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Der Blick geht nach unten: Gegen RB Leipzig musste sich Hertha am Samstag geschlagen geben. Es war bereits die dritte Bundesliga-Niederlage in Folge für die Berliner.
©  Odd Andersen/AFP

Große Pläne, triste Gegenwart: Bei Hertha BSC läuft es – nur nicht auf dem Rasen

Hertha BSC hat mit Investor Lars Windhorst große Pläne für die Zukunft. Doch das Team der Gegenwart muss jetzt im Abstiegskampf bestehen.

Lukas Klünter macht bei aller Erschöpfung ein ernstes Gesicht. Der Verteidiger von Hertha BSC hat soeben den Rasen des Olympiastadions verlassen, auf dem der Gastgeber am Samstag RB Leipzig mit 2:4 unterlegen ist. Für Hertha ist es in der Bundesliga die dritte Niederlage hintereinander, die Mannschaft von Trainer Ante Covic stürzt so langsam durch die Tabelle in Richtung Abstiegskampf. „Die Lage ist nicht zu unterschätzen“, sagt Klünter. Vor allem mit Blick auf die nächsten Gegner nicht. „Das kommende Spiel in Augsburg ist extrem wichtig“, sagt der 23-Jährige.

Das neuerliche Tief trifft Hertha BSC zu einer Unzeit. Am Freitag noch hat Lars Windhorst die zweite Tranche von 99 Millionen Euro seines Investments über insgesamt 225 Millionen Euro an Hertha überwiesen und Jürgen Klinsmann als einen der Aufsichtsräte für Herthas Kommanditgesellschaft gewonnen. Außerhalb des Platzes läuft es bestens – nur auf dem Rasen nicht.

Herthas Präsident Gegenbauer spricht nicht – er schreit

Dass Hertha durch die sportliche Situation angefasst ist, dass die beiden jüngsten Niederlagen aufs Gemüt geschlagen haben, das ist auch am Morgen nach der Niederlage gegen Leipzig zu spüren. In der Messehalle 22 hält der Verein seine Mitgliederversammlung ab.

So laut und leidenschaftlich wie an diesem Sonntag hat man Werner Gegenbauer, Herthas Präsidenten, lange nicht erlebt. Er spricht nicht. Er schreit. Vielleicht auch, um sicherzugehen, dass seine Botschaften gehört werden. Gegenbauer redet zu den existenziellen Fragen des Klubs neben dem Sport: zum Einstieg des Investors, zu den Stadionplänen – und am Ende auch noch kurz zum Stadtderby. Ein Raunen geht durchs Auditorium.

„Big City Club“, Real und PSG als sportliche Bezugsgrößen, spannendstes Fußballprojekt Europas – die Aussagen, die Windhorst und Klinsmann in den vergangenen Tagen und Wochen getätigt haben, kontrastieren auf das Schärfste mit der aktuellen sportlichen Performance. Wirtschaftlich hat sich Herthas Situation durch den Einstieg von Windhorst und seiner Tennor Holding entscheidend verändert. „Wir sind finanziell so ausgestattet und gefestigt, wie wir es noch nie waren“, sagt Gegenbauer. Windhorsts Einstieg sei „das Beste, was uns derzeit passieren konnte“.

Aufgemerkt: Hertha-Präsident Werner Gegenbauer spricht bei der Mitgliederversammlung zu den Mitgliedern.
Aufgemerkt: Hertha-Präsident Werner Gegenbauer spricht bei der Mitgliederversammlung zu den Mitgliedern.
© Andreas Gora/dpa

Hertha hat das Geschäftsjahr 2018/19 mit einem Rekordumsatz von 140,8 Millionen Euro abgeschlossen, der Gewinn im operativen Geschäft lag bei 14,6 Millionen Euro. Dass der Klub mit 87,4 Millionen Euro auch einen neuen Höchststand bei den Schulden ausweisen musste, dürfte dank Windhorst nur eine Momentaufnahme sein.

Selbst die Petition aus dem Fanlager für ein neues Stadion ist gut angelaufen. Aber sportlich befindet sich Hertha im Sinkflug: überholt vom aufgestiegenen Stadtrivalen Union und nur noch zwei Pünktchen vom Relegationsplatz entfernt. In den vergangenen vier Spielzeit unter Trainer Pal Dardai stand es nie so brenzlig um Hertha – und das mit einem längst nicht so aufgerüsteten Kader wie derzeit.

„Penner, die nicht verstanden haben, wie wichtig das Derby für uns ist“

Die Mannschaft verfolgt die Mitgliedversammlung im Rang, wird bei der Begrüßung durch Gegenbauer nur kurz erwähnt und nach einer Dreiviertelstunde von ihm schon wieder verabschiedet. Ein einzelner Buhruf ist zu hören. In der Kurve am Samstag war die Stimmung feindlicher.

Als die Mannschaft nach dem Spiel auftaucht, fliegen ihr sogar vereinzelte Getränkebecher entgegen. Einer der Vorsänger hat vor dem Anpfiff das Wort an die Anhänger in der Ostkurve gerichtet: Man singe heute für den Verein und für die eigenen Farben, aber „nicht für die Penner, die nicht verstanden haben, wie wichtig das Derby für uns ist“.

Die Enttäuschung über das verlorene Derby sitzt tief. Selbst als Manager Michael Preetz auf der Mitgliederversammlung über das „mit Abstand schlechteste Saisonspiel“ klagt, gibt es wütende Zwischenrufe und massiven Unmut.

Volle Hütte: Auf Herthas Mitgliederversammlung gab es vieles zu besprechen.
Volle Hütte: Auf Herthas Mitgliederversammlung gab es vieles zu besprechen.
© Andreas Gora/dpa

Bei allem fehlenden Spielglück und einigen diskutablen Schiedsrichterentscheidungen ist auffallend, dass Hertha nicht das liefert, wozu der Kader nach allgemeinem Dafürhalten in der Lage ist. „Wir sind hinter dem Plan“, sagt Preetz. „Wir können mehr, wir wollen mehr.“

Auch weil der Ertrag bisher nicht stimmt, wird jetzt schon über den Trainer diskutiert, jedenfalls bei vielen Anhängern. Als Preetz gefragt wird, wie es wieder aufwärts gehen könne, ruft jemand durch die Messehalle: „Neuer Trainer!“ Ante Covic kann die Diskussion, die besonders durch die Pleite im Derby ausgelöst und durch die dritte Heimspielniederlage gegen Leipzig befeuert worden ist, sogar verstehen. „Ich finde, dass das legitim ist, wenn man nicht die Ausbeute hat“, sagt der 44-Jährige am Rande der Mitgliederversammlung.

Elf Spiele, elf Punkte

Hertha hat in elf Saisonspielen bei sechs Niederlagen nur elf Punkte geholt. „Das haben wir uns anders vorgestellt“, sagt Covic. Aber nicht nur er. Covic war mit dem expliziten Auftrag als Nachfolger von Pal Dardai angestellt worden, die Mannschaft einen deutlich attraktiveren und erfolgreicheren Fußball spielen zu lassen. Knapp drei Monate später ist davon bis auf wenige Halbzeiten nicht viel zu sehen. „Es ist doch normal, dass man anfängt, sich zu hinterfragen“, sagt Covic. Nach einem 2:4 wie gegen Leipzig suche er die Fehler auch bei sich.

Vielleicht ist es ja auch so, dass Hertha sich ein bisschen zu sehr nach dem jeweiligen Gegner ausrichtet. Diesen gänzlich außer Acht zu lassen wäre naiv. Doch schaffen es die Berliner zu selten, ihre eigenen Qualitäten zum Tragen zu bringen. Trotzdem genießt Ante Covic das ungebrochene Vertrauen von Manager Preetz. „Wir haben die Überzeugung in unseren Trainer nach wie vor“, sagt Preetz bei der Mitgliederversammlung. Dieses Vertrauen, sagt Covic, „tut extrem gut“.

Edelfans: Aufsichtsratsmitglied Jürgen Klinsmann (l.) und Investor Lars Windhorst.
Edelfans: Aufsichtsratsmitglied Jürgen Klinsmann (l.) und Investor Lars Windhorst.
© Ottmar Winter

Dass der Manager so unerschütterlich hinter dem Trainer steht, liegt womöglich auch darin begründet, dass Covic vor allem seine Wahl war. Die nächsten Wochen müssen zeigen, inwiefern dieses Vertrauen rechtfertigt war. „Wir müssen wieder dahin kommen, uns für unseren Aufwand zu belohnen“, sagte Covic, das Spielglück erzwingen, wie es Hertha schon einmal geschafft hat. Zwischen dem zweiten und dem vierten Spieltag hat die Mannschaft schon einmal drei Spiele am Stück verloren. Es folgten drei Siege gegen Paderborn, Köln und Düsseldorf – gegen drei Mannschaften, die in der Tabelle alle hinter Hertha liegen.

„Wir müssen in den nächsten Wochen bis Weihnachten punkten“, sagt Manager Preetz. Allerdings ist das Programm happig. Bis auf Augsburg kommen nun nur noch Teams, die vor den Berlinern platziert sind: Dortmund, Frankfurt, Freiburg, Leverkusen und Gladbach. „Wir haben ausreichend Geld, aber zu wenig Punkte im Moment“, sagt Gegenbauer zum Ende der Versammlung. „Bis Weihnachten sollte sich das zweite ändern.“

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