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Die Potsdamer Stadtverordneten haben einen Bürgerentscheid zum Wiederaufbau der Garnisonkirche verhindert.
© dpa

Stadtverordnete in Potsdam: Kein Bürgerentscheid zur Garnisonkirche

In Potsdam können die Bürger doch nicht über den umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche entscheiden. Die Rathauskoalition enthielt sich bei der Abstimmung - aus taktischen Gründen.

Die Potsdamer können doch nicht bei einem Bürgerentscheid über den Wiederaufbau der Garnisonkirche abstimmen. Die Stadtverordneten haben dies am Mittwochabend bei ihrer Sondersitzung durch ihr taktisches Abstimmungsverhalten verhindert. Es gab eine kleine Mehrheit für das erfolgreiche Bürgerbegehren gegen den Wiederaufbau, das damit offiziell durch das Stadtparlament angenommen worden ist.

Entgegen ihrer Ankündigung, das Bürgerbegehren abzulehnen, enthielt sich die Rathauskooperation aus SPD, CDU, Grünen und Demokraten komplett, ebenso andere Kleinstfraktionen – insgesamt 28 Stadtverordnete. Acht Linke-Stadtverordnete stimmten für die Annahme des Bürgerbehrens, die Linke blieb damit bei ihrer bisherigen Linie. Für die Partei sei speziell die Zusage des Bundes aus dem vergangenen Sommer, zwölf Millionen Euro für den Kirchenbau als Projekt von nationaler Bedeutung ausgeben zu wollen, ein Weckruf gewesen, hieß es. Am Ende stimmten nur drei Abgeordnete der linksalternativen Wählergruppe Die Andere gegen die Annahmen, obwohl diese hinter dem Bürgerbegehren steht.

Die Befürworter der Garnisonkirche vermieden damit bei der Abstimmung ein Bekenntnis zu dem Projekt und gegen das Bürgerbegehren, schafften es mit ihrer Enthaltung aber, das Ziel der Gegner – einen Bürgerentscheid – auszuhebeln. Innerhalb von dreieinhalb Monaten hatten sich beim Bürgerbegehren fast elf Prozent der wahlberechtigten Potsdamer – insgesamt 14 285 – gegen die Garnisonkirche ausgesprochen. Die Initiatoren hatten auf eine Ablehnung im Stadtparlament gesetzt und darauf gehofft, mit einem Bürgerentscheid parallel zur Landtagswahl am 14. September mit einer hohen Beteiligung ein klares Signal setzen zu können.

Kaum Möglichkeiten zur Auflösung der Stiftung Garnisonkirche

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der Befürworter des Wiederaufbauprojektes ist und der sich bei der Abstimmung ebenfalls enthielt, muss nun alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um auf die Auflösung der privaten Stiftung Garnisonkirche Potsdam hinzuwirken. Die Auflösung gilt aber als unrealistisch. Das Potsdamer Rechtsamt sieht laut einer aktuellen Stellungnahme „nach derzeitiger rechtlicher Einschätzung keine rechtlich zulässigen Möglichkeiten, um auf die Auflösung der Stiftung hinzuwirken“. Jaboks könnte als einziger Vertreter der Stadt im elfköpfigen Kuratorium einen entsprechenden Antrag zu stellen, würde damit aber möglicherweise seine Treuepflicht gegenüber der Stiftung verletzen. Laut SPD-Fraktionschef Mike Schubert müssten drei Viertel der Kuratoriumsmitglieder einer Auflösung der Stiftung zustimmen. „Selbst wenn die Stadt Potsdam und das Land Brandenburg für eine Auflösung wären, gelänge es nicht“, sagte er mit Blick auf Kirchenvertreter im Kuratorium.

Jakobs kündigt nach der Entscheidung an, die Bürger bei dem Wiederaufbau-Projekt mehr einzubinden. Er sagte dem Tagesspiegel, das lang angekündigte Versöhnungskonzept zur Garnisonkirche befinde sich in Vorbereitung und werde öffentlich breit diskutiert. Ihm sei besonders wichtig, „dass wir in der Stadtgesellschaft die Diskussion über die Garnisonkirche noch einmal intensiv führen“. Mit dem erfolgreichen Bürgerbegehren habe ein Nachdenken eingesetzt, dass man in der Stadt mehr um die Akzeptanz der Bürger werben müsse, statt den Fokus auf Spendenwerbung zu legen. „Auch nach dieser Entscheidung werden wir bei dem Projekt nicht so weitermachen können wie bisher“, sagte Jakobs dem Tagesspiegel. Grundsätzlich verteidigte er das Projekt: „So ist die 1968 in der DDR abgerissene Garnisonkirche eine der schönsten Barockkirchen Norddeutschlands gewesen und bündelt die deutsche Geschichte wie in einem Brennglas“, sagte er. „Der Bau eignet sich zudem hervorragend als Versöhnungszentrum, von Militarismus kann bei dem Bauvorhaben deshalb keine Rede sein. Wir werden nun intensiv diskutieren müssen – am Ende werden alle die Kirche gut finden und wie beim Stadtschloss massenhaft hinpilgern.“

"Verhöhnung der Demokratie"

Unterstützer des Bürgerbegehrens kritisierten das taktische Abstimmungsverhalten der Rathauskoperation als „Verhöhnung der Demokratie sowie als Betrug am Parlament und den Potsdamern. Lutz Boede, Fraktionsgeschäftsführer von Die Andere, sprach von einem „schäbigen Trick“. Die Auseinandersetzung mit dem Projekt sei nicht vorbei. Garnisonkirchenstiftung und Kirche müssten das Votum der Stadtverordneten gegen das Bürgerbegehren zur Kenntnis nehmen und das Projekt aufgeben.

Vertreter der Linken werteten das Votum als Erfolg. „Ab heute kann man aber sagen: Die Stadt Potsdam stellt sich offiziell gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche“, sagte der Linke-Landtagsabgeordnete Norbert Müller. Peter Leinemann, der Verwaltungsvorstand der Stiftung Garnisonkirche, kündigte an, der Diskussion um das Projekt ein größeres Forum zu geben. Zur Frage, ob der Bau originalgetreu gebaut werden muss –Kuratoriumsmitglied Manfred Stolpe hatte unlängst eine moderne Variante mit originalem Turm ins Spiel gebracht –, sagte er: „Ich will erst mal gar nichts ausschließen.“

Stiftungssprecherin Friederike Schuppan sagte, es habe sich gezeigt, dass die Stiftung ihre Absichten besser kommunizieren müsse.

Der Wiederaufbau ist umstritten, weil die Garnisonkirche als Symbol des preußischen Militärs gilt. Am 21. März 1933, dem „Tag von Potsdam“, hatten sich dort Reichspräsident Paul von Hindenburg und Reichskanzler Adolf Hitler demonstrativ die Hände gereicht. 1968 wurde die Kriegsruine auf Geheiß der DDR-Führung gesprengt.

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