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Bereit für die nächsten Schläge. Angelique Kerber trainiert in Leipzig für die Fed-Cup-Partie gegen die Schweiz.
© dpa/Woitas

Tennis: Angelique Kerber: Größer als das Team

Vor dem Fed-Cup-Auftakt überstrahlt die Australian-Open-Siegerin Angelique Kerber ihre deutschen Kolleginnen.

Die Frage kam überraschend. Ob sie denn den Hochzeitstermin von Bastian Schweinsteiger und Ana Ivanovic kenne, wurde Angelique Kerber am Mittwoch in Leipzig während der Pressekonferenz des deutschen Fed-Cup-Teams gefragt. Kerbers Augen weiteten sich ungläubig, die Mundwinkel verzogen sich zu einem wackligen Grinsen. Staunen. In ihr arbeitete es. Wie soll ich darauf jetzt reagieren? Dann kam ihr Barbara Rittner zu Hilfe: „Die Petko weiß das, aber sie verrät es nicht.“ Gelächter im Saal, Situation gemeistert, nächstes Thema.

„Ich bin auf jeden Fall deutsch“

An Fragen wie diese wird sich Angelique Kerber gewöhnen müssen, sie gehören ab jetzt zu ihrem Leben wie der Grand-Slam-Titel bei den Australian Open in Melbourne. Mit dem hat die 28-Jährige zumindest schon mal einen Mini-Tennisboom in ihrer Heimat ausgelöst. Obwohl, das mit dem Zuhause wollen die Leute von ihr jetzt auch genauer wissen. Fühlt sie sich denn nun eher als Deutsche oder als Polin? In Puszczykowo, nahe Posen, leben Kerbers Großeltern, hier verbringt sie viel Zeit und hat sogar ein eigenes Trainingscenter. „Ich bin auf jeden Fall deutsch“, sagt Kerber und fügt anlässlich des anstehenden Duells gegen die Schweiz im Fed Cup am kommenden Wochenende artig hinzu: „Für Deutschland zu spielen, ist immer eine Ehre für mich.“

Tatsächlich ist es nicht selbstverständlich, dass ein Tennisprofi nach einem großen Erfolg am anderen Ende der Welt nur ein paar Tage später schon wieder einen Pflichttermin bei der Nationalmannschaft wahrnimmt. „Respekt, dass sie nach dem ganzen Stress hier antritt“, sagt Kollegin Andrea Petkovic. Kerber lächelt es weg – wie eigentlich alles seit ihrem Finalsieg gegen Serena Williams. Ob sie mal eine Absage in Erwägung gezogen habe? „Ehrlich gesagt, nein“, sagt Kerber.

Die Fans konnte Kerber bisher kaum für sich gewinnen

Leute, die sie schon länger kennen, wollen bemerkt haben, dass Angelique Kerber inzwischen selbstbewusster ist. Früher lag ihr Auftreten zwischen ruhig und unscheinbar, dabei ist Kerber seit Jahren eine Topspielerin auf der Frauen-Tennistour. Doch während Sabine Lisicki bereits früh davon redete, einmal die Nummer eins der Welt werden zu wollen oder Andrea Petkovic nach Siegen regelmäßig ihren „Petko-Dance“ für das Publikum aufführte, spielte die eher introvertierte Kerber immer einfach nur Tennis. 2011 machte sie mit dem Halbfinaleinzug bei den US Open erstmals richtig auf sich aufmerksam, doch es war eher ein Aha-Erlebnis für eingefleischte Tennis-Experten – und die Konkurrenz. Die Fans konnte Kerber nur zögerlich für sich gewinnen, dabei war die Linkshänderin schon immer eine große Kämpferin, die mit ihrem Spiel durchaus zu begeistern wusste. Nur nahm davon niemand so richtig Notiz – vor allem in Deutschland.

Jetzt ist mit einem Mal alles anders. „Einen Grand-Slam-Champion im Team zu haben, ist schon etwas Besonderes“, sagt Bundestrainerin Barbara Rittner und Andrea Petkovic schwärmt: „Angie hat mich mit ihrem Sieg inspiriert, ich bin dadurch noch zusätzlich motiviert.“ Im Übrigen hätten sie sich aber auch schon vorher gemocht, stellt Petkovic klar. Es sei jetzt allerdings schon alles ein bisschen anders beim Fed Cup. „Früher kamen vielleicht zwei Journalisten zu so einer Pressekonferenz und mit denen haben wir uns auch schon mal vor dem Klo unterhalten.“ Diesmal sind es gut 100 Menschen, die sich in einen Konferenzraum auf dem Leipziger Messegelände gedrängt haben. Hans-Jürgen Pohmann, Pressesprecher des Deutschen Tennis-Bundes (DTB), fühlt sich ein wenig an die alten Zeiten mit Boris Becker und Steffi Graf erinnert. „Haben Sie die ganzen Kamerateams gesehen?“, fragt er mit leuchtenden Augen.

Kerber spürt noch keinen Druck

Die Kameras kennen an diesem Tag nur das immer gleiche Motiv Angelique Kerber. Und die lässt sich geduldig ablichten, beantwortet dazwischen Fragen, die zuletzt schon so oft gestellt wurden. Immer freundlich lächelnd und den Blickkontakt mit dem Fragesteller haltend. Was sie denn jetzt mit dem ganzen Geld machen würde? Immerhin hat sie allein für den Sieg bei den Australian Open 2,2 Millionen Euro kassiert. „Darüber habe ich noch nicht so viel nachgedacht, aber es ist ein schönes Gefühl.“ Und wie geht sie mit dem Druck um, der jetzt auf ihr lastet? „Was jetzt kommt, empfinde ich nicht als Druck. Ich weiß, dass ich nicht jedes Turnier gewinnen werde, aber diesen Titel kann mir niemand mehr nehmen.“

Als sie das sagt, haben ihre Kolleginnen den Raum bereits verlassen. Eigentlich soll das Team der Star sein, doch Kerber ist gerade größer als die eigene Mannschaft. Mit dieser Rolle geht sie souverän um, auch wenn ihr die Entertainer-Qualitäten einer Andrea Petkovic noch abgehen. Doch alles braucht seine Zeit, schließlich war Angelique Kerber vor kurzem noch nicht einmal von ihren Tennisqualitäten restlos überzeugt, weil sie oft in großen Matches Nerven zeigte. Nach dem Viertelfinalsieg in Melbourne über ihre weißrussische Angstgegnerin Victoria Asarenka habe es schließlich bei ihr „Klick gemacht“. Endlich fühlte sie sich bereit für den nächsten Schritt. „Das Mentale ist der entscheidende Schlüssel zum Erfolg“, sagt Kerber.

Und der Kopf wird auch auf ihrem weiteren Weg mitspielen müssen. An diesem Tag in Leipzig hat sie zwar realisiert, was sie erreicht hat. Doch mit gutem Tennis allein wird sich der Fan in Deutschland in Zukunft wohl nicht zufrieden geben. Sich davon nicht überraschen zu lassen, könnte für Angelique Kerber sogar noch schwerer werden, als einfach nur ein Tennismatch zu gewinnen.

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