Halbfinale der Handball-WM: Traum vom Weltmeister-Titel endet in Hamburg
Gegen Norwegen laufen die deutschen Handballer lange einem Rückstand hinterher. Am Ende verlieren sie 25:31 und verpassen das WM-Finale klar.
Christian Prokop will in diesen Tagen so wenig Ablenkung wie möglich zulassen. Der Handball-Bundestrainer meidet die sozialen Netzwerke und schaut wirklich nur im Notfall auf sein Handy. „Wenn das Turnier läuft, werde ich im Tunnel sein“, kündigte er vor Beginn der Handball-Weltmeisterschaft an. Kürzlich hat Prokop allerdings eine Ausnahme gemacht, aus gegebenem Anlass: Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte ihm auf telefonischem Wege zum Halbfinaleinzug der deutschen Mannschaft und wünschte viel Erfolg für das nächste Duell gegen Norwegen. Wenn es noch einen finalen Beweis dafür brauchte, dass die Sportart in diesen kalten Januar-Tagen selbst absolut fachfremde Kreise erreicht, war es der Anruf aus dem Kanzleramt in Berlin.
Zum Titel, so viel steht seit Freitagabend fest, wird Angela Merkel dem Handball-Bundestrainer nicht mehr gratulieren dürfen. Da leistete sich der WM-Gastgeber im neunten Turnierspiel die erste Niederlage – dummerweise zum ungünstigsten Zeitpunkt: Mit 25:31 (12:14) mussten sich die Deutschen vor 12 500 Zuschauern in der ausverkauften Arena Hamburgs gegen Norwegen geschlagen geben. Ihr Traum vom WM-Finale am Sonntag ist damit ausgeträumt. Stattdessen werden die Nationalspieler im dänischen Herning gegen Frankreich um die Bronzemedaille antreten. Der Titelverteidiger hatte im ersten Halbfinale eine 30:38-Klatsche gegen Dänemark kassiert.
Gegen einen Besseren zu verlieren ist keine Schande. Was zählt, ist der Wille, versucht zu haben, das Spiel zu gewinnen! Wir haben bei der Fußballweltmeisterschaft in Russland das Gegenteil gesehen.
schreibt NutzerIn Griebnitzsee
Hohe Erwartungshaltung
Die Erwartungshaltung – sie war allenthalben groß vor dem Halbfinale. Norwegen? Dürfte doch wohl machbar sein, quasi eine anspruchsvolle Pflichtaufgabe. Dass die Skandinavier seit drei, vier Jahren wieder zur Weltspitze gehören, dass sie schon 2017 im Finale standen und dort nur knapp dem damaligen Gastgeber Frankreich unterlagen, ging im temporären Hype um die deutsche Nationalmannschaft beinahe unter.
Auf dem Parkett, dem Boden der Tatsachen, zeigte sich von Beginn an, dass die Taktiken beider Halbfinalisten auf grundsätzlich verschiedenen Ideen beruhen: Norwegen mit seinem unbändigen Tempospiel, mit seinen starken Außen und dem herausragenden Regisseur Sander Sagosen gegen die physisch starken, eher behäbigen Deutschen, die vor allem als Mannschaft überzeugt hatten – es war ein Kampf der Systeme. Beide Abordnungen versuchten, dem Gegner ihren Stil aufzuzwängen.
In ihrem ersten WM-Halbfinale seit zwölf Jahren erwischten die Deutschen den besseren Start und gingen zunächst mit 3:1 in Führung. Auf der Gegenseite nutzten die Norweger ihre erste Überzahl-Situation eiskalt aus und konterten ihrerseits mit einem 3:0-Lauf. Defensiv hatte sich die Mannschaft von Bundestrainer Prokop vor allem eines vorgenommen: die Kreise Sander Sagosens einzuschränken. Die Verteidigungsminister um Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler nahmen den norwegischen Strippenzieher früh an und machten ihm das Leben schwer.
Nach einer Viertelstunde kamen die Skandinavier trotzdem richtig ins Laufen. Innerhalb weniger Minuten gelangen ihnen drei einfache Tempogegenstoßtore, die Prokop beim Stand von 9:11 zu einer Auszeit zwangen. Wirklich besser wurde es nach der Besprechung allerdings auch nicht: Der für den glücklosen Andreas Wolff eingewechselte Silvio Heinevetter entschärfte zwar ein paar Würfe, seine Vorderleute waren in der Defensive aber oft den entscheidenden halben Schritt zu spät; allein in Halbzeit eins handelten sich die Deutschen fünf Zwei-Minuten-Strafen ein, auf der anderen Seite waren es nur zwei. Auf dem Weg in die Kabine nahm Bundestrainer Prokop Kontakt mit dem tschechischen Schiedsrichter-Gespann auf, nachdem Norwegens Linksaußen Magnus Rod von der Siebenmeterlinie mit seinem bereits sechsten Tor zum 12:14-Halbzeitstand vollendet hatte. Ohne Fabian Böhm, der nach seiner Einwechslung mit dem Kopf durch die Wand polterte, zwei Treffer erzielte und zudem Zeitstrafen der Norweger erzwang, wäre der Rückstand noch größer ausgefallen.
Zu statisch
Nach der Pause setzte Uwe Gensheimer das erste Zeichen: Der Kapitän eroberte einen Ball, den Fabian Wiede zum Anschlusstreffer verwertete. Insgesamt waren die Deutschen bei ihren Offensivbemühungen aber viel zu statisch – und defensiv fanden sie keine Mittel gegen die Achse Sander Sagosen/Bjarte Myrhol. Warum Prokop den schwachen Wolff für Heinevetter zurücktauschte, wird der Bundestrainer dieser Tage sicher auch noch dezidiert erklären dürfen. Nach 36 Minuten musste zwangsläufig die zweite deutsche Auszeit folgen – 15:19.
Erledigt war die Sache damit noch nicht, die Deutschen wehrten sich nach Kräften. Allerdings konnten sie den Rückstand in keiner Phase auf weniger als zwei Treffer verkürzen. Die Norweger verteidigten ihr Polster im Stile einer Klassemannschaft und nahmen damit auch Revanche für die Niederlage gegen Deutschland im EM-Halbfinale 2016. Damals kassierten die Skandinavier mit der Schlusssirene der regulären Spielzeit den Ausgleich und verloren schließlich in der Verlängerung. So weit ließen sie es am Freitagabend in Hamburg gar nicht erst kommen.
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