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Wenn es in Innsbruck nicht schneit, muss schon mal künstliches Weiß aus dem höher gelegenen Schmirntal angeliefert werden.
© dpa

Skispringen - Vierschanzentournee: Der Kampf um den Schnee

Am Samstag beginnt die Vierschanzentournee mit der Qualifikation zum ersten Springen. Wie die anderen Austragungsorte musste auch Oberstdorf in diesem Jahr wieder gegen den Schneemangel kämpfen.

In den vergangenen Tagen und Wochen hat Michael Maurer fast stündlich auf die Wettervorhersage auf seinem Handy geschaut. Die Werte für Temperatur und Niederschlag interessierten den Präsidenten des Skiclubs Partenkirchen ganz besonders, doch was er las, deprimierte ihn: Immer war es zu warm und zu trocken, um für das Neujahrsskispringen in Garmisch-Partenkirchen Kunstschnee in großen Mengen zu produzieren. „Es war wirklich nervenaufreibend“, sagte Maurer. Am Freitag aber entspannten sich seine Nerven, das Handy musste er gar nicht mehr bemühen, es genügte der Blick aus dem Fenster: Schnee, so weit das Auge reicht.

Der Wintereinbruch im Alpengebiet ist gerade noch rechtzeitig gekommen, um aus den Orten der Vierschanzentournee, die am Samstag in Oberstdorf mit der Qualifikation (16.30 Uhr, live in der ARD) beginnt, prachtvolle Winterbilder liefern zu können. Es wirkt so einfach und selbstverständlich, wenn der Schnee vom Himmel fällt, und täuscht doch darüber hinweg, welch kostbares Gut er in den Zeiten des Klimawandels geworden ist. In den vergangenen Wochen ist in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen sogar ein intensiver Kampf um das Wasser in seiner gefrorenen Ausprägung entbrannt. Noch am Heiligen Abend sagte Peter Kruijer, Präsident des Oberstdorfer Skiclubs: „Wir können keinen Schnee hergeben.“

Für sein Auftaktspringen in Oberstdorf zum Beispiel ist der Naturschnee zu spät eingetroffen. Der örtliche Skiclub hat viel Geld investieren müssen, um mithilfe eines finnischen Spezialisten in den vergangenen Wochen rund 3000 Kubikmeter Kunstschnee zu produzieren. „Die Firma ist zurzeit sehr gefragt, sie kann eine Produktion auch bei zehn Grad über Null gewährleisten“, sagt Skiclub-Präsident Peter Kruijer. Wie hoch die Mehrkosten sind, will er nicht sagen. „Es ist nicht billig“, sagt Kruijer, der allerdings auch eine nicht näher bezifferte Summe von den Ausfallversicherungen erhält. „Die sind sehr daran interessiert, dass die Veranstaltung stattfindet“, sagt Peter Kruijer.

Die Vierschanzentournee hat einen hohen Werbewert für die Austragungsorte

Genauso wie der Kurort Oberstdorf im Allgäu, für den das Auftaktspringen einen hohen werbewirksamen Wert besitzt. „Wenn der Eindruck entsteht, in Oberstdorf gibt es keinen Schnee, dann leidet der ganze Ort darunter“, sagt der Skiclub-Chef. Womöglich aus dem gleichen Grund will er nicht dem Klimawandel die Schuld dafür geben, dass in diesem Winter zumindest bis Freitag der Naturschnee in Oberstdorf ausgeblieben ist. „Es gab immer mal schlechte Winter“, sagt Peter Kruijer, „aber in 62 Jahren ist unser Springen noch nie ausgefallen.“

Anders sieht es Michael Maurer nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen. „Ich denke nicht, dass es in den nächsten Jahren besser wird mit den Veranstaltungen im Frühwinter“, sagt der Präsident des SC Partenkirchen, „man muss sich für die Zukunft Gedanken machen.“ Er hat zuletzt erfahren müssen, wie intensiv der Kampf um den Schnee geführt wird. So hatte Maurer im Gaistal in Tirol Schnee entdeckt, den ihm der dortige Bürgermeister auch überlassen wollte. „Ich wusste aber nicht, dass dort nicht der Bürgermeister das Sagen hat, sondern der Tourismus-Obmann der Region Seefeld“, berichtet Maurer, „und der hat sich nicht getraut, den Schnee rauszugeben, weil er ihn für eine Langlaufloipe braucht.“

Die Veranstalter müssen zum Teil Kunstschnee aus anderen Regionen ordern

Michael Maurer musste deshalb einen weiteren Notfallplan für das Neujahrsspringen entwickeln. Er wollte in den umliegenden Skigebieten Kunstschnee sammeln und sogar das abgekratzte Eis aus den Eishallen der Region mitnehmen. „Die Fuhrunternehmer waren alarmiert“, sagt Maurer. Doch der aktuelle Wintereinbruch macht diesen Notplan überflüssig. Gerade noch rechtzeitig.

Der Skiclub-Präsident will allerdings nicht noch einmal zittern, er hat Ideen, die er mit den Verantwortlichen diskutieren will. „Man könnte im Skigebiet eine andere Strategie verfolgen und nicht mit vielen Kanonen punktuell Schnee produzieren, sondern im Dezember an einem Ort auf Halde“, sagt Maurer. Das wäre eine Vorsichtsmaßnahme, um die örtlichen Veranstaltungen wie Neujahrsspringen, City-Biathlon und Hornschlittenrennen abzusichern. Auch schwebt ihm ein hochgelegenes Depot vor, in dem aufgrund der niedrigeren Temperaturen eher als im Tal Kunstschnee produziert werden kann. „Es wäre auch eine Kooperation mit Tirol sinnvoll“, sagt Maurer, „man könnte einfach deren Höhenlage nutzen.“

So wie es Innsbruck zuletzt gemacht hat: Die Veranstalter des dritten Springens der Vierschanzentournee holten ihren Kunstschnee aus dem hoch gelegenen Schmirntal. Bischofshofen, wo das vierte Springen stattfindet, wollte sich am Gletscher des Großglockners bedienen. Auch das hat sich seit Freitag vorerst erledigt. Bis zum nächsten Jahr.

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