Hertha BSC braucht den Mut von Matheus Cunha: Bis zum glücklichen Ende
Matheus Cunha kehrt gegen Bayer Leverkusen ins Team von Hertha BSC zurück. Seine Qualitäten in der Offensive hat die Mannschaft zuletzt arg vermisst
Es gibt ehemalige Fußballer, die noch Jahrzehnte nach dem Ende ihrer Karriere bestimmte Spielzüge exakt vor ihrem inneren Auge ablaufen lassen können. Arne Friedrich, der frühere Nationalspieler und heutige Sportdirektor des Berliner Bundesligisten Hertha BSC, gehört offenbar nicht dazu. „Mein Erinnerungsvermögen, was Fußballspiele angeht, ist sehr bescheiden“, sagt er auf die Frage, ob ihm bei der Begegnung Hertha gegen Bayer Leverkusen ein besonderes Spiel in den Sinn komme.
Davon gab es einige – und mindestens eins, an dem Friedrich aktiv beteiligt war, gemeinsam übrigens mit Pal Dardai, der inzwischen Herthas Cheftrainer ist. Beide standen auf dem Platz, als in der Bayarena ein Wunder zu erleben war und aus einem bis dahin wenig auffälligen Torhüter eine göttliche Gestalt wurde. Am 4. Oktober 2008 war das. Die Berliner gewannen 1:0 und hatten diesen Erfolg nicht nur dem Torschützen Andrej Woronin zu verdanken hatten, sondern vor allem Torwart Jaroslav Drobny. „Er hat gehalten wie Jesus“, sagte Herthas Trainer Lucien Favre.
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Es war ein unmöglicher Sieg, den seine Mannschaft, der Tabellenzehnte, gegen den damaligen Zweiten der Bundesliga feierte. 27 Torschüsse wurden für die Leverkusener gezählt, 13 Versuche parierte Drobny, während Hertha auf lediglich drei Schüsse kam und durch ein Tor in der 89. Minute als Sieger vom Platz ging.
Auch in der Folge war es meistens so, dass Bayer 04 als Favorit in die Spiele gegen Hertha ging. Gemessen daran fällt die Bilanz der Berliner sogar noch recht gut aus. Zuletzt ließen sie gegen die Leverkusener, deren Anspruch die Champions League ist, drei Mal hintereinander kein Gegentor zu. Von den jüngsten sieben Begegnungen endeten vier mit einem Sieg Herthas, obwohl Bayer 04 am Ende der Saison in der Tabelle immer und zum Teil deutlich vor den Berliner rangierte.
Der Trend bei Bayer zeigt nach unten
Das ist auch eingangs der Zielgeraden der aktuellen Spielzeit wieder so. Zehn Plätze liegen zwischen Bayer und Hertha. Die Leverkusener gehören als Tabellensechster zum oberen Drittel der Bundesliga, aber der Trend zeigt bei ihnen seit Weihnachten eindeutig nach unten.
Im DFB-Pokal und in der Europa League ist die Mannschaft von Trainer Peter Bosz gegen deutlich schwächer eingestufte Gegner (Rot-Weiss Essen, Young Boys Bern) ausgeschieden, und in der Liga hat Bayer zuletzt auch nicht viel besser performt als Hertha. Als die Leverkusener im letzten Spiel vor der kurzen Winterpause auf Bayern München trafen, waren sie in der Liga noch ungeschlagen und sogar Tabellenführer. Seitdem holten sie in 13 Begegnungen zwölf Punkte; bei Hertha waren es im selben Zeitraum acht.
Wenn Herthas Trainer Pal Dardai vor dem Heimspiel am Sonntagnachmittag sagt „Jetzt kommen Spiele, in denen man nicht nur punkten kann, sondern muss“ und damit das Spiel gegen die Leverkusener explizit einschließt, dann liegt das aber weder an Bayers Formschwäche noch an den durchaus erfreulichen Ergebnissen der jüngeren Vergangenheit.
Hertha BSC setzt auf Matheus Cunha
Es ist schlichtweg Herthas Situation geschuldet, an der Bayer im Übrigen nicht ganz unschuldig ist. Weil die Leverkusener am Wochenende ziemlich überraschend ihr Heimspiel gegen Arminia Bielefeld verloren haben, sind die Berliner erstmals seit 15 Monaten wieder in die Abstiegszone gerutscht. „Ab jetzt ist jedes Spiel ein Muss“, sagt Dardai.
Herthas Trainer glaubt, dass es „ein gutes, ein leidenschaftliches Spiel“ werden wird – weil beide Mannschaften auf Sieg spielen müssen. Und weil beide etwas gutzumachen haben. Beim Trainingsauftakt am Dienstag, drei Tage nach der ernüchternden Niederlage in Dortmund, hat Dardai noch einmal eine Rede an seine Mannschaft gehalten. „Ich habe einige schmerzhafte Sachen erzählt“, sagt er. „Das war ehrlich und auch wichtig. Die Jungs haben das gut runtergeschluckt.“
Gegen Leverkusen erwartet der Ungar nicht nur die nötige Mentalität für den Abstiegskampf, sondern auch mehr Mut im Spiel nach vorne. Gegen den BVB fand Hertha gerade in der 30-Meter-Zone vor dem gegnerischen Tor so gut wie gar nicht statt. Die Hoffnung, dass sich das ändert, ruhen vor allem auf Matheus Cunha, der nach seiner Muskelverletzung wieder im Training ist und am Sonntag auf dem Platz stehen wird. „Er hat die Qualität, die Aktionen zu Ende zu bringen“, sagt Dardai.
Herthas Trainer hat nicht nur überraschende Siege gegen Bayer erlebt, sondern auch schmerzende Niederlagen. Zu Hause gab es zuletzt zwei böse Klatschen, jeweils am letzten Spieltag der Saison. 2017 verlor Hertha 2:6, 2019 endete das Aufeinandertreffen mit einem 1:5. Es war das letzte Spiel Dardais in seiner ersten Amtszeit als Trainer bei Hertha. Aber mit der Vergangenheit beschäftigt er sich derzeit wenig. „Im Fußball zählt nur der nächste Pass“, sagt er.