Turnfest: Die Berliner Turner dominieren die Konkurrenz
Die Männer aus Berlin sind im Turnen vorne, müssen aber zunächst auf Leistungsträger Lukas Dauser verzichten. Er zog sich einen Kreuzbandriss zu.
Jens-Uwe Kunze, der Geschäftsführer des Berliner Turn- und Freizeitsportbundes, reagierte schockiert auf die Nachricht. „Oh nein, er ist so ein toller Junge!“ Und er ist auch: So ein toller Turner. Doch das brauchte Kunze nicht zu sagen. Das hatten in diesen Tagen alle, die sich ein wenig mit den Turnfest und ihren besten Sportlern beschäftigten, erfahren. Am Donnerstagabend aber bekamen die rund 6000 Zuschauer in der Max-Schmeling-Halle in Berlin den aktuellen deutschen Mehrkampfmeister Lukas Dauser nicht zu sehen. Der 23-Jährige hatte sich am Abend zuvor schwer verletzt, als er sich beim Abgang an den Ringen das Knie verdrehte. Er zog sich einen Riss des vorderen Kreuzbandes am rechten Knie zu – und kann die WM in Montreal vergessen.
Der Turnunfall bei den Gerätefinals der deutschen Meisterschaften war von besonderer Tragik für Dauser, aber auch für das deutsche Turnen. Am Dienstag war Olympiasieger Fabian Hambüchen bei der Gala im Olympiastadion feierlich verabschiedet worden. Doch der Schmerz darüber war bei den deutschen Turnern nicht einmal so groß, weil sie sich schon jemand ausgeguckt hatten, der die Lücke, die Hambüchen hinterlässt, vielleicht ausfüllen kann: Lukas Dauser.
Tragisch ist die Verletzung auch für Jens-Uwe Kunze und die Berliner Turner. Die hatten bis dahin dieses Turnfest dominiert. Bei den Mehrkampfmeisterschaften hatte sich Dauser, der seit fünf Jahren in der Hauptstadt trainiert, knapp gegen seinen Berliner Trainingspartner Philipp Herder durchgesetzt. Philip Sorrer, wie Herder vom SC Berlin, war starker Siebter geworden. Die jungen Berliner Turner sind aufstrebend im deutschen Turner, sogar etwas mehr als das. „Der Deutsche Turner-Bund weiß: Ohne Berlin geht nichts“, sagt Kunze selbstbewusst.
Er übertreibt nicht einmal. Denn noch mehr als bei den Senioren dominieren die Berliner Turner im Juniorenbereich die Konkurrenz. In den Altersklassen 16, 17 und 18 Jahre belegten die Turner aus Berlin bei den jüngsten deutschen Meisterschaften die Plätze eins bis drei. „Im Juniorenbereich waren wir schon immer stark. Jetzt sind wir es auch wieder bei den Erwachsenen“, sagt Kunze.
Bei der Ring-Übung passierte es
Der Erfolg der Berliner Turner liegt im Bundesstützpunkt begründet. „Wir finden hier beste Bedingungen vor, haben sieben fest angestellte Trainer. Da kann man viel mit den Jungs machen“, sagt Kunze. Mit den Frauen kann man dagegen weniger machen in Berlin, weil sei nicht an einem Bundesstützpunkt trainieren dürfen. „Wir haben uns bei den Frauen nun darum bemüht, den Status eines Bundesstützpunktes zu bekommen“, sagt Kunze. „Aber eine Entscheidung darüber ist noch nicht gefallen.“ Konkret sieht es so aus, dass den besten Berliner Turnerinnen nur eineinhalb feste Trainerstellen zur Verfügung stehen. „Derzeit reichen bei den Frauen die finanziellen Mittel nicht, um weiter oben mit dabei zu sein“, sagt Kunze, der nun hofft, dass sein Vorzeigeturner Dauser bald wieder zurückkommt.
Das Drama um Dauser am Mittwoch hatte gezeigt, wie brutal das Turnen im Spitzenbereich sein kann. Die Rolle des Helden kann in kürzester Zeit weitergereicht werden. Bis zu seiner Übung an den Ringen war für Dauser alles gut gelaufen. Er hatte sich selbstbewusst dahingehend geäußert, eines der neuen Gesichter des deutschen Turnens werden zu können. Die Organisatoren des Turnfestes sahen das ähnlich. Sein Gesicht zierte viele Plakate, die für die Veranstaltung warben.
Und sportlich wurde er dem Rummel um ihn gerecht, indem er den Mehrkampf gewann. Dann aber kam der Abschluss seiner bis dahin sehr guten Übung an den Ringen. Er landete mit den Füßen sicher auf dem Boden, die Längsachsen-Rotation war aber noch nicht zu Ende und sein Knie drehte nach innen ein. Kurz darauf wurde er von zwei Sanitätern aus der Halle getragen und schon war der Nächste dran: sein Kumpel und Trainingspartner Herder. Der turnte sich in die Herzen der Fans. Nach dem Wettkampf sagte er: „Ich will nicht das Gesicht des deutschen Turnens werden. Ich will, dass wir viele Gesichter haben.“