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Abgetaucht. Mathew Leckie, der im ersten Spiel zwei Treffer erzielte, blieb gegen Dortmund blass.
© Ralph Orlowski/Reuters

Nach der ersten Saisonniederlage für Hertha BSC: Der lange Weg in die Spitze

Hertha BSC steht hinten stabil, doch vorne fehlt es den Berlinern doch ziemlich deutlich an Torgefahr.

Fabian Lustenberger trug Unterhemd und Badelatschen, in den Händen hielt er sein unbenutztes Trikot. Der Schweizer musste lange warten, bis sein früherer Kollege Lukasz Piszczek alle Interviewwünsche erfüllt hatte. „Pischu!“, rief Lustenberger durch den Gang, doch weil Piszczek dem Schweizer nicht etwa entgegenkam, um sich auf halber Strecke zu treffen, trottete Lustenberger Richtung Dortmunder Kabinengang. Gleich hinter ihm folgte im Gänsemarsch Mitchell Weiser, ebenfalls mit seinem Trikot zum Tauschen in der Hand. Selbst nach dem Schlusspfiff mussten die Spieler von Hertha BSC den Dortmundern noch hinterherlaufen.

Hertha traute sich erst zu spät etwas zu

Von rechts nach links und wieder zurück – so war es auch zuvor auf dem Feld gewesen. Borussia Dortmund hatte den Ball, die Berliner folgten dessen Weg im Kollektiv. Wenn man einem Mittelstufenschüler hätte erklären wollen, was man unter Parallelverschiebung versteht: Am Samstagabend hätte man perfektes Anschauungsmaterial vorgefunden. „Wir haben den Gegner dahin gelenkt, wo wir ihn haben wollten“, sagte Trainer Pal Dardai. Trotzdem wirkte Herthas Auftreten beim Tabellenführer der Fußball-Bundesliga eine knappe Stunde lang wenig ambitioniert. Aber das hatte Dardai billigend in Kauf genommen. Die Dortmunder sollten sich müde spielen und dann in der Schlussphase die entscheidenden Fehler machen. Teil zwei des Plans funktionierte nahezu perfekt; in der letzten halben Stunde wurde es ein wilderes Spiel, weil Hertha sich nach vorne mehr zutraute und die Dortmunder sich auf das offene Duell einließen. Allerdings führte der BVB zu diesem Zeitpunkt schon 2:0.

„Jeder, der sich mit Fußball auskennt, weiß: Gegen Bayern und Dortmund kann und darf man verlieren“, sagte Herthas Kapitän Vedad Ibisevic nach der 0:2-Niederlage. Seine Mannschaft hatte sich nach Kräften und im Rahmen ihrer Möglichkeiten gewehrt. Die Defensive ließ wenig zu; in der ersten Hälfte waren es nur zwei Chancen, von denen der BVB allerdings die zweite nach nicht einmal einer Viertelstunde zur Führung nutzte. Herthas Mittelfeldspieler Per Skjelbred empfand den Verlauf des Spiels daher als sehr unglücklich und stellte sogar die gewagte Behauptung auf: „Ein Sieg war heute drin –mit ein bisschen mehr Glück vielleicht.“

Ja, gegen Dortmund und Bayern braucht Hertha natürlich auch ein bisschen Glück, wenn mehr herausspringen soll als eine ehrenvolle Niederlage. In der Regel aber verlassen sich die Berliner nicht auf die Launen des Schicksals. Ihr zutiefst irdisches Spiel reicht meistens aus. Das Auftreten in Dortmund war ein weiterer Beleg für die Stabilität, die Herthas Mannschaft auszeichnet und mit der sie es vielen Gegnern schwer macht. Darauf kann sich das Team im Zweifel immer noch zurückfallen lassen. Gerade in dieser Saison, in der Hertha erst einmal in drei Wettbewerben vertreten ist, könnte das hilfreich sein. „Unser Programm wird heftig sein“, sagt Dardai.

Die spannendere Frage ist: Wie viel offensive Wucht wird Hertha entfalten können, wenn die defensive Stabilität mehr denn je erste Bürgerpflicht sein wird? Gegen Dortmund war es eindeutig zu wenig. „Wir müssen die Torgefahr verbessern“, sagte Trainer Dardai. „Die sogenannte offensive Aggressivität hat gefehlt.“ Weil seine Mannschaft so tief verteidigte, war der Weg zum Dortmunder Tor zu weit, vor allem für Vedad Ibisevic, 33, und Salomon Kalou, 32, die schließlich nicht mehr die Jüngsten sind. „Tatsache ist, wenn Vedad und Salomon Kalou keine Tore machen, ist es sehr schwierig für uns. Wer soll dann die Tore machen?“, fragte Dardai.

Gute Frage. Wichtige Frage. In der vergangenen Saison war Ibisevic bester Torschütze der Berliner und Kalou der zweitbeste; in der Saison davor war es genau umgekehrt. Von den 85 Toren, die Hertha in diesen beiden Spielzeiten erzielt hat, ging ziemlich genau die Hälfte (43) auf das Konto der beiden älteren Herren. In Dortmund aber kamen beide nicht mal annähernd in die Verlegenheit, ein Tor zu schießen. Ibisevic hatte die zweitwenigsten Ballkontakte (22) aller Startelfspieler, Kalou die wenigsten (17). In den beiden Spielen gegen Stuttgart und Dortmund schossen sie insgesamt einmal auf des Gegners Tor.

Es ist nicht so, dass Hertha von dieser Entwicklung komplett überrascht wird. Mit Davie Selke und Valentino Lazaro haben die Berliner in diesem Sommer zwei Spieler verpflichtet, die auf genau jenen Positionen spielen können, die bisher Ibisevic und Kalou besetzt haben, und die jeweils ein gutes Jahrzehnt jünger sind. Noch fehlen die beiden Zugänge, weil sie sich in der Vorbereitung verletzt haben. Lazaro aber will schon beim Heimspiel gegen Bremen in knapp zwei Wochen erstmals im Kader stehen; bei Davie Selke wird es noch etwas länger dauern. „Bei ihm können es auch noch sechs Wochen sein“, hat Dardai am Sonntag gesagt. Einen Grund zur Hektik sieht er trotz allem nicht. Auch in sechs Wochen wird Vedad Ibisevic immer noch 33 sein.

Stefan Hermanns

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