Champions League: Als Jose Mourinho noch Außenseiter war
Der Champions-League-Sieger kommt seit dem Bosman-Urteil stets aus den großen Ligen Europas. 2004 schaffte es jedoch der FC Porto - und der Stern des Jose Mourinho ging auf. Ein Rückblick
Zeit, dass es wieder losgeht. Seit einem Vierteljahr, seit dem großen Finale von Berlin, freut sich die halbe Welt auf den Start der Champions League (und die andere Hälfte nur deshalb nicht, weil sie sich nicht für Fußball interessiert). Da in 23 Jahren noch keine Mannschaft eine erfolgreiche Titelverteidigung hingelegt hat, ist es auch ein bisschen spannend, aber eben nur ein bisschen. Denn natürlich rekrutiert sich der Sieger immer aus den üblichen Verdächtigen, sie spielen in Italien, England, Spanien oder Deutschland, und wer zweifelt schon daran, dass einer von diesen auch im kommenden Mai im Meazza-Stadion von Mailand triumphieren wird.
Es gibt da nur zwei Ausnahmen. Die erste datiert aus der Inaugurationssaison 1992/93, als am Ende Rudi Völler und Olympique Marseille im Münchner Olympiastadion den AC Milan besiegten. Das aber war noch vor dem Bosman-Urteil und dem ungezügelten internationalen Fußball-Kapitalismus. Sehr viel bemerkenswerter ist, was sich im Sommer 2004 in der Arena auf Schalke abspielte. Zum Finale traten dort der FC Porto und AS Monaco an – zwei eher unscheinbare Mannschaften aus eher unscheinbaren Ligen. Am Ende stand Portos ungefährdeter 3:0-Sieg, es war der Beginn einer aufsehenerregenden Karriere. Das betrifft allerdings weniger den FC Porto und auch nicht so sehr seine damaligen Spieler.
Als Mourinho die Champions-League-Bühne betrat
Auf Schalke betrat zum ersten Mal José Mourinho die ganz große Bühne. Einer, der die Champions League bis heute prägt. Mehr mit seiner Aura denn mit seiner Vorstellung vom Fußball, die reduzierte sich schon 2004 auf wenig spektakuläre Verteidigungskunst. Porto war ein Überraschungssieger, aber keiner, dem die Herzen zuflogen. Der Erfolg war das Ergebnis sturer taktischer Disziplin, basierend auf Mourinhos Ordnungsliebe und einem gnadenlos effizienten Defensivverbund, den der portugiesische Maestro als „meine Diamantenformation“ pries.
Ein seltsames Fußballjahr war das. Eines, in dem die europäischen Granden früh und reihenweise ins Trudeln kamen. Der FC Barcelona hatte sich gerade mal so für den Uefa-Cup qualifiziert (wo schon im Achtelfinale gegen Celtic Glasgow Endstation war). Die Vorjahresfinalisten Juventus Turin und AC Milan scheiterten in Achtel- und Viertelfinale an Deportivo La Coruña, der FC Bayern schied gegen Real Madrid aus und Real Madrid gegen Monaco. Das Halbfinale der Außenseiter aus La Coruña, Monaco und Porto komplettierte der FC Chelsea, der zu diesem Zeitpunkt auch noch kein europäisches Schwergewicht war. Roman Abramowitsch hatte gerade erst die Macht an der Stamford Bridge übernommen, mit den bekannten Folgen für die künftigen Kräfteverhältnisse in England und darüber hinaus.
Die große Inszenierung des José Mourinho
Das Finale von Schalke geriet zur großen Inszenierung des José Mourinho, der nach dem leichten Sieg immer wieder betonte, er wolle nicht über seine Zukunft reden – und doch nichts anderes tat. In zweieinhalb Jahren hatte er mit Porto im Vorjahr den Uefa-Cup, zweimal die Meisterschaft, einmal den Pokal und jetzt auch die Champions League gewonnen. Sein Wechsel zum neureichen FC Chelsea war längst ein offenes Geheimnis, aber Mourinho kokettierte noch ein wenig und gab den Vollzug erst nach der Rückkehr nach Portugal bekannt.
Seit 2004 stellen wieder ausschließlich die üblichen Verdächtigen aus Barcelona, Chelsea, Manchester, Mailand, München, Liverpool und Madrid den Champions-League-Sieger. Der FC Porto darf immer noch regelmäßig mitspielen, stand aber nie wieder im Verdacht einer Sensation. Im Jahr der Titelverteidigung führte das Los die Portugiesen und Mourinhos FC Chelsea zusammen. Chelsea gewann das erste Spiel und Porto das zweite, aber ins Finale von Istanbul schafften es Milan und der FC Liverpool.
Zehn Jahre später dreht Mourinho nun seine zweite Runde in Chelsea, und wieder hat er es in der Vorrunde mit der alten Liebe aus Porto zu tun. Zum Auftakt in der Gruppe G treten die Portugiesen am Mittwoch bei Dynamo Kiew an, die Engländer empfangen Maccabi Tel Aviv. In zwei Wochen gastiert Chelsea im Estadio Dragao, und natürlich ist das große Thema das Wiedersehen mit Mourinho. Es geht dabei allerdings weniger um den FC Porto im Allgemeinen als um dessen bekanntesten Spieler im Besonderen: den Torhüter Iker Casillas, vormals der Klub-Heilige von Real Madrid, wo er drei Jahre lang als Lieblingsfeind des dort gescheiterten José Mourinho galt. Die Zeit ist vorangeschritten und schreibt andere Geschichten.