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Gleich geht wieder einer rein. Die deutschen Torhüter waren am Sonntag in Prag wahrlich zu bedauern.
© Reuters

Eishockey-WM: Deutschland erlebt 0:10-Debakel gegen Kanada

Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft erlebt bei der WM in Tschechien gegen Kanada ein Debakel. Das Team von Bundestrainer Pat Cortina unterliegt dem Topfavoriten nach einer unwürdigen Darbietung 0:10.

Es war ein seltsames Bild. Als Pat Cortina Mitte des zweiten Drittels beim Spiel der Deutschen gegen Kanada auf dem Videowürfel in der Prager Großarena eingeblendet wurde, spielte die Stadionregie einen deutschen Uraltschlager ein. "Rosamunde, schenk mir dein Herz und sag ja", donnerte es aus den Lautsprechern. Cortina aber wird kaum zugehört haben, denn die von ihm betreute Eishockey-Nationalmannschaft lag zu diesem Zeitpunkt bereits 0:6 zurück und steuerte in ein Desaster von historischer Dimension. Am Ende verloren die Deutschen ihr zweites Spiel bei der Weltmeisterschaft in Tschechien 0:10 (0:4, 0:5, 0:1) - nach einer unwürdigen Vorstellung gegen den Olympiasieger.

Sicher, die deutsche Mannschaft hatte schon am Sonnabend bei ihrem ersten WM-Spiel, beim 2:1 gegen Frankreich nicht überzeugt. Und sicher, gegen eine Starauswahl aus der National Hockey-League (NHL) dürfen die Deutschen verlieren. Aber auf die Art und Weise wie am Sonntag? Sicher nicht! Eine derart desolate deutsche Darbietung gab es zuletzt bei der WM 2012 beim 4:12 gegen Norwegen. Auch damals stand mit Jakob Kölliker ein Trainer an der Bande des deutschen Teams, der so überfordert wirkte wie Cortina am Sonntag in Prag. Ein derartiges Ergebnis wäre einst unter Hans Zach undenkbar gewesen, der hätte schon noch an den Stolz seiner Spieler appelliert, sich nicht so demütigen zu lassen. Das gelang Cortina am Sonntag nicht. Woran es gelegen habe, dass seine Mannschaft nicht gekämpft habe, wurde Cortina später gefragt. Antwort: „Ich weiß es nicht.“

Unter den vielen deutschen Anhängern in der mit 15.046 Zuschauern gut gefüllten Arena war offensichtlich auch eine Spaßvogel-Fraktion. "Macht sie alle, schießt sie aus der Halle", schallte es mit Spielbeginn durch die Arena. Tatsächlich spielten die Deutschen forsch auf und hatten mehr vom Spiel und auch mehr Torchancen - in den ersten acht Minuten. Dann leitete ein Konter der Kanadier nach einem Fehler der Deutschen in der Offensive den Anfang vom Untergang ein. Sidney Crosby traf zur Führung der Kanadier, 23 Sekunden später gelang Taylor Hall das 2:0 für den Olympiasieger und spätestens nachdem Verteidiger Björn Krupp (Wolfsburg) mit einem Fehler das dritte kanadische Tor durch Cody Eakin eingeleitet hatte, weigerte sich die Mannschaft von Cortina, konstruktiv mitzuspielen. Eakin traf noch vor der ersten Pause zum 4:0.

Nach 25 Minuten wechselte Deutschland den Torwart - ohne Erfolg

So ging es munter weiter. 0:5 Hall, 0:6 Aaron Ekblad und nach 25 Spielminuten durfte Dennis Endras (Mannheim) sein Tor verlassen. Danny Aus den Birken (zuletzt Kölner Haie, bald RB München) kassierte das 0:7 durch Claude Giroux, das 0:8 durch Tyler Ennis und das 0:9 durch Hall. In der Halle war es längst mucksmäuschenstill. Und so blieb vor dem letzten Drittel nur die Frage, ob die Deutschen nun zweistellig untergehen würden oder nicht. Denn die Mannschaft hatte sich komplett aufgegeben und natürlich wurde es auch daher zweistellig: Per Penalty erzielte Matt Duchene das 10:0 für Kanada und sagte später. "Bei uns hat alles gestimmt. Kein Wunder, so ein starkes Team hatten wir noch nie bei einer WM.“

Ein herrlicher Tag also für Crosby und Co. Der Superstar aus der NHL hatte vor dem Spiel übrigens noch gesagt: "Ich habe sehr viel Respekt vor den Deutschen, ich habe ja bei den Pittsburgh Penguins mit drei guten deutschen Spielern in einer Mannschaft gespielt." Diese drei Deutschen waren allerdings am Sonntag nicht in Prag. Christian Ehrhoff ist verletzt, Marcel Goc (inzwischen St. Louis) wollte nicht zur WM und Torwart Thomas Greiss wollte Cortina nicht mitnehmen zur WM.

Trotz der Tatsache, das Cortina in Prag nur mit einer deutschen B-Mannschaft am Start ist - das Spiel gegen Kanada wird sich Cortina zum Vorwurf machen müssen. Überhaupt ist es auffällig, dass dem Nationalteam in drei Jahren unter dem kanadischen Trainer nicht ein einziges achtbares Spiel gegen eine große Nation gelungen ist. Unter seinem Vorgänger Uwe Krupp gab es immer mal wieder Ausreißer nach oben, so zum Beispiel WM-Siege gegen Tschechien (2007), die USA (2010) oder gegen Russland (2011).

Von so einer Überraschung war das deutsche Team am Sonntag Lichtjahre entfernt. Kapitän Michael Wolf sagte: "Wir waren wie gelähmt und haben nur zugeschaut." Cortina tönte derweil: "Wir müssen uns jetzt am Dienstag gegen die Schweiz zurück kämpfen." Mindestens fünf WM-Spiele lang darf der nach der WM scheidende Bundestrainer in Prag noch weiter werkeln und muss versuchen, den ramponierten Ruf seiner Mannschaft wieder zu schönen. Beim Gegner vom Sonntag schien man sich da nicht so sicher zu sein, dass Cortina dies gelingt. Als die kanadische Delegation um Cheftrainer Todd McLellan am Abend die Prager Arena mit breitem Lächeln in den Gesichtern verließ, sagte ein Mitarbeiter aus dem Trainerstab: "Habt ihr gesehen, wie Crosby diese Jungs gedemütigt hat? Die sind jetzt ruiniert!"

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