Dauerskandal beim Fußball-Weltverband: Die Fifa zwischen Razzia und Reformen
Trotz der Verhaftung zweier Vizepräsidenten beschließt die Fifa weitreichende Neuerungen und diskutiert über eine WM mit 40 Teams.
Joseph Blatter fehlt der Fifa. Zumindest was den Entertainment–Faktor angeht. Der derzeit suspendierte Präsident verlieh Pressekonferenzen des Fußball-Weltverbandes immer eine eigene Note, irgendwo zwischen (unfreiwilliger) Komik und einer gewissen Souveränität. Seine Nachfolger um Interimspräsident Issa Hayatou wirkten bei ihrem Aufritt am Donnerstag reichlich überfordert damit, die eben beschlossenen Reformen als Schritt nach vorne zu verkaufen. Denn wenige Stunden zuvor waren zwei Fifa-Vizepräsidenten in ihrem Hotel verhaftet worden. Und es war durchgesickert, dass das höchste Fifa-Gremium über die Aufstockung der WM-Teilnehmer von 32 auf 40 Mannschaften diskutiert hatte. Das alles klang nach der alten, korrupten Fifa und nicht nach der neuen, glaubwürdigen Fifa, die durch Reformen entstehen soll. „Wer redet da noch?“, fragte sich nicht nur Schalkes Manager Horst Heldt. „Die sitzen doch alle im Gefängnis.“
In der Tat klang es wie Déjà-vu, als wieder in den frühen Morgenstunden um sechs Uhr Schweizer Polizisten im Nobelhotel Baur au Lac anrückten, um im Auftrag der US-Justiz hohe Fifa-Funktionäre zu verhaften. Ende Mai hatten sie bereits sieben Offizielle aus dem gleichen Hotel abgeführt, zwei von ihnen sind bereits in die USA ausgeliefert. Auch bei der Verhaftung von Juan Angel Napout aus Paraguay und Alfredo Hawit Banegas aus Honduras am Donnerstag ging es wieder um Bestechungsvorwürfe rund um Turniere und WM-Qualifikationsspiele in Lateinamerika. Trotzdem fuhren Wolfgang Niersbach und die übrigen im Baur au Lac untergebrachten Exekutivmitglieder um achtUhr hoch zu ihrem Treffen auf den Zürichberg, als ob nichts gewesen wäre. Dabei waren ohne die beiden verhaften Vizepräsidenten, ohne die suspendierten Blatter und Michel Platini und ohne den zurückgetretenen Kolumbianer Luis Bendoya nur 20 der 25 Exko-Mitglieder anwesend.
Die hätten allerdings einstimmig einen „Meilenstein“ beschlossen, um die Fifa transparenter, professioneller und glaubwürdiger zu machen, verkündete Interimspräsident Hayatou danach und gab das Wort an François Carrard. Dessen Kommission hatte die Reformen vorgeschlagen, Carrard sollte sie nun erklären sollte. Der 77-jährige Schweizer hat noch am ehesten die Fähigkeiten, Blatter als Entertainer zu ersetzen und geizte nicht mit kleinen Scherzen. „Das ist keine Raketenwissenschaft“, sagte Carrard, als er zu einem gut halbstündigen Vortrag ansetzte, bei dem nicht nur Hayatou wirkte, als sei er kurz weggedöst.
Der Fifa-Generalsekretär wird wichtiger denn je
Die wichtigste Neuerung ist, das mächtige Exekutivkomitee in ein Council umzuwandeln, eine Art Aufsichtsrat, der nur strategische Entscheidungen trifft und das Tagesgeschäft an ein Generalsekretariat abgibt. Dass die Exko-Mitglieder ihrer eigenen Entmachtung zustimmen würden, hatte vorab nicht jeder erwartet. Nun muss nur noch der Fifa-Kongress im kommenden Februar, der auch einen neuen Präsidenten wählt, zustimmen. Doch es erscheint fraglich, wie wichtig die Rolle des neuen Councils sein wird. Zumal es auf 36 Mitglieder aufgebläht werden soll, die weiterhin die Kontinentalverbände entsenden und unter denen nun mindestens sechs Frauen sein müssen. „Wir wollen die Teilhabe verbreitern“, sagte Carrard. Nach diesem Gedanken hatte seine Reformkommission offenbar auch vorgeschlagen, mehr Nationalmannschaft an der WM teilhaben zu lassen, künftig 40 Teams. Das Exekutivkomitee sei „empfänglich“ für diese Idee gewesen, aber habe die Entscheidung darüber auf unbestimmte Zeit vertagt. Man müsse offen dafür sein, betonte Hayatou, der Korruptionsvorwürfe gegen ihn und Bedenken um seine Gesundheit erneut zurückwies. Nachfragen zu den Verhaftungen wurden wegen der laufenden Ermittlungen abgewiesen. So sah die neue Transparenz der Fifa aus.
In der wird der Generalsekretär, bisher die Nummer zwei hinter dem Präsidenten, als Geschäftsführer der Fifa laut Carrard „wichtiger denn je“. Umso seltsamer, dass die Amtszeitbegrenzung von zwölf Jahren nicht für ihn gilt. Seine Anstellung bei der Fifa ist unbefristet, er kann aber vom Aufsichtsrat jederzeit entlassen werden. Sein Gehalt soll wie die übrigen veröffentlich werden. Eine Altersobergrenze von 74 Jahren sei jedoch als „willkürlich“ verworfen worden, sagte Carrard. Die übrigen beschlossenen Reformen schienen ebenso willkürlich. Die Fifa-Komitees sollen von 26 auf neun reduziert werden, gleichzeitig werden neue Gremien geschaffen wie eine Beratungsgruppe für Reformen und ein Komitee, in dem Trainer, Klubs und Ligen vertreten sind. Zudem sollen alle Fifa-Mitglieder jährlich tagen.