Wiederaufbau in Potsdam: Die Bürger sollten über die Garnisonkirche entscheiden
Den Streit um die Potsdamer Garnisonkirche kann nicht allein die Politik entscheiden. Ein Vorbild für eine bessere Bürgerbeteiligung gibt es bereits: Das Votum zum Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses. Ein Kommentar.
Potsdam, Stadt der Zerwürfnisse. Ein Mini-Kosmos, in dem gegensätzliche Weltanschauungen aufeinanderprallen, sich manifestieren in dem, was zu Stein wird. Wie vielleicht die Garnisonkirche. Potsdams Machtfrage entscheidet sich in der Stadtentwicklung. In ihr entfaltet sich das Ringen um die Identität einer Stadt, die so überschaubar ist, dass es nur Entscheidungen gibt, die alle Potsdamer betreffen.
Die einstigen Schlossgegner sind mit dem Bau versöhnt
Auch deshalb hat der geplante Wiederaufbau der durch den „Tag von Potsdam“ symbolbehafteten Garnisonkirche sein Spaltungspotenzial voll entfaltet. Aber das ist nicht neu – und schon gar nicht schlimm. Mehr als ein Jahrzehnt hat die Stadt gebraucht, um sich für den Wiederaufbau des Stadtschlosses zu entscheiden. Verbissen wurde argumentiert, die Fronten waren verhärtet, die Stadt – gespalten. Und heute? Sind die allermeisten der einstigen Gegner versöhnt mit dem Schloss. Nicht etwa, weil es so schön in Potsdams Mitte steht. Es ist – Resultat zermürbender Konflikte – die richtige Balance gelungen. Innen ist das Schloss kein Schloss, sondern ein funktionierender Landtag. Die Schlossfassade hat Potsdam-Mäzen Hasso Plattner bezahlt. Kein Steuergeld floss für das Wiederaufleben der Historie. So ist das Stadtschloss ein Beweis dafür, dass Streit sich auch lohnen kann.
Das gilt auch für das jetzt so umstrittene Wiederaufbauprojekt. Zunächst allerdings muss die Stadtpolitik sich bewegen, auf die Bürger zu. Es liegt nahe, die Abstimmung des Potsdamer Stadtparlaments am Mittwoch über das Bürgerbegehren gegen den Aufbau der Garnisonkirche als Missachtung der Demokratie zu geißeln: Mit ihrer kollektiven Enthaltung hat Potsdams große Regierungskoalition aus SPD, CDU, Grünen, Potsdamer Demokraten und Freien Wählern den Bürgerentscheid verhindert. Ein Trick, um einer Ablehnung des Wiederaufbaus beim Volksentscheid aus dem Weg zu gehen, unterstellen die Gegner.
Sie mögen nicht falsch liegen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Bürgerentscheid kein tragfähiges Votum erbracht hätte. Aus kommunalrechtlichen Gründen konnten die Garnisonkirchen-Gegner kein klares Ja oder Nein zum Wiederaufbau abfragen, konnten selbstverständlich der evangelischen Kirche und privaten Initiatoren das Recht auch nicht absprechen, das Gotteshaus neu zu errichten. So blieb nur die Krücke, die Stadt zu verpflichten, auf die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche, die das Wiederaufbauprojekt trägt, hinzuwirken. Dafür allerdings gibt es keine rechtliche Grundlage. Zwar wäre das Votum der Bürger von Symbolgehalt gewesen, vor allem aber hätte es den Makel der Unerfüllbarkeit getragen – zum Schaden des wirksamsten Mittels der Bürgerbeteiligung.
Der Druck auf die Politik hat sich erhöht
So verfahren die Potsdamer Lage nun scheint, so wenig ist sie es. Das Bürgerbegehren, das knapp 15 000 Potsdamer Bürger unterstützt hatten, ist nicht gescheitert. Im Gegenteil. Es hat den Druck auf die Politik und die Wiederaufbau-Akteure deutlich erhöht. Weiter wie bisher geht es nicht, das hat auch Oberbürgermeister Jann Jakobs begriffen. Es gibt einen bewährten Weg, Konflikte in der einstigen Preußenresidenz zu befrieden. Beim Stadtschloss wurden die Bürger befragt. Eine Mehrheit votierte damals für den Wiederaufbau. Die Potsdamer Bürger sollte man nicht unterschätzen.