Hertha vor dem Spiel gegen den SC Freiburg: Fredi Bobic hat Pläne mit und ohne Pal Dardai
Ist nach dem Freiburg-Spiel Schluss für Herthas Trainer Pal Dardai? Wohl eher nicht. Das würde die Pläne von Sportchef Bobic durchkreuzen.
Eintausendachthundertachtundfünfzig. 1858 Tage. Exakt so lange ist Pal Dardai, verteilt auf zwei Etappen, jetzt Cheftrainer von Hertha BSC. Und wenn es nach Fredi Bobic geht, dem neuen Sportgeschäftsführer des Berliner Fußball-Bundesligisten, dann kann Dardai auch noch gut und gerne doppelt so lange im Amt bleiben. So jedenfalls hat er das in einem Interview gesagt, das am Montag im „Kicker“ erschienen ist. Dardai habe es selbst in der Hand, wie lange er Trainer bei Hertha sei. „Das können sogar zehn Jahre werden“, hat Bobic gesagt. „Es liegt letztlich immer an der Arbeit, die jemand macht.“
Natürlich hat Bobic recht. Sollte Hertha sich am Ende dieser Saison für die Champions League qualifizieren, wird Dardai ganz sicher Trainer bleiben. Aber Herthas Qualifikation für die Champions League erscheint im Moment, nun ja, eher utopisch. Und dann?
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Dardais Vertrag als Trainer der Profimannschaft läuft nach dieser Spielzeit aus. Dass er verlängert wird, halten viele inzwischen für unwahrscheinlich. Ja, ihnen erscheint es sogar weit plausibler, dass Dardai schon vor Ablauf seiner Vertragslaufzeit gehen muss. In den vergangenen Tagen, nach der harschen 0:6-Niederlage in Leipzig, war allenthalben zu hören und zu lesen, dass Herthas Spiel gegen den SC Freiburg an diesem Samstag im heimischen Olympiastadion (15.30 Uhr, live bei Sky) schon das letzte für Dardai als Cheftrainer sein könnte.
Solche Urteile folgen dem üblichen Reflex, dass im Misserfolgsfall umgehend der Trainer zu entlassen sei; und offenbar gibt es auch einen direkten Zusammenhang zwischen der räumlichen Entfernung zu Hertha und dem Grad der Bedrohung für Dardais Job. Aus der Nähe stellt sich die Lage womöglich ein wenig anders dar. „Von der sogenannten Situation aus den Medien spüre ich nichts“, hat Dardai vor dem Spiel gegen die Freiburger gesagt.
Natürlich spielt in die Mutmaßungen zu Dardais Sicherheit am Arbeitsplatz auch hinein, dass es ihm und Bobic bisher nicht gelungen ist, den Eindruck tiefer Harmonie zu erwecken. Herthas Sportchef hat den Trainer in den vergangenen Wochen nicht nur einmal öffentlich gemaßregelt. Auch im Interview mit dem „Kicker“ hat er sich vergleichsweise schroff geäußert.
Hinzu kommt, dass Bobic schon bei seinem Amtsantritt nachgesagt wurde, er liebäugle eigentlich mit einem anderen Trainer. „Wahrscheinlich sucht Hertha BSC schon seit langem einen großen Trainer“, hat sogar Pal Dardai gesagt. Völlig abwegig sind solche Spekulationen also offenbar nicht. Es war im Frühjahr eben nur nicht opportun, Dardai nach dem Klassenerhalt in die Jugendabteilung zurückzuversetzen.
Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Einiges spricht dafür, dass Bobic zur Saison 2021/22 einen renommierten Trainer präsentieren will, um dem etwas ins Stocken geratenem Projekt Hertha BSC neuen Schwung zu verleihen. Möglicherweise weiß er sogar schon, wer das sein soll.
Pal Dardai soll die Saison halbwegs unfallfrei zu Ende bringen
Genau das könnte Pal Dardai – neben einigen anderen Gründen – einstweilen vor der schnellen Entlassung bewahren. Müsste Bobic kurzfristig reagieren, würde das seinen Masterplan für den kommenden Sommer durchkreuzen. Er könnte bei der Besetzung des Trainerpostens nicht strategisch vorgehen, sondern müsste einen jener Trainer nehmen, die gerade zufällig auf dem Markt sind.
Pal Dardai soll die Saison halbwegs unfallfrei zu Ende bringen. Dass dies möglich ist, haben die beiden Siege gegen die Aufsteiger Bochum und Fürth gezeigt. Wunderdinge werden von ihm nicht erwartet. Das heißt natürlich nicht, dass fortan alles egal ist und der Ungar keinerlei Konsequenzen zu fürchten hat. Aber Bobic ist bisher nicht durch eine Personalpolitik der zittrigen Hand aufgefallen.
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In seinen fünf Jahren als Sportchef bei Eintracht Frankfurt hat er kein einziges Mal den Trainer entlassen. Bobic verweist zudem immer wieder darauf, dass Herthas missliche Situation nicht zuletzt auf die fehlende Kontinuität auf der Trainerposition zurückzuführen sei. Da kann er schwerlich bei der ersten kritischen Situation gleich selbst zu diesem Mittel greifen. Und bei welchem der derzeit verfügbaren Trainer gäbe es eine Garantie, dass er aus dem vorhandenen, etwas schief zusammengeschraubten Kader mit mehr Torhütern als offensiven Außenbahnspielern mehr herausholt als Dardai? Zu Hause gegen Freiburg, das klingt für viele nach einem Pflichtsieg, verkennt aber, dass die Freiburger in dieser Spielzeit sehr überzeugend unterwegs sind. Das Team liegt auf Platz fünf, ist als einziges neben den Bayern in dieser Saison noch ungeschlagen und hat vor einer Woche den FC Augsburg, einen Gegner von ähnlicher Qualität wie Hertha, mit 3:0 weggefiedelt. „Das ist ein Spiel, was machbar ist“, sagt Dardai. „Du kannst gewinnen.“
Von Gewinnenmüssen aber kann wohl keine Rede sein. Das Urteil über Pal Dardai und seine Arbeit wird daher nicht allein vom Ergebnis abhängen. Es kommt – vor allem nach dem ernüchternden Auftritt in Leipzig vor einer Woche – auch auf die Haltungsnote an. Fredi Bobic erwartet von der Mannschaft, „dass sie dagegenhalten kann, dass sie sich nicht einfach so ergibt. Ein bisschen muss man schon spüren, dass Gegenwehr da ist.“