WM 2014 - England und das Aus: Auch Rooney und Gerrard scheitern
England verabschiedet sich erstmals seit 1958 in der WM-Vorrunde. Die Schuldigen hat die heimische Presse schnell ausgemacht: Coach Roy Hodgson und zwei verdienstvolle Spieler.
Der Abpfiff war gerade ertönt, da meldete sich eine große Fußball-Instanz zu Wort, und deren Tonfall fügte sich in die allgemeine Stimmungslage, die irgendwo zwischen Ratlosogkeit und Sarkasmus lag. Sehr englisch eben. „Verdammt typisch“, schrieb Gary Lineker also beim Kurznachrichtendienst „Twitter“ in der ihm so eigenen Flapsigkeit. „Was haben diese Römer jemals für uns getan?“, fragte der frühere englische Nationalspieler noch, und das war natürlich rhetorisch gemeint. Sämtliche historischen Ereignisse mal ausgeklammert, lautete die Erkenntnis anno 2014: nicht mal mehr Schützenhilfe können sie leisten, diese legitimierten Nachfolger der Römer!
Das Ergebnis zwischen den Gruppengegnern Italien und Costa Rica war aus englischer Sicht von überragender Relevanz, weil die Engländer am Donnerstagabend in einem hochklassigen Match gegen Uruguay verloren und sich damit in eine unfreiwillige Abhängigkeit begeben hatten. Nach dem 1:2 am Vorabend musste die Mannschaft von Trainer Roy Hodgson schon auf Siege der Italiener gegen Costa Rica und Uruguay hoffen, um im letzten Gruppenspiel gegen die Mittelamerikaner aus Costa Rica doch noch Chancen auf den Achtelfinaleinzug zu besitzen. Spieler und Trainer sprachen allerdings schon am Donnerstagabend mit derart hängenden Köpfen über diese sehr vage Option, dass schnell klar wurde: so richtig glaubte niemand mehr daran, diese Blamage historischen Ausmaßes noch abwenden zu können. Nach Costa Ricas sensationellem 1:0-Sieg über Italien war das erste englische WM-Aus in der Vorrunde seit 1958 schließlich besiegelt.
Schneller als die Postkarten
Die Engländer sind damit quasi zum Hauptdarsteller eines Witzes geworden, den sie einst selbst geprägt haben: nämlich jenen, wonach manche Teams schneller wieder von einer Weltmeisterschaft nach Hause kommen als ihre Postkarten. Auch Steven Gerrard, der Kapitän der Mannschaft, kennt diesen Witz schon seit seiner Kindheit, nach der Niederlage gegen Uruguay konnte er aber zum ersten Mal nicht darüber lachen. Mit leerem Blick und Händen in den Hosentaschen sprach Englands Kapitän stattdessen über das Geschehene. „Das ist so frustrierend“, sagte Gerrard. „Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem wir nie stehen wollten.“ Entsprechend hämisch und böse fielen die Urteile in den heimischen Zeitungen aus, die einst so stolze Fußball-Nation wütete nach dem desaströsen Ausscheiden. „Moderner Fußball-Skandal“, hieß es im „Daily Mirror“. Und der Schuldige war ebenso schnell wie wenig überraschend ausgemacht: Trainer Roy Hodgson. „Netter Kerl, falscher Trainer: Hodgson muss nach irrem neuen Tiefpunkt entlassen werden“, schrieb die „Daily Mail“. „Kopf hoch, Jungs. Es sind nur 721 Tage bis zur Euro 2016“, spottete die Boulevardzeitung „The Sun“.
Die beiden Symbolfiguren für diese bitteren Abrechnungen unter den Spielern hießen: Steven Gerrard und Wayne Rooney. Der Stürmer von Manchester United schoss nach all der Kritik in den vorangegangenen Tagen endlich das erste seiner Karriere bei einer Weltmeisterschaft gemacht. Nach der Niederlage war er dennoch so enttäuscht, dass er kommentarlos von der Kabine in den Mannschaftsbus schlich. Steven Gerrard hatte zum entscheidenden zweiten Tor von Suárez die unfreiwillige Vorarbeit geleistet. Er lenkte den Ball mit dem Hinterkopf unglücklich weiter. Es war für den 34-Jährigen die traurige Erinnerung an die vergangene Klub-Saison. Auch dort war es ein Fehler von Gerrard, der dem FC Liverpool im Spiel gegen Chelsea die entscheidende Niederlage im Meisterschaftsrennen einbrachte. „Wir können die Rolle von Gerrard nicht ignorieren“, schrieb der „Telegraph“ über den sonst sakrosankten Kapitän der Engländer. „Zeit für eine neue Generation.“
Kritik an Hodgson wird lauter
Steven Gerrard und Wayne Rooney haben nun zwei verschiedene Generationen englischer Fußballer zu einer Weltmeisterschaft geführt. Sie liefen dem Titel schon mit John Terry, Paul Scholes oder Rio Ferdinand vergeblich hinterher und drohten nun auch an der Seite von Nachwuchshoffnungen wie Raheem Sterling und Daniel Sturridge zu scheitern. Dieser Jahrgang weckt in England wieder große Hoffnungen, Roy Hodgson weniger.
Seit seinem Scheitern beim FC Liverpool vor drei Jahren mehren sich die Stimmen, dass der 66-Jährige auch für den Job des Nationaltrainers in seine Methoden zu altbacken und innovationslos sei. Freiwillig gehen will Hodgson nicht. „Natürlich bin ich bitter enttäuscht, aber ich sehe keine Notwendigkeit, zurückzutreten“, sagt er, aber der Verband entscheide. Seine Spieler scheinen hinter ihm zu stehen. Steven Gerrard lobte den Coach und betonte, die Mannschaft sei für das Abschneiden verantwortlich. (Tsp/dpa)