht. Sein Team überließ es Tottenham, etwas aus dem Spiel zu machen und an dessen Hergang zu drehen, spielte clever, mit viel Ruhe und größtmöglicher Balance, ohne jede Hektik – um dann kurz vor Schluss ein zweites Mal eiskalt zuzuschlagen. Wie Spitzenteams das eben so machen.

Jürgen Klopp hat in seinen bald vier Jahren als Trainer des FC Liverpool eine Mannschaft geformt, die mehr ist als der Heavy-Metal-Fußball, mit dem er das Spiel in diesem Jahrzehnt so prägte. Eine Mannschaft, die sich mit wie ohne Ball wohlfühlt, die abwarten oder Druck machen kann, die im Kollektiv funktioniert, aber auch ihre individuellen Ausnahmespieler einzusetzen weiß. Klopp hat sich weiterentwickelt und damit auch sein Team. Der Triumph im Finale von Madrid war eine reife Leistung: Klopps reife Leistung.

Leonard Brandbeck

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