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Willkommen in Stuttgart. Pellegrino Matarazzo soll die Schwaben aus der Zweiten Liga wieder nach oben führen. Am Mittwoch starten sein Team und er gegen Heidenheim in die Rückrunde.
© Sebastian Gollnow/dpa

Rückrundenbeginn in der Zweiten Liga: Der nächste Neustart beim VfB Stuttgart

Der Aufstieg ist dem VfB Stuttgart wichtiger als Kontinuität. Deshalb darf sich mit dem Mathematiker Pellegrino Matarazzo wieder ein neuer Trainer versuchen.

Vor Kurzem, so berichteten es die Reporter der „Stuttgarter Zeitung“ in ihrem Podcast, habe der Fußballer Orel Mangala im Training einen Maulwurfshügel für seinen kapitalen Fehlschuss verantwortlich gemacht. Es ist dies die Klassiker-Ausrede für Torschuss-Fails im Fußball. Weshalb Co-Trainer Rainer Widmayer in seiner aus Hertha-Zeiten bekannten schwäbischen Mundart gesagt habe: „Orel, bei dir isch’ doch immer dr’ Maulwurf schuld.“ Das Gelächter soll anschließend groß gewesen sein im Trainingslager im spanischen Marbella. Wie überhaupt offenbar die Stimmung beim VfB Stuttgart mal wieder komplett gekippt ist, dieses Mal ins Positive.

Stimmungsumschwünge sind dabei die einzige Konstante in diesem Fußballverein. Es läuft in der Regel wie folgt ab bei den Schwaben: Die Fans strömen in großer Zahl und mit großer Erwartung ins Stadion; die Mannschaft wird dem selten gerecht; die Vereinsführung reagiert oft schneller, als sie es müsste; es kommt ein neuer Trainer; es gibt wieder große Erwartungen und meist recht zeitnah wieder große Enttäuschungen. Auf diese Weise verschliss der VfB in den vergangenen zehn Jahren 15 Trainer. Aktuell kickt der finanziell üppig ausgestattete Klub in der Zweiten Liga. So weit, so schlecht.

Am Mittwoch (18.30 Uhr) startet der VfB nach der Winterpause mit einem Heimspiel in den Spielbetrieb. Gegner des Tabellendritten ist ein Gegenmodell des Klubs, der 1. FC Heidenheim. Der direkte Verfolger kommt im Vergleich mit dem großen VfB eher als besserer Dorfklub daher, arbeitet aber viel effizienter – und vertraut seit 2007 Trainer Frank Schmidt. Nur einmal als kleines Zahlenspiel: Seit 2007 engagierte der VfB Stuttgart 18 Trainer (ohne die Mini-Übergangslösungen Olaf Janßen und Andreas Hinkel). In dieser Kategorie steht es daher 18:1 für den kleinen FC Heidenheim.

Doch der VfB wäre nicht der VfB, glaubte er nicht an den nächsten Heilsbringer: Pellegrino Matarazzo, seit wenigen Wochen neuer Cheftrainer in Stuttgart. Der 42-Jährige war vor Bekanntwerden des VfB-Engangements nur sehr intensiven Fußball-Beobachtern ein Begriff. Matarazzo hat keine klassische Trainerkarriere eingeschlagen – und war wohl für die Entscheider um den Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger und Sportdirektor Sven Mislintat gerade deshalb interessant.

Matarazzo war Co-Trainer von Julian Nagelsmann

Matarazzo kam als Sohn italienischer Einwanderer in die USA, er schloss ein Mathematikstudium an der Columbia University in New York ab. Anschließend versuchte er sich in Deutschland an einer Fußballerkarriere, kam aber nie über die Regionalliga hinaus. 2010 begann er seine Arbeit als Trainer, nach verschiedenen Stationen als Co- und Nachwuchstrainer gelangte er 2017 zum Bundesligisten TSG Hoffenheim, wo er zunächst U-17-Trainer und anschließend Co-Trainer unter dem Cheftrainer Julian Nagelsmann wurde.

Matarazzo ist einer aus der zweiten Reihe. Beim VfB, wo die Bruddler nur die allerhöchsten Ansprüche an ihre Mannschaft und zugegebenermaßen immer was zum Schimpfen haben, wird so eine Personalie kritisch betrachtet. Viele Anhänger hätten es gerne gesehen, wenn der frühere VfB-Fußballer Ludovic Magnin als Trainer verpflichtet worden wäre.

Die Klubverantwortlichen entschieden sich aber für Matarazzo, weil sie nach dem forschen bis groben Vorgänger Tim Walter wieder einen anderen Ton im Trainerteam haben wollen. Matarazzo gilt als feinsinniger Geist und als Mann des Ausgleichs. Den Co-Trainern wie etwa Rainer Widmayer – unter Walter kaum in Entscheidungsprozesse eingebunden – gibt er viele Kompetenzen. Das Trainingslager in Marbella soll in bester Atmosphäre stattgefunden haben.

"Druck ist ein Muss"

Aber nicht nur die Stimmung will der Denker Matarazzo verbessern. Unter ihm dürfte der VfB taktisch völlig anders auftreten als noch unter Walter, der alternativlosen Ballbesitzfußball predigte. Matarazzo hat eine weniger dogmatische Fußballphilosophie. Er bezeichnet sich selbst als optimistischen Realisten.

Die Vorgabe an ihn ist dabei unzweideutig: Das Ziel aufzusteigen sei größer als der Wunsch nach Kontinuität, ließ Hitzlsperger neulich verlauten.

Matarazzo hat seine eigene Art, mit dem Ziel der Klubchefs umzugehen. „Druck ist nie ein ’Muss’“, sagte er dem Südwestrundfunk. ’Muss’ sei immer ein negatives Wort. „Wir wollen. Und man muss bei den Spielern ein Gefühl dafür entwickeln, warum wir das wollen.“

Klingt nach einem interessanten Ansatz. Aber interessante Ideen waren in der Vergangenheit nie das Problem. Vielmehr scheiterte es regelmäßig an deren Umsetzung.

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