Der 1. FC Union trotzt den Verletzungssorgen: Auf die zweite Reihe ist Verlass
Obwohl beim 1. FC Union aktuell acht wichtige Spieler fehlen, läuft es weiter bei den Berlinern. Nach dem 2:2 in Stuttgart kommt schon Freitag Dortmund.
Seit anderthalb Jahren dürfen bei den Fußball-Bundesligisten neun statt wie zuvor sieben Spieler auf der Auswechselbank Platz nehmen. Für die Trainer war das eine sehr angenehme Regeländerung, denn sie gibt ihnen mehr Alternativen. Dafür müsste man aber auch genügend einsatzfähige Spieler haben. Beim 1. FC Union Berlin blieben beim Auswärtsspiel gegen den VfB Stuttgart am Dienstagabend zwei Kaderplätze frei – und das obwohl Urs Fischer schon zwei Torhüter auf die Bank beordert hatte. In der Pressekonferenz nach dem Spiel wurde Unions Trainer sogar gefragt, ob Loris Karius oder Lennart Moser im Notfall als Feldspieler eingeplant waren.
So schlimm steht es um das Personal der Berliner dann doch noch nicht, die Situation ist aber wahrlich nicht berauschend. „Man sieht bei allen Klubs, dass die Verletzungen zunehmen. Da gilt es noch genauer hinzuschauen“, sagte Fischer schon vor einer Woche. Eine Erklärung für die Häufung an Verletzungen, vor allem muskulärer Art, haben er und sein Team in den leistungsdiagnostischen Daten der Mannschaft bisher aber nicht gefunden.
Beim 2:2 in Stuttgart musste Unions Trainer auf acht Spieler verzichten: Max Kruse, Robert Andrich, Christian Gentner, Nico Schlotterbeck, Marcus Ingvartsen, Joel Pohjanpalo, Anthony Ujah, Florian Hübner – es ist eine illustre Liste der Verletzten und Gesperrten. Noch ein Torwart sowie zwei weitere Verteidiger und man könnte daraus eine ziemlich passable Bundesliga-Mannschaft formen.
Dass Union momentan dabei ist, unabhängig von der jeweiligen Aufstellung, eine mehr als passable Bundesliga-Mannschaft zu werden, ist durchaus erstaunlich. Denn der Berliner Kader ist zwar quantitativ gut besetzt, an der Qualität in der Breite bestanden aber Zweifel. Allein Kruse und Gentner haben mit 674 Spielen mehr Einsätze in der Bundesliga vorzuweisen als die gesamte Startelf vom Dienstag (529).
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In Stuttgart überraschte Fischer mit dem Wechsel zu einer Dreierkette, in der der gelernte linke Außenverteidiger Niko Gießelmann zu seinem ersten Startelfeinsatz für Union kam. „Die letzte Kette hat funktioniert und Niko hat seinen Teil dazu beigetragen“, sagte Fischer. „Er hat gut trainiert und sich das verdient.“
Es ist eine große Stärke der Berliner, dass sich die Spieler aus der zweiten Reihe momentan fast nahtlos einfügen. Pohjanpalo verletzt? Dann trifft halt Taiwo Awoniyi. Andrich gesperrt und Gentner verletzt? Kein Problem, Sebastian Griesbeck steht bereit. Kruse und Ingvartsen verletzt? Cedric Teuchert rückt nach. Natürlich kann man diese Leistungsträger nicht eins zu eins ersetzen, gerade ihre individuelle Qualität. Das stabile Grundgerüst von Union macht es den vermeintlichen Ersatzspielern aber einfacher, sich ohne große Probleme einzufügen.
„Jeder Trainer sagt: Da haben wir zwei, drei, vier Punkte liegen lassen“
Auch die guten Ergebnisse in dieser Saison tragen dazu natürlich ihren Teil bei. „Die Mannschaft hat genügend Selbstvertrauen und nimmt das auch mit auf den Platz“, sagt Fischer. Das war am Dienstag gegen den VfB erneut deutlich zu sehen. Obwohl Stuttgart mit dem Rückenwind des beeindruckenden 5:1-Sieges am Samstag in Dortmund ins Spiel kam, gelang Union mal wieder ein frühes Tor. In der ersten Hälfte waren die Berliner die bessere Mannschaft und hätten – wie schon gegen die Bayern – sogar höher als 1:0 führen können.
In der zweiten Halbzeit bestimmte Stuttgart dann das Spiel und so kam das zweite Tor für Union durch Awoniyi wie aus dem Nichts. Dass der VfB in den letzten fünf Minuten noch ausglich, ärgerte die Berliner zwar, sowohl Fischer als auch Kapitän Christopher Trimmel konnten das Ergebnis aber richtig einordnen. „Wenn du bis zur 85. Minute 2:0 führst, denkst du natürlich, dass mehr möglich gewesen wäre“, sagte Fischer. Stuttgart hätte jedoch auch schon deutlich früher zum 1:1 ausgleichen können.
Mit dem Punkt kann der Trainer deshalb ganz gut leben, vor allem auswärts. „Jeder Trainer sagt: Da haben wir zwei, drei, vier Punkte liegen lassen, aber das gleicht sich irgendwann aus“, erklärte Fischer. „Wichtig ist, wir sind jetzt bei 18 Punkten und haben ein gewisses Polster.“
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Viel Zeit, um sich über die späten Gegentore in Stuttgart zu ärgern, hat Union ohnehin nicht. Schon am Freitag (20.30 Uhr, live bei Dazn und ZDF) kommt Borussia Dortmund mit dem neuen Trainer Edin Terzic ins Stadion An der Alten Försterei. Fischer hatte gegen den VfB zwar nicht den Eindruck, dass sein Team ob der höheren Belastung in der Englischen Woche besonders müde sei, hofft aber natürlich auf gute Nachrichten von der medizinischen Abteilung. Bei Christian Gentner und Florian Hübner könnte es durchaus reichen für eine Rückkehr in den Kader.
Fischer nimmt die Situation ohnehin mit der ihm eigenen Gelassenheit. „Wir müssen aufpassen, dass wir hier nicht anfangen zu jammern. Denn es gibt noch Mannschaften, die spielen international“, sagte Fischer. Zum Beispiel der kommende Gegner: Borussia Dortmund befindet sich in der vierten Englischen Woche in Folge.