Nach dem Wimbledon-Aus: Alexander Zverev verkriecht sich
Alexander Zverev setzt nach dem Erstrunden-Aus in Wimbledon nun all seine Hoffnungen auf die US Open.
Alexander Zverev ist am Tag nach dem Erstrunden-Aus in Wimbledon bereits wieder unterwegs. Wohin genau, ist unbekannt. „Ich werde irgendwo sein, wo mich keiner findet“, sagte er noch am Montagabend nach seiner bitteren Vier-Satz-Niederlage gegen den Tschechen Jiri Vesely. Äußerungen wie diese sind bei Grand Slams keine Seltenheit, der 22-Jährige hat sie in der Vergangenheit schon häufiger ähnlich gebraucht. Als er im Vorjahr in der dritten Runde von Wimbledon an Ernests Gulbis aus Lettland scheiterte, sagte er beispielsweise: „Ich bin auf dem Boot in Monte Carlo, ihr werdet mich hier nicht mehr sehen.“ Und auch nach dem Viertelfinale vor ein paar Wochen in Paris bei den French Open kündigte er an, eine Pause machen zu wollen. Die dauerte dann aber nur wenige Tage, Zverev meldete kurzfristig für das Turnier von Stuttgart.
Diesmal wird er aber wohl kaum von seinen Plänen abrücken, theoretisch hätte er nun zwar Zeit für das Heimspiel am Hamburger Rothenbaum eine Woche nach dem Wimbledon-Turnier, aber eine Rückkehr auf Sand ist nicht das, was Spitzenspieler vor der Hartplatzsaison ernsthaft in Erwägung ziehen. In den vergangenen Jahren spielte Zverev stattdessen Ende Juli in Washington und gewann dort zweimal in Folge den Titel. Den Hattrick wird er in diesem Jahr aber wohl nicht anpeilen, wie er am Montag erklärte: „Die Turnier-Organisation hat gewechselt, es gibt einen neuen Chef und der mag mich aus irgendwelchen Gründen nicht so sehr.“
Der Beliebtheitsgrad des Deutschen hält sich bei vielen Tennisinteressierten ohnehin in Grenzen, was zum Teil auch selbstverschuldet ist. Ein großes Thema war sein Scheitern in der englischen Presse oder unter den Besuchern des Turniers in Wimbledon dann auch nicht. Die Fans haben ihr Urteil über ihn offenbar gefällt. „Irgendwas stimmt bei ihm im Kopf nicht“, sagte eine Lady auf dem Weg zur Anlage am Dienstag. Eine andere fein gekleidete Dame wirkte wiederum ehrlich betrübt über Zverevs frühes Turnierende: „Ich mag ihn wirklich gern.“
Zverev ist solche Zuneigung wichtig, er tut sich zuweilen allerdings schwer damit, sein wahres Ich zu zeigen. Wie locker er sein kann, zeigte er im November nach dem Titelgewinn beim ATP-Finale, als er das Publikum mit einer unterhaltsamen Siegerrede immer wieder zum Lachen brachte. Der Höhepunkt in seiner bisherigen Karriere war allerdings auch eine Art Wendepunkt für Zverev. Danach soll es zum Zerwürfnis mit seinem Manager Patricio Apey gekommen sein, der nach Ansicht seines Klienten einfach seinen Job nicht gemacht hätte. „Nach dem Erfolg kommt nun mal die Arbeit“, sagte Zverev in Wimbledon. Mit der war der Deutsche anschließend offenbar unzufrieden und forcierte die Trennung zu Beginn des neuen Jahres.
Seither muss er erkennen, dass Tennis nicht nur ein Spiel, sondern vor allem ein Geschäft ist. Außergerichtlich konnte er sich mit Apey nicht einigen. Und der spielt inzwischen offenbar auf Zeit. Seine Management-Agentur ACE Group sitzt in London und die dortige Gerichtsbarkeit ist derart überlastet, dass ein Termin für eine Verhandlung wohl frühestens im Herbst 2020 angesetzt werden kann. Das zumindest berichtet die englische Zeitung „Telegraph“. Die Arbeit, die ein Manager normalerweise erledigt, obliegt deshalb dem Zverev-Team.
Auch mit Trainer Lendl läuft es nicht
Und auch dort läuft in dieser Saison nicht alles rund. In Wimbledon fehlte Vater Alexander senior, der sich nach seinem Krankenhausaufenthalt vor ein paar Wochen Schonung auferlegt hatte. Dafür war nun Ivan Lendl endlich wieder dabei – und fühlte sich am Montag sichtlich unbehaglich. Auf dem Court No. 1 saß er mit einem Handtuch über den Beinen und fror – angesichts des Spielverlaufs kein Wunder. Nach dem Match stapfte er mit finsterer Miene über die Anlage und schüttelte mit dem Kopf. Wirklich wunschgemäß funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Tennis-Talent und Tennis-Legende derzeit sicher nicht.
In Kürze arbeitet Lendl ein Jahr mit Zverev zusammen, die US Open 2018 waren das erste große gemeinsame Turnier der beiden. Die kommende Auflage Ende August ist nun das neue sportliche Ziel des Deutschen. „Es war kein einfaches Jahr für mich bisher. Aber jeder Topspieler kennt das“, sagte Zverev. Und das vierte Grand-Slam-Turnier des Jahres in New York war ohnehin für ihn als endgültiger Durchbruch bei den Top-Events gedacht. Das bestätigte er am Montag in Wimbledon noch einmal. Ob es klappt, bleibt abzuwarten. Zumindest hat Zverev nun mehr Zeit darauf hinzuarbeiten und Dinge zu bewältigen, die ihn neben dem Platz beschäftigen.
Dass es irgendwann wieder aufwärts geht, davon ist auch Angelique Kerber überzeugt. "Es ist nicht einfach, auf den Platz zu gehen, wenn man außerhalb Probleme hat. Aber ich bin zuversichtlich, dass er da wieder rauskommt", sagte die Wimbledonsiegerin nach ihrem Erstrundenerfolg am Dienstag.
Gelingt ihm das und schöpft er in New York tasächlich einmal sein Potenzial auch bei einem großen Turnier aus, muss er sich anschließend auch nicht mehr verkriechen. Das zumindest wäre mal eine schöne Abwechslung in Alexander Zverevs Grand-Slam-Karriere.