zum Hauptinhalt
Effektiv in der Luft. Andreas Wellinger hat ein neues Leistungsniveau erreicht. Nun ist er ein Mitfavorit in Lahti.
© AFP

Nordische Ski-WM in Lahti: Andreas Wellinger: Perfekt am Tag X

Andreas Wellinger ist in überragender Form und ein Medaillenkandidat bei der Nordischen Ski-WM.

Von Johannes Nedo

In den letzten Tagen vor Beginn der Nordischen Ski-WM ist zu Hause bei Andreas Wellinger in Weißbach noch einmal viel Post eingegangen. In zahlreichen Umschlägen steckten sogar von Kindern gemalte Zeichnungen des Skispringers. „Da macht man die extrem schönen Briefe auf und bekommt einfach nur das Lächeln“, sagt er. Lauter Glückwünsche waren das für ihn, Glückwünsche für eine besondere Erfolgsserie.

In den vergangenen fünf Wochen, seit die Vierschanzentournee zu Ende gegangen ist, hat es Wellinger in acht von zehn Springen auf das Podest geschafft. Ende Januar in Willingen gelang ihm sogar sein zweiter Weltcup-Sieg – drei Jahre nach seinem Premierenerfolg. In den zurückliegenden acht Wettkämpfen war der 21-Jährige nie schlechter als Vierter, bis zur Tournee war seine beste Platzierung in diesem Winter ein zehnter Rang in Lillehammer gewesen. „Ich habe einfach eine geile Skisprung-Form im Moment“, sagt Wellinger. Und die konnte er auf den verschiedensten Schanzen abrufen – auf kleinen wie im südkoreanischen Pyeongchang, auf großen wie in Willingen oder auf der neuen Skiflugschanze in Oberstdorf. „Seit Wochen stellt er sein Flugsystem sehr schnell auf jede Schanze ein und ist so ins Rampenlicht gesprungen“, betont Bundestrainer Werner Schuster.

Darum gilt Wellinger im finnischen Lahti bei seiner dritten Nordischen Ski-WM zum ersten Mal als Kandidat für eine Einzelmedaille, bereits am Samstag auf der Normalschanze (16.30 Uhr/ZDF). „Das ist eine spannende Herausforderung und neu für ihn, so etwas kann man nicht trainieren“, sagt Schuster. Neu ist die Situation, bei einem Großereignis ein Mitfavorit zu sein, auch deshalb, weil der noch amtierende Weltmeister Severin Freund nach seinem Kreuzbandriss seinen Titel nun nicht verteidigen kann und als Leistungsträger der deutschen Mannschaft ausfällt. So konzentrieren sich die Erwartungen noch mehr auf Wellinger.

Schon im Sommer deutete sich Wellingers Aufschwung an

Doch auch der viermalige Weltmeister Martin Schmitt traut Wellinger zu, dass er mit diesem Druck umgehen kann. „Er hat die mentale Stärke. Er fühlt sich in dieser Rolle wohl“, sagt der 39-Jährige, der mittlerweile als TV-Experte tätig ist. „Andreas wächst mit seinen Aufgaben. Ihm gibt das eher Kraft, als dass es ihn beeindruckt. Durch die starken Leistungen in der jüngsten Vergangenheit hat er auch die Sicherheit, am Tag X perfekte Sprünge abzurufen.“ Und so gehört Wellinger für Schmitt zweifellos zu den Favoriten auf den WM-Titel, sowohl auf der kleinen als auch auf der großen Schanze. „Denn er macht einen gefestigten Eindruck und hat sich zuletzt noch mal gesteigert“, betont Schmitt.

Wellinger selbst spricht nicht von Medaillen. Lieber redet er davon, wie er sich seine derzeit überragende Form erarbeitet hat: „Mein Saisonstart war durchwachsen. Ich habe mein Flugsystem dann aber im Januar und Februar stabilisiert.“ Er hat seinen Bewegungsablauf offenbar vor allem in dem Punkt verbessert, dass er nun schneller in die Flugposition kommt und seinen Oberkörper nach dem Absprung nicht mehr so stark aufzieht. So kann er sein hohes Anfahrtstempo – überhaupt gehört Wellinger zu den schnellsten Skispringern in der Anfahrt – noch mehr ausnutzen und verliert in der Luft weniger Geschwindigkeit. Außerdem ist sein Flugsystem effektiver als noch zu Beginn des Winters, weil ihm die V-Stellung der Ski nun sehr synchron gelingt.

Laut Bundestrainer Schuster hätten sich Wellingers Fortschritte bereits während des Sommers angedeutet. „Bei der Tournee hat es aber noch nicht ganz funktioniert“, sagt der Österreicher. „Da waren es nur punktuelle Sprünge.“ Als persönliches Hauptziel gibt Wellinger nun aus: „Dass ich dieses Sprung- und Flugsystem weiter so stabil halte.“ Andererseits ergänzt er: „An den zurückliegenden Ergebnissen kann man auch ablesen, wie viel Spaß mir mein Sport derzeit macht.“ Und zu großem Spaß gehören ja auch WM-Erfolge.

Zur Startseite