Handball-WM: Deutschland verdaddelt Bronze
In der letzten Sekunde verlieren die Deutschen das Spiel um Platz drei gegen Frankreich. Kurz vor Schluss trifft Karabatic zum 26:25 für die Franzosen.
Bei der Vorgeschichte musste es ja so kommen. Wenn deutsche und französische Handballer bei großen Turnieren aufeinandertreffen, sind Dramen und späte Treffer fast schon garantiert. Im Olympia-Halbfinale von Rio 2016 kassierten die Deutschen in allerletzter Sekunde das entscheidende Gegentor und flogen raus, im WM-Vorrundenspiel in Berlin vor knapp zwei Wochen jagte Timothey N’Guessan den Ball ebenfalls mit der Schlusssirene zum 25:25-Endstand ins Netz – und auch am Sonntag hatten die Franzosen das bessere Ende für sich.
Im sogenannten kleinen Finale sorgte Nikola Karabatic auf den allerletzten Drücker für die Entscheidung und brachte das deutsche Team damit um die Chance, die Weltmeisterschaft mit einer Bronzemedaille abzuschließen. Mit 25:26 (13:9) musste sich die Mannschaft von Bundestrainer Christian Prokop geschlagen geben. „Es hat riesig Spaß gemacht, mit dieser Mannschaft und diesen Fans, diese WM zu spielen“, sagte der Bundestrainer. „Wir wollten das Spiel unbedingt für uns entscheiden“, ergänzte er nach zweieinhalb Turnierwochen und einem Monat auf Lehrgängen, in Trainingshallen, Bussen, Bahnen und Flugzeugen. „Das tut jetzt natürlich richtig weh.“
Keine 48 Stunden nach der bitteren Halbfinal-Niederlage gegen Norwegen in Hamburg durften die Deutschen ein letztes Heimspiel bestreiten: Die Halle im dänischen Herning war vor dem Finale zwischen Dänemark und Norwegen (siehe nebenstehenden Text) jedenfalls fest in deutscher Hand. Viele Anhänger hatten die 400 Kilometer lange Weiterreise vom letzten Spielort Hamburg nach Jütland angetreten und ihre Tickets nicht etwa gewinnbringend veräußert. Sie sollten die zweite Niederlage ihres Teams im nunmehr zehnten WM-Spiel sehen.
So klar wie das akustische Übergewicht waren die Verhältnismäßigkeiten auf der Platte aber nicht. Dass die Franzosen, die vier der letzten fünf WM-Finals erreicht und zwei davon gewonnen hatten, die Sache sehr wohl ernst nahmen, verdeutlichte schon ihre Startformation: In der ersten Sieben stand wieder ihr Ausnahmekönner Karabatic. Bisher war der Rückraumspieler nach einer sensationell schnell auskurierten Operation am großen Zeh fast ausnahmslos von der Bank gekommen.
Ein Ballverlust kurz vor Schluss führte zum Siegtor von Karabatic
Es dauerte keine zwei Minuten, da flog Karabatic das erste Mal quer durch die Luft und landete hart auf dem Boden der Tatsachen: Abwehrspezialist Hendrik Pekeler hatte sich seiner angenommen und begrüßte Karabatic in gewohnt freundlicher Manier. Überhaupt die deutsche Defensive – sie stand wieder deutlich besser und kompakter als noch gegen Norwegen. Zudem hatte das Team von Bundestrainer Christian Prokop auch eine verlässliche Torhüter-Leistung: Andreas Wolff kaufte den Franzosen drei der ersten vier Würfe ab und bestätigte dieses Niveau im weiteren Verlauf.
Vorn stellte Uwe Gensheimer seine Klasse einmal mehr unter Beweis; der Kapitän traf zum zwischenzeitlichen 4:2 – die erste Zwei-Tore-Führung an diesem Nachmittag. Die Franzosen konterten unter freundlicher Mithilfe des Gegners: die Variante mit dem siebten Feldspieler funktionierte auf deutscher Seite wieder nur sehr bedingt. Vier der insgesamt neun Gegentreffer in Halbzeit eins waren ins verwaiste deutsche Tor geflogen. Dass die Deutschen zur Pause trotzdem mit 13:9 führten, war vor allem Torwart Wolff zu verdanken, dessen Quote gehaltener Bälle nach 30 Minuten bei über 50 Prozent lag.
Nach dem Seitenwechsel dauerte es ganze acht Minuten, bis das hart erarbeitete Vier-Tore-Polster aufgebraucht war: die Deutschen wirkten platt, phasenweise unsicher und nachlässig. Beispiel gefällig? Andreas Wolff hielt einen Siebenmeter und sogar den unmittelbaren Nachwurf aus Nahdistanz, gegen den zweiten Nachwurf war aber selbst er machtlos. Wolff schimpfte mit seinen Vorderleuten und schlug mit der Hand gegen den Pfosten. Wer wollte es ihm verdenken?
Nach einer Viertelstunde in Durchgang zwei waren Wolffs Kollegen gerade einmal drei eigene Treffer gelungen. Das bestätigte den grundsätzlichen Eindruck des Turniers: So unangenehm die Deutschen in der Defensive sein können, so beschränkt sind sie mitunter bei eigenem Ballbesitz. In den Schlussminuten lief Prokops Team stets einem knappen Rückstand hinterher, konnte bestenfalls ausgleichen und vergab mehrfach die Gelegenheit zur Führung. Mit der Schlusssekunde traf Karabatic nach einem Ballverlust der deutschen Offensive zum entscheidenden 26:25 für die Franzosen. Es war erst sein zweiter Treffer im Spiel.