Hertha BSC: Champions League? Wir sagen nichts!
Alle denken daran, aber keiner möchte darüber reden: Durch das 2:0 gegen den FC Schalke 04 nähert sich Hertha BSC der Champions League.
Am Ende hockten sich die dampfenden Spieler auf die nasskalte, blaue Tartanbahn des Olympiastadions. Ihre Blicke ging hoch in den Rang der Ostkurve zu den Fans. Es waren Blicke der Erschöpfung und der Zufriedenheit. Es hätte Schalke-04-Devotionalien regnen können – nichts hätte der Wonne des Sieges über den ungeliebten Rivalen anhaben können in dieser besonderen Fußballnacht.
Es war eben nicht irgendein Spiel, das Hertha BSC gewonnen hatte. Es war ein 2:0-Sieg des Tabellendritten über den Tabellenvierten, der eigentlich vorbei wollte an den Berlinern und sich in der Champions League sieht. Es war ein richtig gutes Fußballspiel mit schönen Kombinationen und herrlichen Toren. Der Sieg war hochverdient, er war ein Statement. Berlin kann Fußball, und zwar so gut wie lange nicht mehr.
„Wir sollten uns darauf konzentrieren, Spiele zu gewinnen“
Als im vergangenen Juni im Olympiastadion das Finale der Champions League ausgetragen wurde, war Hertha von dieser Spielklasse so weit entfernt wie der Großflughafen von seiner Inbetriebnahme. Michael Preetz saß im Stadion und Pal Dardai kommentierte das Spiel zwischen Juventus Turin und dem FC Barcelona für das ungarische Fernsehen. Nicht mal ein Jahr später ist Hertha drauf und dran, vielleicht bald selbst mal den einen oder anderen Klub des europäischen Fußballadels zu empfangen. Auch nach diesem Bundesliga-Wochenende wird Hertha BSC auf dem Champions-League-Rang drei stehen. „Wir sollten uns darauf konzentrieren, Spiele zu gewinnen“, sagte der formidable Salomon Kalou. „Dann haben wir eine gute Chance, etwas zu erreichen.“
Der Ivorer hat die Champions League sogar schon einmal gewonnen, 2012 war das, mit dem FC Chelsea. Bei den Berlinern nimmt das Wort Champions League niemand in den Mund. Was verständlich ist. Doch genau das wird ab sofort über jedem Spiel der Berliner schweben.
Zuletzt qualifizierte sich Hertha 1998/99 für die Champions League
„Ich weiß nicht, was es bringt, neue Ziele zu formulieren“, sagte Manager Michael Preetz beim Abgang in die Nacht. „Unser Ziel ist es, das nächste Spiel zu gewinnen.“ Michael Preetz und Pal Dardai waren in der Saison 1998/99 noch in kurzen Hosen dabei, als Hertha als krasser Außenseiter ins zweite Bundesligajahr nach dem Aufstieg gegangen und am Ende völlig überraschend in der Champions League gelandet war. Die Berliner spielten am Limit und liefen schließlich durch das Tor, dass ihnen die Konkurrenz offenhielt. Damals wackelten die für diesen Wettbewerb üblich verdächtigen Klubs. Wie heute auch. Ob er Parallelen sehe, wurde Preetz gefragt. „Ich habe so viele Kopfbälle gemacht“, sagte der Manager, er habe keine Erinnerungen mehr daran.
„Wir haben nichts Neues zu erzählen“, sagte Vedad Ibisevic. Der Bosnier hatte mit seinem achten Saisontreffer die Berliner in Führung gebracht. Hertha sei eine Mannschaft, die über Grenzen gehen müsse, um solche Gegner zu schlagen. „Wenn nicht, werden wir Schwierigkeiten bekommen“, sagte Ibisevic.
Pal Dardai hat seinen Spielern das Wochenende freigegeben
Doch wie auch vor 17 Jahren könnte dieses Frühjahr 2016 wieder mal Hertha gehören. Die Mannschaft von Pal Dardai steht im Halbfinale des nationalen Pokals und ist bei noch ausstehenden acht Punktspielen aussichtsreich im Rennen um einen europäischen Startplatz.
Die Stadt hat ihren Frieden mit Hertha noch nicht gemacht. Nur 50.000 Menschen waren gekommen zu diesen Topspiel dieses Bundesligawochenendes. Durchschnittlich kommen in dieser sportlich so erfolgreich verlaufenden Spielzeit sogar weniger Zuschauer als in der vorherigen, sportlich missratenen. Eine lausige Bilanz für eine Dreieinhalb-Millionenstadt. Preetz sagte, die Abendtermine seien Schuld. Man habe viele Fans im Umland. Nur was, wenn der FC Bayern käme? Dieses Spiel wäre zu jeder Uhrzeit ausverkauft, auch dienstags um 13 Uhr.
„Wir arbeiten. Und träumen nicht“
Pal Dardai hat seinen Spielern das Wochenende freigegeben. Was nicht oft vorkommt. Aber es brauchte eben auch zehn Jahre, dass Hertha Schalke schlägt, einen Verein, der auf allen Gebieten weiter ist. „Nach einem solchen Spiel soll man nicht irgendwelche Sachen rauslassen“, sagte er: „Wir arbeiten. Und träumen nicht.“
Die Fans aber werden das tun, die Spieler womöglich auch. Vielleicht langt es am Ende nur für die Europa League und ungemütlichen Gegnern aus dem europäischen Nirgendwo. Vielleicht geht aber auch mehr. Solche Siege wie gegen Schalke werden später herangezogen, wenn es darum geht, das Fußball-Wunder zu erklären. Und es wäre ja ein solches, würde Hertha den dritten Rang ins Ziel bringen.
Derweil lebt und genießt Pal Dardai die Internationalität im Kleinen. Er freue sich auf den Vater, der samt Onkel, Wein und einem halben Schwein aus seiner ungarischen Heimat angereist sei. Im Moment passt eben alles.