Hertha BSC: Mit starken Flügeln in die neue Saison
Bisher hat Hertha BSC erst einen Neuzugang präsentieren können. Doch Mitchell Weiser soll nicht der letzte neue Flügelspieler sein.
Anfang Mai, im Ausgang der vergangenen Saison, war im Olympiastadion schon der Fußball zu sehen, der Pal Dardai für die neue Saison vorschwebt. Als das Spiel auf die Zielgerade ging und die Verteidiger langsam müde wurden, wechselte der Trainer einen schnellen Spieler für die Außenbahn ein. Zehn Minuten später entledigte sich der frische Mann, der dem Nachwuchs von Hertha BSC entstammt, mit einer kurzen Tempoverschärfung seines Gegenspielers, er zog von der rechten Seite in die Mitte und erzielte mit seinem linken Fuß den 2:1-Siegtreffer. Dummerweise spielt der Torschütze Ibrahima Traoré inzwischen für Borussia Mönchengladbach.
Pal Dardai, der Trainer von Hertha BSC, würde von seiner Mannschaft in Zukunft gerne Ähnliches sehen. Doch in jenem Spiel gegen die Gladbacher musste er sich der Realität beugen. Anstatt in der entscheidenden Phase noch einmal von außen Dynamik in seine Mannschaft zu bringen, wechselte Dardai erst Peter Niemeyer ein, dann den gerade erst genesenen Änis Ben-Hatira und zuletzt Ronny. Das soll in Zukunft anders sein. Es ist jedenfalls kein Zufall, dass Herthas bisher einziger Zugang Mitchell Weiser auf der rechten Außenbahn zu Hause ist und dass auch für den linken Flügel noch ein Neuer kommen soll. Der Ungar Balazs Dzsudzsak ist im Gespräch – obwohl Hertha mit Ben-Hatira, Weiser, Genki Haraguchi, Roy Beerens, Nico Schulz und Valentin Stocker auf den Flügeln zumindest quantitativ ordentlich versorgt ist.
Hertha-Trainer Dardai hofft auf mehr Ballbesitz mit schnellen Außenspielern
Mit schnellen Außenspielern, die in Eins-gegen-eins-Situationen gehen können, „hat man ein ganz anderes Bedrohungspotenzial“, sagt Dardai. „Du kannst besser umschalten, der Gegner hat Angst, hält mehr Abstand, und du hast automatisch mehr Ballbesitz.“ Dass Weiser, der ablösefrei vom FC Bayern München gekommen ist, diese Rolle erfüllen kann, hat er zumindest schon punktuell gezeigt – Ende April, im Spiel gegen Hertha BSC, als er an der rechten Seitenlinie vier Berliner hinter sich ließ und mit einem präzisen Pass in die Mitte den Siegtreffer von Bastian Schweinsteiger vorbereitete.
Weiser hat sowohl defensiv als auch offensiv gespielt, er wird sich natürlich hüten, als Neuer eine Präferenz zu äußern, aber die Rolle weiter vorne liegt ihm mehr. „Da kann ich kreativ sein, mich mehr trauen“, sagt er. Im Lauftrainingslager in Bad Saarow aber fällt es ihm schwer, sich in dieser Hinsicht hervorzutun. Neben der Arbeit an der körperlichen Fitness üben die Berliner vor allem technische Dinge auf engem Raum. „Momentan ist es nicht so einfach für ihn“, sagt Dardai. „Aber er macht es sehr vernünftig.“
Mitchell Weiser: Talent oder ehemaliger Bayern-Spieler?
Obwohl Weiser seine Fähigkeiten noch nicht hat zeigen können, ist er – auch mangels Konkurrenz – bei Hertha die Attraktion in dieser frühen Phase der Vorbereitung. Er ist immer noch der einzige Neue im Kader des Berliner Bundesligisten, schon deshalb konzentriert sich die Aufmerksamkeit des Anhangs fast zwangsläufig auf ihn. Hinzu kommt, dass er vor allem als ehemaliger Bayern-Spieler wahrgenommen wird und nicht als 21 Jahre altes Talent, das gerade mal 17 Bundesligaspiele bestritten hat.
Erst in der Rückrunde der vergangenen Saison ist Weiser bei den Bayern regelmäßig zum Zuge gekommen. Die Option, seinen auslaufenden Vertrag noch einmal zu verlängern, stand zumindest im Raum. Das aber sei „nicht sehr konkret“ gewesen, gibt Weiser zu. Man habe ihm eher zu verstehen gegeben, „dass es für mich besser wäre, regelmäßig zu spielen“. Deshalb ist er zu Hertha gewechselt und hat dort einen Dreijahresvertrag unterschrieben. Er will Stammspieler in der Fußball-Bundesliga werden, sich sozusagen auf dem zweiten Bildungsweg noch einmal für höhere Aufgaben empfehlen.
Als 18-Jähriger und mit gerade einer Viertelstunde Bundesligaerfahrung ist Weiser 2012 vom 1. FC Köln zu den Bayern gewechselt. Auch wenn er sich dort nicht dauerhaft durchsetzen konnte, würde er alles wieder so machen: „Allein das Training mit lauter Weltklassespielern bringt einen weiter.“ Natürlich sei er geknickt, dass er sich dort nicht habe durchsetzen können, aber „man weiß nie, ob man sich noch mal wiedersieht“, sagt er. „Bayern ist für mich ein Ziel.“ Vielleicht bekommt er ja irgendwann eine zweite Chance – dann als gestandener Bundesligaspieler.