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So sieht die Zukunft aus: Wegen eines Schneemangels ist der Wintersport langfristig gefährdet.
© imago sportfotodienst

Wintersport: Grüner wird’s noch: Europa leidet unter Schneemangel

Schwere Zeiten für den Wintersport: Die Hälfte aller europäischen Skigebiete wird mittelfristig unter Schneemangel leiden. Um die Weltcups zu retten, wird deshalb immer mehr Kunstschnee eingesetzt – auf Dauer macht er aber alles nur noch schlimmer.

Auch Justyna Kowalczyk ist in dieser Wintersaison schon ein Opfer des warmen Wetters geworden. Weil vor dem Jahreswechsel in Oberhof das Verfolgungsrennen der Langläufer wegen Schneemangels abgesagt werden musste und die Veranstalter stattdessen auf dem spärlichen Restschnee ein weiteres Freistil-Sprintrennen ins Programm rückten, verlor die Polin plötzlich die Lust an der prestigeträchtigen Tour de Ski. „Das ist überhaupt nicht ausgewogen und fair”, schimpfte Justyina Kowalczyk. Als Spezialistin für den Klassischen Stil fühlte sie sich vom neuen Programm benachteiligt – und sagte als Titelverteidigerin ihren Start ab. Offiziell aus gesundheitlichen Gründen.

Das warme Wetter in Mitteleuropa in diesen Tagen und Wochen kann auch Spitzensportlern schon einmal auf den Magen schlagen. Die Antworten des Spitzensports auf die Schwierigkeiten sind unterschiedlich: Es gibt Modifizierungen wie in Oberhof oder bei der Vierschanzentournee in Innsbruck, als der zweite Durchgang wegen böiger Föhnwinde abgesagt werden musste. Oder Rennabsagen, wie es die alpinen Slalomspezialisten in München und Zagreb erlebt haben. Alle anderen Weltcuporte aber sind auch für wärmeres Wetter präpariert. „Wir haben Gott sei Dank keine Schwierigkeiten“, sagt Markus Stuckmann, Tourismusdirektor aus Ruhpolding, wo gegenwärtig der Biathlon-Weltcup stattfindet. „Die Schneedepots sind mit unserem übersommerten Schnee und spätestens seit der Kälteperiode im Dezember gefüllt.“ Mit Kunstschneekanonen erzeugt Ruhpolding im Winter 13 000 Kubikmeter Schnee und lagert ihn dann im Sommer in riesigen Kühlhallen ein. „Den Schnee können wir dann Anfang der Saison schon für Trainingszwecke und für den Weltcup einsetzen, das hat uns in diesem Jahr sehr geholfen“, sagt Stuckmann.

Dank Schneekanonen und zahlreicher weiterer technischer Hilfsmittel funktioniert Spitzensport im Winter zum Teil schon ganz ohne Winter. Die Biathlonwettbewerbe auf Schalke sind der beste Beweis dafür. Das Skispringen ist dank Keramikanlaufspuren und grüner Aufsprungmatten sogar zu einer Ganzjahressportart geworden. Und selbst der Skisprung-Weltcup in Willingen könnte trotz des warmen Wetters nicht gefährdet sein, wie das Beispiel aus der vergangenen Saison beweist. Da holten sich die Sauerländer den Schnee einfach aus der Skihalle in Neuss.

Für Markus Stuckmann sind jedoch Veranstaltungen wie in der Schalker Arena die Ausnahme. „Das ist eine nette Option für Medien und Zuschauer, um den Sport näher an die Zuschauer zu bringen, aber grundsätzlich ist Wintersport eine Outdooraktivität“, sagt der Ruhpoldinger Tourismusdirektor. Hilfsmittel wie Schneekanonen, Keramikspuren oder Windnetze dienen den Weltcupveranstaltern zur Sicherung ihrer Veranstaltung. Eine Absage verursacht neben einem Imageschaden für die Wintersportregion auch einen großen finanziellen Schaden. Zumal die Budgets der Veranstaltungen immer größer werden, dank gestiegener Einnahmen durch das Fernsehen. „Die heutigen Budgets kann man nicht mehr vergleichen mit einem Budget von vor acht Jahren“, sagt Stuckmann , „nicht nur die Verbände profitieren davon, sondern auch die Austragungsorte.“ Doch auch die Ausgaben zum Beispiel für die Sicherheitsmaßnahmen am Rande der Strecke steigen, weshalb die Weltcup-Veranstaltung zumeist gegen Ausfall versichert ist. Bei der Absage des Bergiselspringens in Innsbruck 2008 wegen widriger Winde musste die Versicherung rund eine Million Euro bezahlen.

Und die Aufrüstung mit Schneekanonen vor allem für den Breitensport dürfte aufgrund des Klimawandels in den nächsten Jahren noch zunehmen. Der Deutsche Alpenverein hat in einer Studie für die Bayerischen Alpen ermittelt, dass in rund 20 Jahren nur noch 50 bis 70 Prozent der Skigebiete schneesicher sein werden. Die Skigebiete müssten zur Wahrung der Schneesicherheit langfristig doppelt bis dreifach so viel Schnee wie zurzeit produzieren, um Schneesicherheit zu gewährleisten. Mit Folgen für die Umwelt.

Diese sind gravierend, sagt die Naturschutzorganisation WWF. „Heute werden großflächig ganze Skigebiete beschneit“, sagt WWF-Referent Georg Rast, „die Anlagen benötigen um die 100 Liter Wasser, um einen Quadratmeter Piste zu beschneien.“ Schon bei der Beschneiung verdunstet ein Drittel des Wassers. Hinzu komme ein hoher Energieverbrauch solcher Kanonen. Eine größere Anlage von Schneekanonen verbrauche rund 500 000 Kilowattstunden Strom pro Saison. Zum Vergleich: Ein durchschnittlicher Haushalt verbraucht 3359 Kilowattstunden pro Jahr.

Auch müssen die Pisten für den Kunstschnee präpariert werden. Ein komplexes technische System aus Rohren und Stromleitungen muss verlegt und instandgehalten werden. Schon im Sommer werden außerdem die Bäume gerodet und Steine und Felsen entfernt, um den Boden zu glätten. Das gefährdet den Lebensraum der Tiere und vergrößert die Lawinengefahr im Winter. Zudem seien die Speicherteiche Wasserbehälter aus Beton und eben keine Bergseen mit vielfältiger Pflanzenwelt, sagt etwa Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverein. Dennoch sei der Alpenverein kein genereller Gegner von Beschneiungsanlagen. „Man sollte aber genau hinschauen, wo es sich lohnt und man tatsächlich die nachhaltige Entwicklung einer Region befördert.“

Langfristig, das heißt in 25 bis 65 Jahren, werde das alles laut Deutschem Alpenverein auch nicht mehr helfen. In Bayern, so heißt es in der Studie, werden aufgrund des Klimawandels trotz künstlicher Beschneiung nur noch die Zugspitze in Garmisch-Partenkirchen sowie das Fell- und Nebelhorn in Oberstdorf als schneesicher gelten.

Dort, in Oberstdorf, arbeitet Stefan Huber. Der Geschäftsführer der Oberstdorfer Veranstaltungs GmbH hat in den letzten Jahren rund 30 Weltcupveranstaltungen in Oberstdorf und Umgebung ausgerichtet. Auch er bekommt den Klimawandel zu spüren. „Aber nicht bei der Menge des Schnees, die ist gleich geblieben“, sagt Stefan Huber. Sondern eher im Zeitpunkt. „Der Schnee kommt später und bleibt länger.“ Schneeprobleme aber sind ihm fremd gewesen, er musste noch keine Lastwagen ins hoch gelegene Rohrmoos schicken, um dort Schnee abzutransportieren. So wie das bei früheren Veranstaltungen mal der Fall gewesen ist. Nur einmal, so erinnert er sich plötzlich, musste er doch eine Veranstaltung wegen Problemen mit dem Schnee absagen. Es war der Skicross-Weltcup in Grasgehren. „Es hatte die ganze Nacht geschneit“, stöhnt Stefan Huber, „es war einfach viel zu viel Schnee auf der Strecke.“

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