Handball-WM 2015: Deutschland scheitert an Gastgeber Katar und hadert
Gegen die Weltauswahl von Gastgeber Katar läuft die deutsche Handball-Nationalmannschaft im WM-Viertelfinale von Beginn an einem Rückstand hinterher. Dass sich der am Ende als uneinholbar erweist, liegt nicht nur am starken Spiel des Gegners.
Kurz nach Spielschluss gingen die Meinungen doch sehr weit auseinander. "Wir haben uns das Ergebnis selbst zuzuschreiben, weil wir in der ersten Halbzeit einfach nicht gut genug waren", sagte etwa Patrick Groetzki, der Rechtsaußen der Handball-Nationalmannschaft. "Mit einer Top-Leistung wäre uns das nicht passiert, aber die haben wir nicht über 60 Minuten gezeigt", gab Teammanager Oliver Roggisch zu Protokoll. Silvio Heinevetter wurde da, allerdings als einziger aus dem deutschen Stab, wesentlich deutlicher. "Wir konnten dieses Spiel nicht gewinnen. Jeder, der ein bisschen von dieser Sportart versteht, weiß, was ich meine", sagte der Torhüter und meinte natürlich die Schiedsrichter. "Solange ich in diesem Land bin, muss ich aufpassen, was ich sage", ergänzte Heinevetter noch und verschwand in die Kabine. Auch Paul Drux, sein Teamkollege von den Füchsen Berlin, wollte lieber "keinen Kommentar" zu den Geschehnissen abgeben.
So oder so: Deutschlands Handballer haben am Mittwochabend die Chance verpasst, erstmals seit acht Jahren wieder in das Halbfinale einer Weltmeisterschaft einzuziehen. In der mit 14 500 Zuschauern beinahe ausverkauften Lusail-Sporthalle in Doha unterlag die Mannschaft von Bundestrainer Dagur Sigurdsson mit 24:26 (14:18) gegen Katar. Der siegreiche WM-Gastgeber durfte dagegen einen historischen Abend bejubeln: Als erstes asiatisches Team überhaupt erreichten die Katarer die Runde der letzten Vier bei einer Handball-WM. Im Halbfinale trifft der Ausrichter am Freitag auf Polen, das sich parallel überraschend gegen Kroatien durchsetzte. Gegen Kroatien spielt die deutsche Mannschaft am Freitag in der Platzierungsrunde, in der es noch um die Olympia-Qualifikation geht.
Vor der mit Abstand besten Kulisse im bisherigen Turnierverlauf erwischten die Deutschen einen denkbar schlechten Start. Nach einer guten Viertelstunde sah sich Bundestrainer Sigurdsson beim Stand von 6:11 gezwungen, sein Team mittels einer Auszeit neu einzustellen. Für den bis dahin glücklosen Carsten Lichtlein brachte er Silvio Heinevetter aufs Feld, und der Berliner emotionalisierte seine Vorderleute auch gleich mit einigen spektakulären Paraden. In der Offensive leisteten sich seine Mannschaft allerdings viel zu viele Fehler: ungenaue Abspiele, überhastete Abschlüsse, schlechte Würfe. "Wir haben uns in eine äußerst schwierige Situation gebracht", sagte Paul Drux später. "Vor so einem Publikum erspielt man sich im Idealfall ein kleines Polster", ergänzte der Rückraumspieler, "bei uns war es genau umgekehrt: wir sind immer einem Rückstand hinterhergelaufen." Phasenweise betrug dieser sieben Tore (9:16/26.). Dank eines ordentlichen Schlussspurts durften Drux & Co. zur Pause immerhin noch auf eine kleine Sensation hoffen.
Die Schiedsrichter legten die Regeln erkennbar unterschiedlich aus
In den zehn Minuten nach Wiederanpfiff hatten die Deutschen ihre beste Phase. Nach 39 Minuten und dem Treffer von Patrick Groetzki zum 19:20 schien die Partie zu kippen – es sollte allerdings der letzte Anschlusstreffer im Laufe des weiteren Abends bleiben. "Wenn wir in dieser Phase den Ausgleich machen oder einmal in Führung gehen, hätten wir gute Chancen gehabt", sagte Bundestrainer Sigurdsson, "so haben zwar alle gekämpft, kein Vorwurf, aber es hat nicht mehr gereicht, weil Katar auch wirklich gut gespielt hat." So ganz von ungefähr kamen Heinevetters spätere Ausführungen aber auch nicht: In der kniffligsten Phase der Partie erfand das mazedonische Schiedsrichter-Gespann kurzerhand ein paar Regeln neu und legte im Bewertungsmaßstab unterschiedliches Maß an: Die Katarer durften sich erst einmal 30 Sekunden den Ball zuspielen, ehe sie überhaupt in Richtung gegnerisches Tor zogen. Bei den deutschen Angriffen ging der Arm der Referees – also das Vorwarnzeichen für passives Spiel – deutlich schneller hoch. Bereits in der ersten Halbzeit hatte das Gespann eine klare Tätlichkeit des Katarers Bertrand Roine gegen Kapitän Uwe Gensheimer übersehen.
"Heinevetter kann sich trotzdem nicht hinstellen und solche Äußerungen von sich geben", sagte Ex-Nationalspieler und Fernseh-Experte Stefan Kretzschmar später. "Es war vorher klar, dass die Deutschen fünf Tore besser sein müssen, um mit einem zu gewinnen", ergänzte Kretzschmar, "trotzdem war es kein Skandal-Spiel." Katars Trainer Valero Rivera beendete den Abend schließlich mit einem denkwürdigen Statement: "Der Heimvorteil ist im Handball enorm wichtig, das ist bekannt", sagte der Spanier, "wenn dieses Spiel in Deutschland ausgetragen worden wäre, hätten es die Deutschen gewonnen."