Istaf im Berliner Olympiastadion: Das Beste kommt zum Schluss
Die deutschen Frauen zeigen überragende Leistungen beim Leichtathletikmeeting: Gesa Krause läuft im 2000-Meter-Hindernislauf sogar Weltrekord.
Es ist kein Geheimnis, dass die Frauen den Männern in der deutschen Leichtathletik ein bisschen den Rang abgelaufen haben. So war zum Beispiel jahrelang ausschweifend über einen Berliner berichtet worden, der seinen Diskus meist weiter werfen konnte als jeder andere. Robert Harting lautet sein Name. Jener Harting beendete im vergangenen Jahr seine Karriere. Es hat sich nicht bewahrheitet, was mancher PR-Mann aus der Leichtathletik befürchtet hatte: Dass sich mit Hartings sportlichem Ende weniger Menschen in Deutschland für die olympische Kernsportart interessieren würden.
Das liegt vor allem an den deutschen Leichtathletinnen. Das war auch am Sonntag gut zu beobachten, als das Leichtathletikmeeting Istaf zum 78. Mal ausgetragen wurde. Die Veranstaltung ging schon auf ihre Zielgerade zu, als 40.500 Zuschauer im Olympiastadion einen ohrenbetäubenden Lärm machten. Gesa Krause hatte den letzten Wassergraben übersprungen und ihre Konkurrentin Winfred Mutile Yavi in einem furiosen Schlussspurt abgehängt, als handelte es sich bei dem Wettbewerb um einen Sprint. Dabei war es ein 2000-Meter-Hindernislauf. Krauses Zeit im Ziel betrug 5:52.80 Minuten, was gleichbedeutend mit Weltrekord war - in einer Disziplin allerdings, die es etwa bei Olympischen Spielen nicht gibt. Das Publikum störte das freilich nicht. „Ich war so beflügelt. Vielen Dank für diese geile Stimmung“, sagte sie.
Die Zuschauer wären nach diesem Lauf sicher schon beseelt nach Hause gegangen. Allerdings warnte der Stadionsprecher wie ein Conférencier, dem die Leute davonzulaufen drohen: „Bleiben Sie hier. Wenn Sie jetzt gehen, ist es, als ob Sie ein Fußballspiel in der 80. Minute verlassen.“ So blieben die meisten sitzen und verfolgten auch noch den letzten Wettbewerb, die 4x100-Meter-Staffel der Frauen. Und tatsächlich: Nach dem Höhepunkt folgte der Höhepunkt.
Die deutschen Sprinterinnen um Lisa-Maria Kwayie, Yasmin Kwadwo, Tatjana Pinto und Gina Lückenkemper rasten in der Weltjahresbestzeit von 41,67 Sekunden ins Ziel. Eingehüllt in eine deutsche Flagge bedankten sie sich beim Publikum. Die schnellste von ihnen, Tatjana Pinto, kündigte gar an, dass im Hinblick auf die Weltmeisterschaften in rund einem Monat in Katar noch mehr möglich ist. „Unsere Wechsel sind noch nicht perfekt ausgereift.“
Überhaupt spielten die Weltmeisterschaften in den Köpfen der Athleten eine große Rolle. Das Istaf ist sonst gewissermaßen das Silvester unter den Leichtathletikmeetings, der feierliche Saisonabschluss. Dieses Mal war alles anders. Die Saison ist nicht zu Ende, der Höhepunkt steht erst noch an. Für manche war das Istaf eine letzte Chance, sich für die Wettkämpfe in einem Monat in der Hitze Katars zu qualifizieren.
Es gab aber auch ein paar Enttäuschungen bei den deutschen Frauen
Das galt zum Beispiel für den Diskuswerfer Christoph Harting. Der Berliner hat zwar mit einer Weite von 66,01 Meter die Norm erfüllt. Doch er hatte sich vor rund einem Monat bei den Deutschen Meisterschaften drei Fehlversuche geleistet und anschließend die komplette Veranstaltung sowie den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) diskreditiert. Bis jetzt hat der Verband Harting für die WM noch nicht nominiert. Er hatte beim Istaf etwas gutzumachen – und schaffte das zumindest insofern, als am Ende des Wettkampfes ein Ergebnis neben seinem Namen stand. Doch mit 60,06 Meter wurde er Neunter und damit Letzter.
Zu diesem Zeitpunkt hatte es aus deutscher Sicht ein paar Enttäuschungen gegeben. Die Kugelstoßerin Christina Schwanitz kam auf für ihre Verhältnisse eher maue 18,62 Meter und wurde hinter der Kanadierin Brittany Crew (19,28 Meter) Zweite. Die Dreispringerin Neele Eckhardt wurde mit wenig erbaulichen 14,02 Meter Vierte, genauso übrigens wie Gina Lückenkemper in ihrem 100-Meter-Einzellauf (11,15 Sekunden). Wiederum ein paar Minuten später stürzte auch noch die Ulmerin Alina Reh über 5000 Meter. Es schien wie verhext, nichts wollte recht klappen bei den Athletinnen und Athleten des DLV.
Aber die deutschen Hoffnungsträger sollten erst noch kommen – und schließlich das Berliner Publikum laut aufschreien lassen. Der Hochspringer Mateusz Przybylko (2,30 Meter) und der Speerwerfer Johannes Vetter (85,40 Meter im Speerwurf) hielten die Ehre der deutschen Männer hoch und gewannen ihre Konkurrenz, genauso wie die Weitspringerin Malaika Mihambo (6,99 Meter). Danach folgte der famose Schlussakkord durch die deutschen Sprinterinnen.