Champions League: Der FC Bayern München sieht sich nicht als Favorit
Der FC Bayern München lenkt den Fokus weg von der Champions League und hin zum Gewinn des vierten Bundesliga-Titels in Folge.
Der Spielertrakt gehört gewöhnlich zu den am besten gesicherten Teilen eines Profi-Fußballklubs, er ist sozusagen das Fort Knox des Vereinsgeländes. Was im Innersten passiert, ist tabu für die Öffentlichkeit. Aber manchmal dringt trotzdem nach draußen, was drinnen vor sich geht. Beim FC Bayern München zum Beispiel hängt in dieser Saison im Spielertrakt eine große „4“, das verriet vor kurzem Sebastian Rode. Der Mittelfeldspieler dürfte damit aber nicht gegen die Stillhalteregel verstoßen haben, denn die Zahl ist in aller Munde bei den Münchnern. Der vierte deutsche Meistertitel ist das große Ziel, so wird es jedenfalls kommuniziert. Davon rücken sie auch nicht in dieser Woche ab, vor dem Start in die Gruppenphase der Champions League bei Olympiakos Piräus am Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF/live im Ticker bei Tagesspiegel.de). Offiziell zumindest nicht.
Die europäische Krone ist noch immer der Bayern liebster Titel, aber ihn zu bekommen, ist eben viel schwieriger als die beiden nationalen Trophäen. Favoriten seien andere, sagte Thiago Alcantara vor der Abreise am Dienstag nach Griechenland. „Barcelona ist der Champion“, sagte der Spanier, der selbst bei Barça ausgebildet wurde. „Sie gilt es zu schlagen.“ Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge sieht schon in Piräus einen Gegner, der zum Stolperstein werden könne. Im vergangenen Jahr gewannen die Griechen alle drei Heimspiele in der Gruppenphase. „Es gab ein paar große Mannschaften wie Dortmund oder Manchester United, die haben in Piräus ihr blaues Wunder erlebt. Das gilt es zu verhindern“, sagt Rummenigge.
Warum der FC Bayern München den Fokus von der Champions League weglenken will
Die Bayern sind vorsichtig geworden, versuchen den Fokus etwas weg von der Champions League zu lenken und hin zur Bundesliga. Zum einen, um den Druck von Pep Guardiola zu nehmen, der vermutlich nur noch eine Chance hat, auch mit den Münchnern die Champions League zu gewinnen. Zum anderen haben die letzten beiden Jahre gezeigt, wie schnell der Traum beendet sein kann. Jeweils im Halbfinale waren die Bayern gescheitert. In der vergangenen Saison haben die Münchner ihre Chancenlosigkeit an der riesigen Verletzungsserie festgemacht, vor allem am Fehlen der beiden Individualisten Franck Ribéry und Arjen Robben. Auf die Ausfälle der beiden Stars hat der Klub mit kleinen, aber feinen und zukunftsweisenden Korrekturen im Kader reagiert.
Douglas Costa muss seinen Wert nun in der Champions League nachweisen
Douglas Costa hat seine Klasse in der Bundesliga bereits gezeigt, wie ein tropischer Wirbelwind, eine Naturgewalt kommt er für die Außenverteidiger daher, egal, ob über links oder rechts. Zwar ist der 24 Jahre alte Brasilianer bereits erprobt in der Champions League, aber die Taktik seines früheren Vereins Donezk hat sich deutlich unterschieden vom Bayern-Selbstverständnis, auch in Europa dominant und offensiv aufzutreten. Die Partie in Piräus könnte ein erstes Indiz liefern, ob er auch in der Champions League die gehobenen Ansprüche seines neuen Arbeitgebers erfüllen kann.
Anders ist es bei Kingsley Coman, die 21 Jahre alte Leihgabe von Juventus Turin. Er soll einmal Robben ersetzen und hat zwei Jahre Zeit, in die Rolle des Niederländers hineinzuwachsen. Der Franzose hat sich mit einem forschen Auftreten bei seiner Präsentation in der vergangenen Woche aber schon jetzt unter Druck gesetzt. Er sei ein Spieler, der den Unterschied ausmache, hatte er verkündet, sich bei seinem halbstündigen Einsatz gegen Augsburg aber nicht groß in Szene setzen können. Dass diesen selbstbewussten Worten noch nicht auf Anhieb Taten folgten, war Guardiola klar. „Das ist ein junger Spieler, der Zeit braucht, um zu verstehen, wie wir hier spielen“, sagte der Trainer.
Der dritte Neue, Arturo Vidal, hat sich im Mittelfeld gut eingefügt, ohne aber herauszustechen. Das Spiel prägen andere, Thiago zum Beispiel oder Thomas Müller. Aber die Zeit des Chilenen kommt vermutlich noch. Wenn die Bayern auf einen spielerisch ebenbürtigen Gegner treffen, können Vidals Aggressivität, sein Biss und sein Siegeswille im Zentrum ausschlaggebend sein. Später in der Saison, und ganz gewiss in der Champions League.
Elisabeth Schlammerl