Viersatz-Niederlage gegen Dominic Thiem: Alexander Zverev verpasst das Finale der Australian Open
Alexander Zverev startet glänzend in das Halbfinale von Melbourne. Doch letztlich ist der Österreicher Dominic Thiem der etwas bessere Spieler.
Alexander Zverev wollte noch nicht gehen. „Ich möchte hier nicht aufhören. Ich möchte nicht, dass es hier zu Ende ist“, sagte der 22-Jährige am Freitag nach einem spektakulären Halbfinale in Melbourne, seinem ersten bei einem Grand-Slam-Turnier. Aus seiner Stimme klang die Enttäuschung, als er nach fast zwei Wochen bei den Australian Open wieder eine Niederlage kommentieren musste. Gegen Dominic Thiem ließ Zverev im dritten Durchgang zwei Satzbälle aus, verlor zweimal entscheidend die Tiebreaks und musste es trotz eines starken Auftritts seinem österreichischen Kumpel überlassen, Tennis-Geschichte zu schreiben. Mit 6:3, 4:6, 6:7 (3:7), 6:7 (4:7) verlor Zverev gegen den zweimaligen French-Open-Finalisten.
Trotzdem kann Zverev viel Positives für den weiteren Saisonverlauf aus Australien mitnehmen, erstmals hatte er es weiter als bis ins Viertelfinale bei einem der vier wichtigsten Tennis-Turniere der Welt geschafft. In den entscheidenden Momenten einer ausgeglichenen, hochklassigen und mitreißenden Partie habe er aber nicht sein bestes Tennis gespielt, bedauerte der Weltranglisten-Siebte. Bei den wichtigen Ballwechseln war Thiem der bessere Halbfinalist.
Zverev sagte: "Ich will der Beste werden, der ich sein kann"
Nach dem letzten Punkt und einer Spielzeit von 3:42 Stunden umarmte Zverev seinen Gegner Thiem, der nun als erster österreichischer Australian-Open-Finalist am Sonntag (9.30 Uhr, live bei Eurosport) den serbischen Titelverteidiger Novak Djokovic herausfordert. Der Hamburger schulterte seine beiden Tennistaschen und verließ unter dem Applaus der begeisterten 15.000 Zuschauer die Rod-Laver-Arena. „Jeder von uns hätte gewinnen können“, sagte der 26-jährige Thiem und lobte den Verlierer: „Ich denke, wir müssen nicht mehr lange warten bis zu seinem ersten Grand-Slam-Finale. Ich denke, dieses Turnier ist ein großer Durchbruch für ihn.“
Vorerst aber bleibt Rainer Schüttler bislang letzter deutscher Grand-Slam-Finalist bei den Männern, er verlor 2003 in Melbourne im Endspiel gegen den US-Amerikaner Andre Agassi. Den letzten deutschen Grand-Slam-Sieg feierte Boris Becker 1996 Down Under – anders als bei den Frauen mit Angelique Kerber knüpfen die Nachfolger bei den Männern an diese glänzenden Zeiten noch nicht an. Zverevs Anspruch ist aber genau das.
„Ich bin 22. Aber jeder hat seinen eigenen Weg. Es macht nicht wirklich was, was die anderen machen“, sagte er. „Ich will meinen eigenen Weg gehen. Ich will der Beste werden, der ich sein kann.“
Der Hamburger hatte schon zuvor seine Meinung durchgesetzt und auch den Rat des sechsmaligen Grand-Slam-Champions Becker außer Acht gelassen, der einen Trainer-Wechsel für nötig gehalten hatte. Alexander Zverev senior, Vater und Trainer, sah aus der Box, wie sein Sohn den ersten Satz für sich entschied und beeindruckend aufschlug.
Der erste deutsche Grand-Slam-Halbfinalist seit Tommy Haas 2009 wirkte unbeeindruckt von der Kulisse und der Chance, die sich ihm bot. Allerdings präsentierte sich auch der emotionale Zverev auf dem Platz, der sich bei 4:4 im dritten Satz so sehr über eine Linienrichter-Entscheidung ärgerte, dass er eine Verwarnung kassierte und mit dem Schiedsrichter diskutierte.
Als er einen Schmetterball von Thiem mit einem unerreichbaren Überkopf-Schlag von hinter der Grundlinie konterte, tobte das Publikum. Der ATP-Weltmeister von 2018 ließ aber zu viele Breakchancen aus, und war in den langen Grundlinien-Duellen zu oft unterlegen. Zwei Satzbälle Zverevs bei 5:4 im dritten Durchgang wehrte Thiem glänzend ab.
Insgesamt spendete Zverev rund 30.000 Euro für die Opfer der Buschfeuer in Australien
In Melbourne hat Zverev Sympathien gewonnen, nicht nur weil er den Weg aus seiner erschreckenden Formkrise vom Saisonauftakt gefunden hat. Sondern auch durch seine Geste zur Hilfe aufgrund der australischen Buschfeuer. Auf gut 30 000 Euro haben sich seine Spenden am Ende dank seiner fünf Siege summiert. Sein Preisgeld im Vergleich: 632.025 Euro.
Mit Stolz darf sich Zverev von den Australian Open verabschieden. „Seit der dritten Runde habe ich wieder mich selber gefunden auf dem Platz“, sagte Zverev – und verblüffte noch einmal, bevor er ging: „In ein paar Tagen werde ich das Turnier vergessen haben“, sagte der 22-Jährige trotz seines bislang erfolgreichsten Auftritts bei einem Grand-Slam-Event. „Im Tennis muss man ein Kurzzeitgedächtnis haben, bei guten Dingen und bei schlechten Dingen.“ In ein paar Tagen werde er schon wieder auf dem Trainingsplatz stehen – damit es beim nächsten Mal noch besser läuft als bei seinem Halbfinal-Debüt. (dpa)