Deutsches Eishockey-Nationalteam in der Krise: Die Dorfmannschaft
Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft hat ein Imageproblem – deswegen spielt sie nur noch in kleinen Hallen. Am Mittwoch gastiert sie im Berliner Wellblechpalast.
Am Montag hat der Betreuerstab der deutschen Eishockeynationalmannschaft die Eisbären-Kabine im Wellblechpalast in Beschlag genommen. Dort, wo sonst die Berliner Profis nur noch trainieren – oder aus Versehen auch mal Pre-Play-offs spielen wie in der abgelaufenen Saison – gibt es am Mittwoch höherklassiges Eishockey zu sehen: Die Nationalmannschaft bestreitet in Hohenschönhausen ihr letztes Testspiel (19.30 Uhr) vor der am 1. Mai in Tschechien beginnenden Weltmeisterschaft.
Dass das höherklassige Spiel zweier A-WM- Teilnehmer auch hochklassiges Eishockey bietet wird, davon ist sogar auszugehen: Bei Gegner Slowenien rutscht Anze Kopitar über das Eis, Topscorer der Los Angeles Kings aus der National Hockey-League (NHL).
Kopitar kennt sich im Wellblechpalast aus. Im Dezember 2003 spielte der Angreifer mit nicht einmal 17 Jahren bei der U-20-WM in Berlin mit – in der B-Gruppe. Bei besagter Turnierwoche waren mehr Spielerbeobachter als Zuschauer auf der Tribüne. Es war allen klar, dass aus dem jungen Slowenen Kopitar etwas werden würde. Das Turnier gewannen aber die Deutschen, auch dank eines 8:1-Erfolges gegen Slowenien. So klar dürfte es am Mittwoch nicht ausgehen, auch wenn bei den Deutschen auch noch Spieler von 2003 auf dem Eis stehen werden. Jens Baxmann etwa, letzter verbliebener Eisbären-Profi im deutschen WM-Aufgebot. Aber der Berliner ist eben unter den Verteidigern nicht das geworden, was Kopitar (Jahresgehalt 7,5 Millionen Dollar) in der NHL als Stürmer wurde.
Von zehn deutschen NHL-Spielern fährt nur einer mit zur WM nach Prag
Überhaupt ist es mit der Qualität des WM-Teams von Pat Cortina nicht zum allerbesten bestellt. Von zehn Nationalspielern, die in dieser Saison in der NHL zum Einsatz kamen, wird nach Lage der Dinge nur Tobias Rieder (Arizona Coyotes) mit nach Prag fahren. Und auch aus der Deutschen Eishockey-Liga kann oder möchte mehr als ein Dutzend an Spitzenkräften nicht spielen. Wieder einmal – wie immer in seiner nunmehr dreijährigen Amtszeit – muss der Italo-Kanadier mit einer Flut von Absagen leben. Cortina hoffte am Dienstagnachmittag wenigstens noch auf Dennis Seidenberg. Dabei hatte der Star-Verteidiger von den Boston Bruins aus der NHL zu diesem Zeitpunkt wegen seiner Handgelenksverletzung bereits abgesagt.
Natürlich seien die vielen Absagen frustrierend, sagte Cortina und das nicht nur für ihn, „sondern auch für die Spieler, die verletzt sind wie etwa Christian Ehrhoff“. An Einsatzwillen werde es seinem Team aber nicht fehlen. Er sehe da in den Augen der Spieler viel „Leidenschaft und Enthusiasmus“.
Erstes Länderspiel in Berlin seit 2003
Leidenschaft hin oder her – es ist wahrscheinlich, dass Cortina nach der WM aufhören wird. Sein Vertrag beim Deutschen Eishockey-Bund (DEB) läuft aus, und seine Amtszeit ist bislang völlig frei von sportlichen Höhepunkten. Im Gegenteil: Als erster Bundestrainer verpasste er mit dem Nationalteam die Qualifikation für Olympia. Cortina sagt zu den Zielen für Prag: „Der Traum wäre das Viertelfinale, und da ist dann alles möglich.“ Der Albtraum wäre der Abstieg. Die Zweitklassigkeit wäre allerdings nur vorübergehend, denn als Ausrichter der WM 2017 in zwei Jahren wäre Deutschland automatisch wieder Teilnehmer des A-Turniers.
Für die Berliner Eishockeyanhänger bietet der Mittwoch noch einen kleinen Höhepunkt nach einer Saison, die ja für die Eisbären schon Anfang März mit dem Verpassen der Play-offs endete. Für den letzten Berliner im Aufgebot ist das Spiel eminent wichtig, Baxmann ist noch ein Wackelkandidat für Prag, das deutete Cortina am Dienstag an.
Es ist das erste Länderspiel in Berlin seit 2003. Damals spielte die Nationalmannschaft noch unter Hans Zach vor 3000 Zuschauern in der Deutschlandhalle gegen Weißrussland (1:0). Wohl auch aufgrund der schwachen Resonanz mied der DEB fortan Berlin als Austragungsort. Wobei sich der Verband in jüngsten Jahren bei Testspielen ohnehin in die Provinz verzog. Eine Großarena ist mit dem aktuellen Team nicht mehr zu füllen. Das Image der Eishockey-Nationalmannschaft ist nur schwer auszumachen, insgesamt wird ihr wohl in einer breiten Öffentlichkeit wenig Interesse entgegengebracht. Ein Straßenfeger wird auch der letzte WM-Test nicht werden: Für den Mittwoch in Hohenschönhausen wurden bis Dienstag erst 3000 Eintrittskarten abgesetzt.