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Warten auf den ganz großen Ball: Bei Hertha BSC soll das spielerische Element mehr in den Vordergrund rücken.
© dpa

Hertha BSC: Der Feinschliff beginnt

Nachdem die konditionellen Grundlagen gelegt wurden, zeichnet sich in Schladming nun ab, wie Pal Dardai Hertha BSC in der kommenden Saison spielen lassen will.

Bisweilen gestaltet sich die Suche nach sinnbildlichen Szenen einfacher als gedacht. Zu Wochenbeginn etwa, über Schladming hatte sich soeben der wolkenverhangene Himmel geöffnet, betrat Rainer Widmayer als Erster aus dem Tross von Hertha BSC das Trainingsgelände in der Steiermark, auf dem sich der Fußball-Bundesligist seit Sonntag vorbereitet. Der Co-Trainer war gerade dabei, mit kräftigen Fußtritten ein paar Metallmännchen im Platz zu verankern, als sein Vorgesetzter intervenierte. Ein kleines Stückchen weiter links sollten die Statistenfiguren schon stehen, deutete Dardai mit einem Handzeichen, „ein paar Zentimeter nur, damit die Abstände stimmen“. Als Widmayer schließlich umpositioniert hatte, nickte Dardai zustimmend. „Kann losgehen.“

Details, genau darum geht es für Hertha BSC im zweiten Trainingslager der Vorbereitungphase. Beim ersten in Bad Saarow hat Coach Dardai von seinen Spielern noch sämtliche Plätze, Laufbahnen und Hindernisparcours in Länge und Breite vermessen lassen, in Österreich soll jetzt der fußballerische Feinschliff erfolgen. In den ersten beiden Einheiten wollte Dardai zwar noch nicht im mannschaftstaktischen Bereich wirken, im Mittelpunkt standen Passübungen mit maximal einem Ballkontakt und zum ersten Mal seit drei Wochen auch mehr oder weniger gezieltes Torschusstraining. Seit Montagabend sind die Übungen aber wesentlich anspruchsvoller geworden, die Anzahl der Metallmännchen auf dem Platz hat enorm zugenommen. „Es sieht vielleicht ziemlich chaotisch aus, aber es ist organisiertes Chaos“, sagt Co-Trainer Widmayer mit einem Lächeln, „wichtig ist, dass wir wissen, was wir machen.“ Höhepunkt der bisherigen Trainingsformen war am Dienstagmorgen eine Übung, die zahlreiche Offensiv-Elemente beinhaltete: Spieleröffnung, Verlagerung auf die Flügel, Flankenbälle und natürlich Torabschluss.

Pal Dardai will mehr Ballkontrolle

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Hertha im Allgemeinen und Dardai im Speziellen wegkommen möchten von dem primär auf Sicherheit bedachten 4-2-3-1-System der Rückrunde – selbst wenn es dank Klassenerhalt zielführend war. „Wir hatten keine Zeit für taktische Dinge. Das Wichtigste war: defensiv gut stehen“, hat Per Skjelbred kürzlich über die Rückrunde gesagt. Dardai hat bereits angekündigt, die Mannschaft in ihrer Grundausrichtung ein Stück weiter nach vorn schieben zu wollen als zuletzt. „Wir brauchen mehr Tempo, mehr Präzision, mehr Flanken“, sagt der Trainer. Und vor allem will er mehr Ballkontrolle.

Hertha will also aktiver am Spiel teilnehmen, um mehr Torchancen zu kreieren. Die Sommerverpflichtungen Mitchell Weiser und Vladimir Darida spielen dabei eine zentrale Rolle in den Planungen des Trainers. Weiser soll aus dem rechten Mittelfeld mehr Flanken bringen, der vielseitige, ballsichere und laufstarke Darida soll das zentrale Mittelfeld kontrollieren. Wie das von der taktischen Zahlenkombination aussehen wird – ob 4-1-4-1 oder etwa 4-3-3 – lässt sich im Moment jedoch nur erahnen, weil Dardai in den bisherigen Testspielen viel gewechselt und durchprobiert hat. Beim 2:2 am Dienstagabend gegen den österreichischen Erstligisten SV Grödig schickte er zum ersten Mal in der Vorbereitung eine Formation aufs Feld, die zur Pause nicht komplett ausgewechselt wurde. Die Tore für den Bundesligisten erzielten Ronny und Salomon Kalou. „Was wir geübt haben, habe ich heute wiedergesehen“, freute sich Dardai.

Ein komplett neues System meinte der Hertha-Coach damit aber nicht. Der Kern des Kaders hat sich ja kaum verändert, zudem sind ein paar Personalien weiterhin offen. Wie geht es zum Beispiel mit Änis Ben-Hatira weiter, von dem es fast täglich neue Krankmeldungen gibt? Wann ist der nach zwei Kreuzbandrissen wiedergenesene Alexander Baumjohann unter Wettkampfbedingungen einsatzbereit? Und stoßen womöglich noch neue Spieler zum Kader? Ein Innenverteidiger und ein Spieler zur Verstärkung der Offensive sind seit Wochen im Gespräch, wenngleich noch keine Namen durchgesickert sind.

Der Konkurrenzkampf bei Hertha BSC nimmt zu

Außerdem ist eine Frage noch immer nicht beantwortet, die durchaus Aufschluss über das neue System und die Rollenverteilung geben könnte: Wer führt das Team eigentlich als Kapitän in die neue Saison? „Das klären wir in Berlin, wenn alle Spieler zurück und anwesend sind“, sagt Dardai, „aber es spricht nichts dagegen, dass es Fabian Lustenberger bleibt.“ Dass sich Dardai trotzdem nicht einfach auf den Amtsinhaber und dienstältesten Spieler im Hertha-Kader festgelegt hat, zeigt: Intern gibt es sehr wohl eine Debatte darüber, wer dieses Amt künftig bekleiden wird. Womöglich will Dardai damit auch nur zum Ausdruck bringen, dass sich niemand im Kader zu sicher fühlen sollte. „Dieses Jahr geht es um Konkurrenzkampf, jede Position ist doppelt besetzt“, sagt der Ungar, „wer besser drauf ist, der spielt auch von Anfang an, das werden alle sehen.“

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