zum Hauptinhalt
Großklubs im Sturzflug. Schalke und Leverkusen schwächeln in dieser Saison.
© dpa

Krise bei Schalke, Leverkusen und Gladbach: Das Establishment der Bundesliga schwächelt

Die Europapokalteilnehmer Borussia Mönchengladbach, Bayer Leverkusen und Schalke 04 hecheln den eigenen Erwartungen deutlich hinterher.

Das anstehende Weihnachtsfest ist traditionell eine gute Gelegenheit, mal in Ruhe auf das vergangene Jahr zurückzublicken. Das hat auch Borussia Mönchengladbach am Sonntag getan. Präsident Rolf Königs sprach bei der Weihnachtsfeier des Klubs ein paar gesetzte Worte, und dann wurde ein Film mit den Höhepunkten des Jahres 2016 eingespielt, der laut Borussias Homepage immerhin 15 Minuten dauerte. Vermutlich war das Werk schon Ende Oktober fertig produziert worden. Danach nämlich sind nicht mehr allzu viele Höhepunkte hinzugekommen.

Die Borussen stehen in diesen Tagen sinnbildlich für die Krise des Establishments in der Fußball-Bundesliga. In den sonnigen Gefilden der Tabelle tummeln sich Emporkömmlinge wie Leipzig und Hoffenheim, dazu Hertha, Frankfurt und der 1. FC Köln, während Borussia Mönchengladbach, Schalke 04, Bayer Leverkusen und der VfL Wolfsburg sich ungewohnt weit unten wiederfinden. Dritter, Vierter und Fünfter waren Leverkusen, Gladbach und Schalke in der vorigen Saison; aktuell liegen sie auf den Rängen neun, elf und dreizehn. Und die Wolfsburger, deren Absturz bereits in der Vorsaison begonnen hat, trennt sogar nur ein Punkt vom Relegationsplatz.

Wilde Trainer-Diskussionen sind im Gang

So kommt es an diesem Dienstag (20 Uhr) im Borussia-Park zum Gipfel des Grauens zwischen den Gladbachern und dem VfL Wolfsburg. Medial herrscht inzwischen weitgehende Einigkeit, dass es für mindestens einen der beiden Trainer das letzte Spiel im Amt sein könnte. Wer verliert, fliegt. Und wer gewinnt, fliegt vielleicht auch. Als Nachfolger von Valerien Ismael, der erst vor ein paar Wochen eine Festanstellung in Wolfsburg erhalten hat, soll David Wagner vom englischen Zweitligisten Huddersfield Town bereits feststehen. Und in Mönchengladbach wird über den früheren Borussenspieler Dieter Hecking spekuliert – obwohl Manager Max Eberl in den vergangenen Wochen ständig wiederholt hat, dass es keine Diskussion um Trainer Andre Schubert und auch kein Ultimatum an ihn gebe. Man werde in der Winterpause alles analysieren und dann die nötigen Schlüsse ziehen. Eberl glaubt uneingeschänkt an den Wert von Kontinuität, er vertraut seinen Trainern auch dann noch, wenn längst wilde Diskussionen um ihn im Gang sind.

Jenseits von Eberl hat sich die Ansicht verfestigt, dass Schubert gehen muss, weil unter ihm keine sportliche Entwicklung mehr zu erkennen ist. Die Mängelliste ist lang: Die Mannschaft wirkt müde, bricht in der zweiten Halbzeit regelmäßig ein und scheint im Spiel nach vorne über keinerlei Automatismen mehr zu verfügen. „Es fällt der Mannschaft bei der Tabellenplatzierung und dem Stress, der um sie herum herrscht, im Moment nicht so leicht, eine gewisse Lockerheit zu entwickeln“, sagt Schubert. Die Frage ist: Spielt die Mannschaft schlecht, weil sie durch die Platzierung belastet wird? Oder: Steht sie in der Tabelle so weit unten, weil sie so schlecht spielt?

Die Anhänger haben diese Frage für sich schon beantwortet. Am Samstag, nach der 0:1-Niederlage in Augsburg, forderten sie Schuberts Rauswurf. Der Trainer hat die Mannschaft zwar vorige Saison von Platz 18 noch in die Champions League geführt; aktuell aber verantwortet er die dunkelste Bilanz der jüngeren Vergangenheit. In den letzten zehn Bundesligaspielen gelang den Gladbachern nur ein Sieg. 16 Punkte aus 15 Spielen sind die schwächste Ausbeute seit dem Fast-Abstieg 2011, und die Auswärtsbilanz (nur ein Punkt) ist die schlechteste seit dem Abstieg 2007. „Wir sind genauso angepisst wie die Fans“, sagt Eberl dazu.

Die Fans verhöhnen Roger Schmidt

In Leverkusen klingt das ähnlich. „Wir müssen unsere Fans verstehen“, gab Sportdirektor Rudi Völler nach der Heimniederlage gegen den Abstiegskandidaten Ingolstadt zu. „O, wie ist das schön“, hatten die Anhänger am Sonntag während des Spiels gehöhnt – und den Rauswurf von Trainer Roger Schmidt gefordert. Der aber darf sich wie in der Vorsaison der Unterstützung seines Vorgesetzten Völlers sicher sein. „Wir wissen, dass wir eine sehr unbefriedigende Hinrunde gespielt haben“, sagt Völler. „Die letzten drei Spiele waren richtig schlecht.“ Von den vergangenen fünf Begegnungen hat Bayer nur eine gewonnen – das war das überaus glückliche 1:0 beim FC Schalke durch ein Standardtor in letzter Minute, nachdem die Leverkusener fast die komplette Zeit mit einem Mann mehr gespielt hatten.

Bayers Verantwortliche hatten gehofft, dass der glückliche Sieg der Anfang einer Aufholjagd werden könnte – so wie im Frühjahr, als die Mannschaft sich dank sieben Siegen hintereinander noch vom siebten auf den dritten Platz verbessert hat. Doch angesichts des aktuellen Zustands erscheint das utopisch. „Einige Spieler wirkten schon sehr müde“, sagte Trainer Schmidt nach dem 1:2 gegen Ingolstadt.

Auch Andre Schubert, dem Trainer von Borussia Mönchengladbach, droht der Rauswurf.
Auch Andre Schubert, dem Trainer von Borussia Mönchengladbach, droht der Rauswurf.
© dpa

Das Problem haben auch Gladbach und Schalke. Die Mehrfachbelastung schlägt jetzt richtig durch. Zudem hatten oder haben alle drei Klubs arge Verletzungsprobleme. Der Borussia fehlen mit Patrick Herrmann, Ibrahima Traoré, Fabian Johnson, Tony Jantschke und Christoph Kramer aktuell fünf Stammkräfte. Schalke musste am Samstag beim 1:1 gegen Freiburg gar acht Spieler ersetzen, darunter vier Stürmer. Wäre nur einer von ihnen dabei gewesen, „hätten wir das Spiel gewonnen“, glaubt Trainer Markus Weinzierl.

Schalke leidet immer noch unter dem desaströsen Saisonstart mit fünf Niederlagen – hat nach einem Zwischenspurt jetzt aber auch schon wieder drei der jüngsten vier Pflichtspiele verloren. Angesichts der Vorbelastung darf sich die Mannschaft solche Schwankungen eigentlich nicht erlauben, will sie es noch in den Europapokal schaffen. Ein Unentschieden gegen Freiburg sei nicht verwerflich, hat Kapitän Benedikt Höwedes am Wochenende gesagt: „Das Problem ist, dass wir in den ersten fünf Spielen 15 Punkte liegen gelassen haben. Das tut uns richtig weh.“

Einziger Vorteil der Schalker ist: Nach Platz 18 am fünften Spieltag fühlt sich Platz 11 aktuell nicht ganz so schlimm an, wie er es angesichts der eigenen Ansprüche eigentlich tun sollte. Was zu der paradoxen Situation führt, dass bei den Schalkern derzeit eine geradezu besinnliche Ruhe herrscht. Anders als in Mönchengladbach, Wolfsburg und Leverkusen.

Zur Startseite