Probleme bei der Kaderplanung: Die Resterampe von Hertha BSC
Wer muss gehen? Vier Wochen vor dem Saisonstart haben die Berliner noch 30 Spieler im Kader.
Zum Ende hin wird es auf einmal übersichtlich. Die Gruppen lösen sich auf. Gelbe, rote und grüne Leibchen werden eingesammelt, das Wort hat Pal Dardai. „Jetzt noch ein paar Sprints, dann ist Schluss“, sagt der Trainer von Hertha BSC – und die Profis des Fußball-Bundesligisten reihen sich an der Grundlinie neben dem Tor auf. Wer das beinahe zweistündige Training am Dienstagvormittag bis hierhin verfolgt hat, dem bietet sich jetzt, da sich das Gewusel aus Spielformen, Laufwegen und Betreuern in der Auflösung befindet, ein erstaunlich klarer Blick auf den Kader der Berliner. Daran ändert auch der anhaltende Nieselregen auf dem Schenckendorffplatz nichts.
Inklusive der fünf Torhüter liegt die Trainingsbeteiligung in der ersten Einheit der Woche bei 27 Spielern. Dabei weilt Nico Schulz nach seinen Einsätzen bei der U-21-Europameisterschaft noch im verlängerten Sommerurlaub, John Anthony Brooks ist mit der US-amerikanischen Nationalmannschaft beim Gold Cup unterwegs und Julian Schieber arbeitet nach einer Knie-Operation in der Reha an seinem Comeback. Somit stehen in Herthas Kader derzeit 30 Spieler – knapp vier Wochen vor dem Pflichtspielstart im DFB-Pokal gegen Arminia Bielefeld (10. August) ist das freilich kein zufriedenstellender Wert für Coach Dardai.
Hertha BSC geht mit aufgeblähtem Kader ins zweite Trainingslager
Zu Beginn des Lauftrainingslagers in Bad Saarow hatte der Ungar noch verhalten optimistisch den Wunsch geäußert, die Kaderplanungen mögen bis zum zweiten Trainingslager größtenteils abgeschlossen sein. So weit jedenfalls zur Theorie. Knapp zwei Wochen später hat sich rein faktisch jedoch nicht viel getan bei Hertha, beziehungsweise: gar nichts. Zwar halten sich – wie in dieser Phase der Saison üblich – weiterhin ein paar Transfergerüchte, unter anderem soll ein türkischer Erstligist Interesse an Ronny bekundet haben. Unabhängig davon deutet allerdings alles darauf hin, dass Hertha die Reise in das zweite Trainingslager mit einem äußerst aufgeblähten Kader antreten wird. Am Sonntag fliegt die Mannschaft nach Salzburg und fährt von dort mit dem Bus weiter nach Schladming, wo Dardai innerhalb einer Woche die fußballerischen Grundlagen für die bevorstehende Spielzeit zu legen gedenkt.
„Ich erwarte von jedem, dass er Vollgas gibt“, sagt der Trainer, „und bisher habe ich nicht dass Gefühl, dass sich jemand hängen lässt.“ Dardai lobt sogar ausdrücklich den Arbeitsethos jener Spieler, von denen sich der Verein dem Vernehmen nach trennen will: also Sandro Wagner, Peter Niemeyer, Johannes van den Bergh, die Torhüter Rune Jarstein und Sascha Burchert und eben Ronny. Zuletzt hat der Trainer aber auch immer wieder betont, dass sich besagte Akteure schlichtweg gedulden müssten.
Manager Preetz sucht vor allem einen starken Mittelfeldspieler
Dardai verfolgt im Grunde die einzig zielführende personelle Taktik. Zumindest im Training lässt er sich nicht anmerken, wer in seinen Planungen noch eine Rolle spielt und wer eher weniger. Am Dienstag etwa teilte er Ronny, Niemeyer und Wagner zwar allesamt in eine der beiden Trainingsgruppen ein, das hatte aber vor allem mit den Übungsformen zu tun: auf der einen Seite versuchten sich die Offensivkräfte im Torabschluss, auf der anderen gab Dardai Nachhilfeunterricht in der Spieleröffnung. „Damit war ich in den Testspielen gar nicht einverstanden“, sagt der Trainer. Ein spielstarker Mann für das Mittelfeld, nach dem der Manager Michael Preetz angeblich ebenso Ausschau hält wie nach einer Verstärkung für die Offensive, würde Hertha nicht nur aufgrund der Eindrücke aus der vergangenen Saison helfen.
So muss sich Dardai vorläufig mit den vorhandenen Spielern begnügen. Wie konkurrenzfähig dieser Kader unter Wettkampfbedingungen ist, könnte sich zum ersten Mal am Mittwochabend zeigen. Nach vier Tests gegen unterklassige Gegner treffen die Berliner in Neuruppin auf den ersten wirklich ernst zu nehmenden Gegner der Vorbereitungsphase. Die Begegnung gegen den spanischen Erstligisten wird um 19 Uhr angepfiffen.
Dardai wird es dann aller Voraussicht nach so halten, wie es Trainer zum Saisonstart halten: Er wird seine Mannschaft zur Halbzeit auf allen Positionen verändern. Auch Alexander Baumjohann soll nach zwei Kreuzband-Operationen innerhalb eines Jahres wieder 45 Minuten Spielpraxis bekommen. Für den Rekonvaleszenten Tolga Cigerci kommt der Belastungstest dagegen noch zu früh. „Wir gehen kein Risiko“, sagt Dardai. Alternativen hat er ja genug.
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