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Der weitere Betrieb der Fachhochschule, zum Beispiel als Kulturzentrum, würde 550.000 Euro kosten.
© A. Klaer

Stadtparlament Potsdam stimmt für Umbau der Mitte: Zunehmend aggressiv

Nach einer Redeschlacht besiegelte die Mehrheit im Stadtparlament die Pläne zur Potsdamer Mitte - und bestätigte den Abriss des Fachhochschul-Gebäudes. Der CDU-Fraktionschef Matthias Finken griff zuvor Gegner des FH-Abrisses an.

Potsdam - Der Konflikt um die Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte wird offenbar zunehmend aggressiv in der Öffentlichkeit ausgetragen. So sollen sowohl Gegner als auch Befürworter des Wiederaufbaus Ziel von verbalen Attacken geworden sein. Mit seinem Redebeitrag dazu sorgte CDU-Fraktionschef Matthias Finken am Mittwoch im Stadtparlament für große Empörung.

Infobox-Mitarbeiter angepöbelt

Finken warf Unterstützern des Bürgerbegehrens zum Erhalt von DDR-Bauten rund um den Alten Markt „extrem aggressives Verhalten“ vor. So seien Mitarbeiter des kommunalen Sanierungsträgers in der neu aufgestellten Info-Box zur Zukunft der Mitte von Gegnern des Abrisses der Fachhochschule angepöbelt worden. „Das ist eine Form von Gewalt, die wir ablehnen“, sagte Finken. Auch Gewalt von links sei „keine gute Gewalt“. Wer die politische Verantwortung dafür trage, brauche er an dieser Stelle nicht weiter auszuführen, sagte Finken am Mittwoch vor den Stadtverordneten.

Die gewählten Kommunalpolitiker lieferten sich eine mehr als einstündige, erbitterte Redeschlacht zum geplanten und dann auch von einer klaren Mehrheit im Stadtparlament erneut bestätigten Abriss des maroden Fachhochschul-Baus.

Linken-Politiker Scharfenberg: Finken habe sich einen peinlichen Beitrag geleistet

Während der Rede Finkens gab es empörte Zwischenrufe vonseiten der Linken und der Fraktion Die Andere, die das laufende Bürgerbegehren der Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ unterstützen. Einen „peinlichen Beitrag“ habe sich Finken geleistet, kritisierte Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Linke-Kreischef Sascha Krämer sprach gegenüber den PNN von einer „bodenlosen Frechheit“, Bürgerbeteiligung werde so kriminalisiert. Initiativensprecher André Tomczak nannte es auf Anfrage bemerkenswert, mit welchen Unterstellungen gearbeitet werde, das Anliegen des Bürgerbegehrens zu diskreditieren.

Eine Sprecherin des Sanierungsträgers bestätigte am Mittwochabend allerdings, dass speziell an den vergangenen beiden Wochenenden  Abrissgegner Mitarbeiter in der Box am Alten Markt beleidigt hätten, diese seien zum Beispiel als „Verbrecher und Lügner“ bezeichnet worden. In zwei Fällen seien die Kritiker wegen Pöbeleien des Hauses verwiesen worden. Strafanzeigen habe man nicht gestellt, allerdings hätten die Mitarbeiter vor Ort inzwischen die Rufnummer einer Sicherheitsfirma für Notfälle erhalten. Ebenso hätten Abrissgegner verbal andere Besucher angegriffen, die sich informieren wollten. Ob diese Angriffe von Mitgliedern der Initiative selbst ausgingen, wisse man natürlich nicht, so die Sprecherin.

Auch die FH-Befürworter werden beschimpft

Im Stadtparlament wiederum sagte Anja Heigel von der Fraktion Die Andere, auch, die Abrissgegner müssten sich beim Sammeln der Unterschriften Beschimpfungen von Anhängern des FH-Abrisses anhören. Zudem erklärte sie, dass sich Mitarbeiter der Stadtverwaltung nicht mehr trauen würden das Bürgerbegehren zu unterschreiben – was ein Stadtsprecher auf Anfrage bestritt: „Das ist Unsinn. Wir machen keine Gesinnungskontrolle.“

Nach einem Monat sind mehr als 14 000 Unterschriften für das Bürgerbegehren zusammengekommen, in dem ein Verkaufsstopp für kommunale Grundstücke rund um den Alten Markt und der Verzicht auf öffentliche Gelder für etwaige Abrissmaßnahmen gefordert werden. Die Stadtspitze hat mehrfach gewarnt, würden diese Forderungen erfüllt, wäre das mit einem Entwicklungsstopp in der Mitte verbunden. 14 000 gültige Unterschriften sind für ein erfolgreiches Bürgerbegehren notwendig.

Mit der Unterschriftensammlung soll letztlich ein Bürgerentscheid zur Entwicklung der Mitte erzwungen werden. Angesichts dessen verlangten Linke und Die Andere, mit der Entscheidung über das Gestaltungskonzept für das FH-Areal zu warten – vergeblich. Letztlich stimmten SPD, CDU/ANW, Grüne, Bürgerbündnis/FDP und AfD für die Weiterführung des bereits 2010 aufgelegten Leitbautenkonzept zur Wiedergewinnung der historischen Potsdamer Mitte. Mit 33 zu 18 Stimmen fiel die Mehrheit deutlich aus.

Schöll: "Gesamtliche geschichtliche Phase der Stadt ausgelöscht"

Die Debatte eröffnet hatte der Architekt Ekkehart Schöll von den Initiatoren des Begehrens. Er kritisierte, mit den Plänen für die Mitte werde eine gesamte geschichtliche Phase der Stadt ausgelöscht, „die Nachkriegsmoderne“. Die Kostenschätzung der Stadt zur Sanierung der FH – mindestens 33 Millionen Euro – sei willkürlich, kritisierte Schöll. Dagegen warf Jakobs den Kritikern des FH-Abrisses vor, keine inhaltlichen Alternativen vorzulegen. Bekanntlich wird das Gebäude ab Herbst 2017 leer stehen, die Studenten ziehen in einen Neubau in der Pappelallee. Saskia Hüneke von den Grünen wiederum sagte, sollte die FH dann als Kulturstätte genutzt werden, würden wiederum anderen Kulturträgern die finanziellen Mittel abgegraben. Dagegen sagte der Linken-Stadtverordneten Matthias Lack, es gäbe Dutzende Ideen zur Neugestaltung. SPD-Fraktionsvize Pete Heuer antworte, es gäbe nur Behauptungen, dass Alternativen möglich seien. Nicht mehr benötigt würden weitere Orte für Kultur, Wissenschaft und Austausch – allein in der Innenstadt seien dafür schon 47 Standorte vorhanden. Nicht mehr benötigte Gebäude könnten auch abgerissen werden, so Heuer. Der Linke-Abgeordnete und Bauausschusschef Ralf Jäkel kritisierte, die Verwahrlosung der FH sei mit Absicht herbeigeführt worden.

Doch es nützte nichts. Nun soll noch bei einer Bürgerversammlung über die weiteren Pläne informiert werden, beschlossen die Stadtverordneten. Die Linken hatten eine solche Versammlung allerdings vor dem nun gefassten Beschluss gefordert –vergeblich.

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