Thomas Bach: Die lukrativen Beraterverträge des IOC-Präsidenten
Thomas Bach ist ein Meister darin, Sport und Wirtschaft miteinander zu verknüpfen. In seiner Zeit als Chef des DOSB beriet er ein deutsches Unternehmen – und verdiente selbst gut daran.
Der heutige IOC-Präsident Thomas Bach stand von 2005 an auf der Gehaltsliste des Industriekonzerns Ferrostaal. Laut dem Beratervertrag, der dem Recherchezentrum „Correctiv“ vorliegt, kassierte Bach im Jahr 125.000 Euro dafür, dass er Ferrostaal international Türen öffnete. Zur Zeit, als er den Beratungsvertrag mit Ferrostaal ausübte, war Bach IOC-Vizepräsident und Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
Laut Vertrag gehörte die „Herstellung von Kontakten und, falls erforderlich, Teilnahme an Verhandlungen mit Regierungen, Behörden, Verbänden sowie Unternehmen” zu Bachs Aufgaben. Neben seinem Mindesthonorar von 125.000 Euro pro Jahr für maximal 20 Arbeitstage wurde dem Sportfunktionär eine zusätzliche Pauschale von 5000 Euro pro Tag bei Auslandsreisen zugesagt.
Ferrostaal war in der alten Bundesrepublik für viele Firmen das Tor zur Welt. Das Unternehmen stellte selbst nichts her, sondern beschaffte deutschen Firmen Aufträge, kümmerte sich um die Finanzierung von Geschäften und wickelte als Generalunternehmer in vielen Ländern Großprojekte wie den Bau von Kraftwerken ab.
Dass Bach ausgerechnet für diesen Konzern aktiv war, überrascht. Auch weil Ferrostaal an Rüstungsgeschäften beteiligt war, die kaum zum olympischen Gedanken der Völkerverständigung passen. Zudem war Ferrostaal auch in Korruptionsaffären verstrickt. In den 2000er Jahren zum Beispiel schmierte das Unternehmen Amtsträger in Griechenland und Portugal, um den Verkauf von U-Booten des Unternehmens Thyssen-Krupp zu unterstützen. 2011 verurteilte das Landgericht München Ferrostaal zur Zahlung von rund 140 Millionen Euro Geldbuße.
Der nun bekannt gewordene Vertrag Bachs mit Ferrostaal aus den Jahren 2005 bis 2009 ist nicht das erste derartige Engagement des Sportfunktionärs. Bereits im Jahr 2008 wurde bekannt, dass Bach einen Beratervertrag mit der Siemens AG unterhält. Auch Siemens wurde 2008 in Deutschland und den USA zu mehr als einer Milliarde Euro Strafe verurteilt, weil sich der Münchner Konzern mit Hilfe von Schmiergeldern um Aufträge bemüht haben. Der Vertrag, den Bach mit Siemens schloss, sicherte ihm ein Jahreseinkommen von zuletzt 400.000 Euro und zusätzlich Spesen in Höhe von 5000 Euro pro Tag. Nachdem Medien im Jahr 2008 Details aus diesem Vertrag veröffentlicht hatten, ließ Siemens den Kontrakt auslaufen.
Bach selbst lehnte es gegenüber Correctiv ab, Fragen nach seinem Engagement für Ferrostaal und dem damaligen Beratervertrag zu beantworten. Auch der Ferrostaal-Konzern beantwortete keine Fragen.
Als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ist Thomas Bach einer der mächtigsten Sportfunktionäre der Welt. Der Präsident hat Einfluss auf die Vergabe der Olympischen Spiele und führt allein schon deshalb Gespräche mit Regierungsvertretern in aller Welt. Diese Kontakte machen einen Sportfunktionär wie Bach auch für Industriekonzerne interessant.
Bach ist zwar gelernter Anwalt, aber seine Kontakte zu Regierungschefs und Unternehmensführer dürfte er zum größten Teil aufgrund seiner sportlichen Ämter haben. Seine lukrativen Beraterverträge werfen die Frage nach einem möglichen Interessenkonflikt auf.
Thomas Bach sagt seit Jahren, er wisse nichts von derartigen Machenschaften
Als IOC-Vorstandsmitglied und Chef mehrerer Prüfkommissionen für Olympiabewerber öffneten sich Bach schon früh viele Türen. Denn zu den IOC-Mitgliedern zählen seit jeher zahlreiche Konzernchefs, Minister, Angehörige des Hochadels, Staatspräsidenten, Emire, Milliardäre und zahlreiche Geschäftemacher aus allen Kontinenten. Sie alle sind für die deutsche Wirtschaft hochinteressant.
Es spricht einiges dafür, dass für Siemens und Ferrostaal Bachs Kontakte in die arabische Welt von besonderem Interesse waren. Die Ferrostaal-Datei mit dem Bach-Vertrag enthält als letzte Seite einen Medienbericht vom 15.Juni 2005: Thomas Bach wird zum Präsidenten des deutsch-arabischen Wirtschaftsnetzes Ghorfa gewählt. Keine zwei Wochen später setzte er seine Unterschrift unter den Ferrostaal-Vertrag.
Schon Mitte der 1980er Jahre hatte Bach an der Seite das damaligen Adidas-Chefs Horst Dassler gearbeitet, der im olympischen Weltsport ein engmaschiges Netz aus Gefälligkeiten knüpfte. Thomas Bach verteidigt sich seit Jahren damit, er habe weder bei Siemens noch bei Adidas irgendetwas mitbekommen von unsauberen Machenschaften. Er habe stets sauber zwischen Ehrenämtern und seinen beruflichen Tätigkeiten als Lobbyist, Anwalt und Berater unterschieden.
Der Ferrostaal-Vertrag dokumentiert, warum der Sportfunktionär für Konzerne interessant war. Unter Paragraph 1 heißt es, Bach werde „für die Firma und die Unternehmen der MAN Gruppe („Verbundene Unternehmen”) weltweit folgende Beratungsleistungen erbringen“. Dazu zählten neben der Herstellung von Kontakten mit Regierungen, Behörden, Verbänden und Unternehmen, die „Herstellung von Kontakten zur Unterstützung der Problemlösung bei (internationalen) Standortentscheidungen” genauso wie die „Herstellung von Kontakten bei wirtschaftspolitischen Problemstellungen”.
Bach sollte aber nicht nur beratend tätig sein, sondern auch als Handelsvertreter für Ferrostaal und dem damaligen Mutterkonzern MAN. In der Anlage 1b zum Vertrag werden mehr als 70 „konsolidierte Gesellschaften der MAN Gruppe“ in mehreren Dutzend Ländern aufgeführt, deren Produkte Bach letztlich absetzen sollte. Der Sportfunktionär konnte demnach aus einem umfangreichen Produktportfolio schöpfen. Dazu gehörten Busse, Lastwagen, Motoren, Druckmaschinen, Dieselkraftwerke, Gasturbinen.
Pikant ist, dass Ferrostaal in jenen Jahren auch Kriegsschiffe vertrieb, zusammen mit dem Stahl- und Rüstungskonzern Thyssen-Krupp, der die U-Boote und Fregatten auf seinen Werften herstellte. Auch die Rüstungsfirma Fritz Werner gehörte zum Portfolio von Ferrostaal.
Bach hat nicht nur als Ghorfa-Präsident stets Kontakte in die arabische Welt gepflegt. Katars Emir Tamim Bin Hamad Al-Thani wurde 2002 schon als Kronprinz ins IOC aufgenommen. Der ehemalige OPEC-Generalsekretär Scheich Ahmad Al-Fahad Al-Sabah aus Kuwait zählt seit jeher zu Bachs wichtigsten Verbündeten. Als Siemens-Lobbyist setzte sich Bach Anfang 2005, kurz bevor er den Ferrostaal-Vertrag unterschrieb, gemäß eigener E-Mail beim damaligen Energieminister Scheich Ahmad dafür ein, Kuwait für Siemens als Großaktionär zu gewinnen. Der „Spiegel“ zitierte aus E-Mails von Bach an den Siemens-Vorstand Rudi Lamprecht. So schrieb Bach am 9. März 2005, er habe „die Investitionsfrage noch einmal mit dem Energieminister vertraulich besprochen“.
Firmen aus dem Siemens-Imperium haben seit zwei Jahrzehnten bei nahezu allen Olympischen Spielen und vielen anderen Sport-Großveranstaltungen Aufträge im Wert von insgesamt mehreren Milliarden Euro erhalten. Siemens ist zudem größter Einzelaktionär des Konzerns Atos, der wiederum zur erlesenen Gruppe der IOC-Sponsoren gehört und bei allen Olympischen Spielen dieses Jahrtausends einen Großteil der IT-Infrastruktur organisierte und andere Großaufträge erhielt.
Thomas Bachs Geschäfte wurden 2013, als Bach erfolgreich für die IOC-Präsidentschaft kandidierte, ausnahmsweise mal öffentlich thematisiert. Sein damaliger Herausforderer Dennis Oswald, Jurist und IOC-Mitglied in der Schweiz, wetterte damals in einem Radiointerview, Bach benutze „seine Position“ im IOC, „um für die Gesellschaften, die er vertritt, Vorteile herauszuholen“. Dagegen wünschte sich Oswald einen „unabhängigen Kandidaten, der nicht auf bestimmte Allianzen angewiesen ist und der seine Position für nichts anderes nutzt als zum Wohle des Sports“.
Die Autoren sind Mitarbeiter des Recherchezentrums Correctiv. Die Redaktion, mit der der Tagesspiegel kooperiert, finanziert sich ausschließlich über Spenden und Mitgliedsbeiträge.
Frederik Richter, Jens Weinreich