Borussia Dortmund im Pokalfinale: Berlin als Rettung
Nach dem souveränen Auftritt in Berlin könnte die Saison für Borussia Dortmund im Pokalfinale noch ein starkes Ende finden.
Vielleicht hat Pal Dardai ja Glück, weil sich Hans-Joachim Watzke großzügig gibt. In diesem Fall könnte der Trainer von Hertha BSC die Uhr aus Metall bekommen, mit schwarzem Ziffernblatt, drehbarer Lünette und einem Gliederarmband aus hochwertigem Edelstahl. Vielleicht wird Dardai aber auch mit der LCD-Uhr aus Plastik abgespeist, für schlanke 44,95 Euro im Fanshop von Borussia Dortmund erhältlich. Richtig freuen dürfte sich der Ungar weder über das eine noch über das andere Geschenk, das Dortmunds Geschäftsführer Watzke ihm nach dem Halbfinale im DFB-Pokal in Aussicht stellte. „Ich schick’ ihm eine BVB-Uhr, so wie sie bei uns im Merchandising-Katalog drin ist“, sagte er. „Da hat er auch noch ein Andenken an den Abend.“
Schon seltsam, womit sich Watzke an diesem für Borussia Dortmund ja durchaus erfolgreichen Abend beschäftigte, an dem der BVB durch ein souveränes 3:0 gegen Hertha zum dritten Mal hintereinander ins DFB-Pokalfinale eingezogen war. „Ich freue mich total“, sagte Watzke, aber für echte Freude klangen seine Ausführungen doch ein wenig zu spitz. Der Geschäftsführer des BVB echauffierte sich über eine harmlose Aussage Dardais. Herthas Trainer hatte erzählt, dass er sich nach seinem Bundesligadebüt eine teure Uhr gegönnt und sich damals vorgenommen habe, er werde sich eine noch teurere zulegen, sollte er jemals das DFB-Pokalfinale erreichen. „Ich habe das als deplatziert und respektlos empfunden“, wetterte Watzke.
Der BVB-Chef wollte gelassen und souverän klingen, so wie seine Mannschaft zuvor gegen Hertha gespielt hatte. In Wirklichkeit aber zeigte seine Reaktion nur, wie gereizt die Nerven bei den Borussen vor diesem Halbfinale waren. Watzke mutmaßte, dass in einigen Redaktionen schon „ein leichter Abgesang vorformuliert worden sei“, der nun leider von der Realität überholt worden war. Als „totale Respektlosigkeit“ habe er die Debatten rund um die Mannschaft und deren Trainer Thomas Tuchel empfunden. „So viel dummes Zeug habe ich lange nicht mehr gehört.“
Das Aus in der Europa League eine Woche zuvor durch die dramatische Niederlage gegen den FC Liverpool mit Borussias Ex-Trainer Jürgen Klopp hat die Dortmunder doch arg in ihrem Selbstverständnis getroffen. Das war indirekt aus Watzkes Erregung zu schließen – und direkt aus den Aussagen des Dortmunder Kapitäns. „Es geht mir schon noch auf den Zeiger“, sagte Mats Hummels. „Wir haben uns leider selber aus der großen Europa-League- Chance herauskatapultiert.“ Korrigieren lässt sich das nicht mehr, aber „zumindest haben wir gute Schlüsse daraus gezogen“, sagte Hummels nach dem Sieg in Berlin.
Weitere Verwerfungen hat der souveräne Auftritt jedenfalls erst einmal verhindert. Die Debatte hatte ja schon vor dem Halbfinale geschwelt: Kann für einen Verein wie Borussia Dortmund eine Saison ohne Titel überhaupt als erfolgreich gelten? Droht dem BVB jetzt der Ausverkauf (Hummels’ Vater brachte schon einen Wechsel zu Bayern München ins Spiel)? Und wäre Thomas Tuchel tatsächlich so ein großer Trainer, wenn er gerade die großen Spiele verliert? „Ich finde die Finalteilnahme sehr wichtig. Das war auch unser Anspruch“, antwortete Tuchel. „Aber ich bin nicht bereit, mein Saisonfazit davon abhängig zu machen, ob wir das Finale gewinnen oder nicht.“
Watzke fand die Frage nach seiner persönlichen Erleichterung angesichts der Leistungen der Mannschaft in dieser Saison ziemlich unpassend. Erleichtert sei er vor einem Jahr nach dem Sieg beim SC Freiburg gewesen – als der BVB Vorletzter in der Bundesliga war. Jetzt hat der Klub die Qualifikation für die Champions League schon lange vor Saisonende sicher, zudem ist es offenkundig, dass nicht nur die Mannschaft als Ganzes unter Tuchel einen Schritt nach vorne gemacht hat, sondern auch einzelne Spieler.
Tuchel äußerte sich nach dem Sieg gegen Hertha „sehr zufrieden mit der Dominanz, der Struktur und der Geduld“ seines Teams. Eine solche Leistung war nach dem Niederschlag an der Anfield Road sechs Tage zuvor keineswegs selbstverständlich gewesen. „Die Mannschaft hat sich wirklich noch mal gestrafft im Vergleich zu den letzten Wochen“, sagte Tuchel. „Man hat gemerkt, dass viele Spieler die Anspannung solcher Spiele kennen, diese Anspannung brauchen, um auf ihr höchstes Niveau zu kommen, und diese Momente auch lieben.“
Diese Anspannung wird sich vermutlich auch im Finale am 21. Mai wieder einstellen, wenn der Gegner wie 2012 und 2014 Bayern München heißt und dem BVB laut Kapitän Hummels „eine der größten Aufgaben im Weltfußball“ bevorsteht. 2012 siegte Borussia Dortmund, 2014 der FC Bayern. „Wir wollen diesen Titel unbedingt“, sagte Thomas Tuchel. Das Problem ist: „Die Bayern wollen ihn genauso unbedingt.“