Angelique Kerbers "Akku alle": Deutsches Fed-Cup-Team verliert 2:3 gegen die Schweiz
Erst verliert Angelique Kerber ihr Einzel am Sonntag, später ist auch das deutsche Doppel chancenlos. Was bleibt ist Ernüchterung - nicht nur wegen des Ergebnisses.
Die Ernüchterung folgte bereits am Sonntagmorgen. Der TV-Partner Sat.1 hatte die Quoten vom Auftakttag der deutschen Fed-Cup-Mannschaft gegen die Schweizerinnen veröffentlicht – und diese waren verheerend. Nur 440.000 Zuschauer hatten die Auftritte von Andrea Petkovic und Angelique Kerber sehen wollen. Das entspricht einem katastrophalen Marktanteil von drei Prozent. Die beiden spielten zwar parallel zur Fußball-Bundesliga, doch die läuft im Bezahlfernsehen. Der Vergleich mit Konkurrent RTL kommt der Wahrheit da wohl näher. Dort hatte man zur selben Zeit mit Serien aus der Konserve einen Marktanteil von 13 Prozent erzielt.
Die Zahlen wirkten wie eine eiskalte Dusche für den „Ker-Boom“, den sich das deutsche Tennis eine Woche nach dem Australian-Open-Sieg von Kerber so erhofft hatte. Doch obwohl die Leipziger Messehalle mit 4200 Zuschauern an beiden Tagen ausverkauft war, schwappte die Euphorie offensichtlich nicht daheim in die Wohnzimmer über. Sat.1 zog die Konsequenz und schob den Entscheidungstag des Fed-Cup-Duells zurück zum Spartensender Sat.1 Gold. Das Experiment mit dem Hauptprogramm war, wie schon beim Finale der deutschen Frauen in Prag 2014, gescheitert. Die Tennisquoten bleiben seit Jahren so oder so gleichbleibend dürftig. Auch sportlich konnte das Team von Barbara Rittner kaum Argumente sammeln. Nachdem es nach den vier Einzeln 2:2 gestanden hatte, musste das Doppel entscheiden. Und in dem waren die Doppel-Weltranglistenerste und 21-malige Grand-Slam-Siegerin Martina Hingis mit ihrer Partnerin Belinda Bencic beim 6:3 und 6:2 zu stark für das Duo aus Petkovic und Anna-Lena Grönefeld.
Zuvor war Kerber unter großem Jubel noch einmal angetreten, doch sie musste nach ihrer 6:7 und 3:6-Niederlage gegen die Weltranglistenelfte Bencic eingestehen: „Mein Akku war einfach alle.“ Der Rummel, die Strapazen, der Gefühlsrausch nach ihrem überraschenden Grand-Slam-Triumph – nun war die Energie der 28-jährigen Kielerin aufgebraucht. Kerber hatte im ersten Satz noch schnell mit 4:1 geführt, doch dann wurden die Beine immer schwerer. Kerbers verbissener Kampfgeist war bemerkenswert, aber Bencic spielte einfach frischer. „Ich habe gestern Abend schon gemerkt, dass ich immer müder werde“, sagte Kerber.
Das Schweizer Doppel um Martina Hingis war zu stark für die Deutschen
Dennoch hatte es nicht zur Disposition gestanden, auf ihren Einsatz zu verzichten. Eine echte Wechseloption blieb Bundestrainerin Rittner in ihrem Quartett auch nicht übrig. Schließlich musste Annika Beck bereits für die formschwache Petkovic im zweiten Einzel gegen Timea Bacsinszky einspringen. Und Beck hatte die Weltranglisten-15. gerade erst in Melbourne geschlagen, doch diesmal machte die Anspannung nach dem 1:2-Rückstand der 21-jährigen Bonnerin in ihrem ersten Einzel für Deutschland lange zu schaffen. Dank des Publikums knüpfte Beck doch noch an Leistung an, die sie ins Achtelfinale der Australian Open geführt hatte und gewann mit 7:5 und 6:4.
Doch im Endeffekt blieb nur das Gefühl der Ernüchterung, das deutsche Tennis war nach Kerbers Flug auf Wolke sieben zurück auf den Boden der Realität gestürzt. Und überraschend kam das Quotentief auch nicht, denn auf Knopfdruck werden die Zuschauer eben nicht wieder kollektive Tennisfans. Die PR-Manager der deutschen Frauen hatten in den vergangenen fünf Jahren schlicht verpasst, ihren Schützlingen landesweit einen Namen zu verschaffen.
Nach den goldenen Jahren mit Graf und Becker braucht es Zeit, um die Sportfans wieder für neue Tennisgesichter zu interessieren. Doch eine geballte Hauruck-Offensive nach einem Grand-Slam-Sieg reicht da nicht aus. Positiv bleibt jedoch die Aussicht, dass Kerber durch weitere sportliche Erfolge in diesem Jahr, das breite Interesse an Tennis kontinuierlich steigern könnte. Für einen spontanen Tennis-Boom hatte man die Vorarbeit leider verschlafen.nnisplatz will sie jetzt erst einmal Stunden auf der Couch verbringen. „Ich werde einfach nur daliegen und mir noch mal durch den Kopf gehen lassen, was passiert ist“, sagte Kerber. Sie sah müde aus.