Der 1. FC Union auf einem Europapokalplatz: Der Erfolg ist überraschend, aber nicht zufällig
Urs Fischer hat den 1. FC Union mit viel Pragmatismus und Flexibilität weiterentwickelt. Die Berliner scheinen in dieser Saison stets den richtigen Plan zu haben.
Für plakative Antworten ist Urs Fischer nicht zu haben. Der Trainer des 1. FC Union wägt gerne ab, relativiert, ordnet ein. Die gesamte Bundesliga fragt sich schon seit Monaten, was macht die Berliner so stark? Platz fünf nach 14 Spieltagen, deutlich näher an der Tabellenspitze als an der Abstiegszone. Eine einfache Erklärung für diesen Erfolg hat auch Fischer nicht – oder zumindest will er ihn nicht öffentlich herausposaunen. „Du kannst als Einzelner nur Schritte machen, wenn es im Gesamten gut läuft. Und damit es im Gesamten gut läuft, müssen Einzelne Schritte machen“, sagt der Trainer philosophisch. Alles hängt mit allem zusammen.
Damit sich Spieler wie Marvin Friedrich, Christopher Lenz, Robert Andrich oder Sheraldo Becker so positiv entwickeln können, brauchen sie ein funktionierendes Umfeld. Und damit die Mannschaft auf diesem hohen Niveau in der Bundesliga funktioniert, müssen die Spieler individuelle Fortschritte machen. Der Fischerschen Logik kann man nicht widersprechen – und doch ist in den zweieinhalb Jahren seines Wirkens in Köpenick deutlich zu erkennen, dass der Schweizer ein Meister darin ist, die richtigen Rahmenbedingungen für sein Team zu schaffen.
Obwohl nur acht Spieler aus dem aktuellen Kader schon bei Fischers Amtsantritt im Juli 2018 an der Alten Försterei aktiv waren, wirkt Unions Mannschaft, als würde sie schon seit Ewigkeiten zusammenspielen. Der souveräne 2:0-Sieg in Bremen am Samstag geriet praktisch über 90 Minuten nicht in Gefahr und zeigte mal wieder, dass die Berliner zwar überraschend seit Wochen stabil im oberen Drittel stehen, aber keineswegs zufällig.
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Union verfügt über eine derart solide Basis, dass Ausfälle gut kompensiert werden. Momentan fehlen mit Max Kruse, Joel Pohjanpalo, Christian Gentner, Anthony Ujah und Nico Schlotterbeck fünf potenzielle Stammspieler, darunter der beste Fußballer (Kruse) und der Erfahrenste im Kader (Gentner). Deshalb ist es durchaus verständlich, dass Manager Oliver Ruhnert am Samstag bestätigte, dass man sich auf der Suche nach einem neuen Stürmer befinde. Bisher füllen die Nachrücker wie am Samstag Florian Hübner in der Innenverteidigung oder zuvor Cedric Teuchert als hängende Spitze die Lücken allerdings sehr gut.
Dabei profitiert Union insbesondere von Fischers Pragmatismus. In der Schweiz wurde ihm dieser gelegentlich als Schwäche ausgelegt, in Köpenick trifft genau das Gegenteil zu. „Der Trainer ist sehr schlau und weiß, was er für Spieler hat“, sagte Ruhnert kürzlich in einer Medienrunde über Fischer. Anders als die Dogmatiker der Trainergilde, die eine genaue Vorstellung davon haben, wie Fußball auszusehen hat und sich – meist bei finanzstarken Vereinen – die richtigen Profis dafür zusammenkaufen dürfen, passt sich Fischer den gegebenen Möglichkeiten bei Union an. Was jedoch nicht bedeutet, dass er nicht akribisch an der Weiterentwicklung arbeitet. „Wir haben im Vorfeld dieser Saison gewisse Dinge bewusst besprochen, weil wir wussten, dass wir ein zweites Jahr in der Liga mit dem Stil aus der ersten Saison zu lesbar geworden wären“, sagte Ruhnert.
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Lesbar ist Union in dieser Spielzeit kaum. Natürlich gibt es offensichtliche Stärken wie die Standards, die kompakte Defensive oder die vielen Tore in der Anfangsphase. Doch im Detail liegt sehr viel Variabilität und eine punktgenaue Spielvorbereitung. In den bisherigen 14 Begegnungen hat Fischer seine Abwehr acht Mal mit einer Viererkette aufs Feld geschickt und sechs Mal mit einer Dreier- beziehungsweise Fünferkette. „Das Entscheidende war, was für uns gut ist, und wir wollten vor allem das Zentrum stabilisieren“, erklärt Fischer die 3-5-2-Aufstellung gegen Werder.
Ebenso flexibel ist er in der Offensive. Ob mit zwei Angreifern wie in Bremen, Dreiersturm mit offensiven Außen oder mit hängender Spitze, Union kann fast nahtlos zwischen verschiedenen Formationen wechseln. „Wir haben das schon in der Zweiten Liga versucht, aber auch das hat natürlich mit der Entwicklung, mit der Erfahrung und mit der täglichen Arbeit zu tun“, sagt Fischer. „Im Moment setzen wir es gut um und die Mannschaft fühlt sich wohl.“
Das ist Woche für Woche klar zu erkennen – und zwar unabhängig vom Gegner. In der Zweiten Liga und in weiten Phasen der ersten Bundesliga-Saison hatte Union große Probleme, wenn die Mannschaft selbst das Spiel machen musste und keine Räume für die bevorzugten Konter hatte. Mittlerweile ist das Repertoire deutlich größer geworden und die Verbesserungen im Passspiel machen die Berliner für die Gegner nicht mehr so leicht ausrechenbar. „Wir werden sehr gut vorbereitet auf die Spiele und haben immer einen Plan“, sagt Kapitän Christopher Trimmel.