Geoforschung aus Potsdam: Wohin mit regenerativen Überschüssen?
An sonnig-windigen Tagen erzeugen die erneuerbaren Energien Überschüsse. Ob und wie diese Energie in Brandenburgs Böden gespeichert werden kann, untersuchen nun Potsdamer Geoforscher.
Potsdam - Es gibt diese Tage, an denen es draußen duster ist und kein Wind weht – vor allem im Winter. Inversionswetterlage nennen das die Meteorologen, sie hinterlässt nicht nur Smog in den Städten, auch geht die Energieausbeute von Wind und Sonnenenergie dadurch rapide zurück. Im Zuge der Energiewende müssen für solche sogenannten „Dunkelflauten“ weiter Kohle- und Gaskraftwerke in Reserve gehalten werden. Doch eigentlich gibt es ausreichend Sonnen- und Windenergie, nur nicht immer dann, wenn sie gebraucht wird. Damit an sonnigen und windigen Tagen dieser Überschuss nicht einfach abgeregelt werden muss – wofür die Verbraucher trotzdem zahlen müssen –, sind nun neue, innovative Technologien zur Energiespeicherung gefragt.
GROSSE KAPAZITÄTEN
Das Deutsche Geoforschungszentrum in Potsdam (GFZ), an dem am heutige Mittwoch der 2. Brandenburger Energiespeichertag stattfindet, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auf diesem Gebiet an die Spitze der Entwicklung gesetzt. Erfahrungen mit dem Thema hat man reichlich. Erst jüngst wurde das Langzeitexperiment zur unterirdischen Kohlendioxid-Speicherung in Ketzin (Havelland) mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass sich in Norddeutschland – gerade auch in Brandenburg – in unterirdischen Gesteinsschichten Gase einlagern und auch wieder hervorholen lassen.
Was mit dem Treibhausgas Kohlendioxid erprobt wurde, ist auch mit Energiegasen wie Methan oder Wasserstoff möglich, erklärt GFZ-Leiter Reinhard Hüttl. So könnte man unterirdische Speicher für überschüssige Energie aus erneuerbaren Quellen anlegen lassen. Mithilfe der Elektrolyse kann aus dem überflüssigen Strom Wasserstoffgas hergestellt werden. Das kann dann für die „Dunkelflauten“ im Winter eingelagert werden, um es beispielsweise in Gaskraftwerken zu verstromen – bekannt ist das Verfahren als „Power-to-Gas“.
Eine andere Option ist, mithilfe der überschüssigen Energie Wasser in ein Reservoir auf einen Berg zu pumpen und bei Bedarf damit Energieturbinen anzutreiben. Solche Pumpspeicher lassen sich aber nur in begrenzter Zahl errichten. Eine weitere Alternative sind Batterien und Akkumulatoren zur Stromspeicherung. Doch Hüttl rät davon aufgrund der giftigen Chemikalien ab. „Ich weiß nicht, ob das auf Dauer der Weg ist, den wir gehen wollen.“ Der GFZ-Chef, der bis Mitte Februar acht Jahre lang auch die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften „acatech“ geleitet hat, empfiehlt vielmehr, die geologischen Speichertechnologien zusammen mit der Geothermien zum zentralen Baustein der Energiewende zu machen. Im Gegensatz zu allen anderen Speichern habe der Erdboden die größten Kapazitäten. „Eine nachhaltige und stabile Energieversorgung braucht Speicher“, so das GFZ. Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) sprach in diesem Zusammenhang davon, dass Brandenburg zum Energiespeicherland werden soll.
ERDGAS AUS KOHLENDIOXID
Das durch Wind und Sonne erzeugte Wasserstoffgas kann teilweise sogar direkt ins Erdgasnetz eingespeist werden, Hüttl rechnet mit 5 bis 10 Prozent, der Rest kann zur weiteren Nutzung im Untergrund gespeichert werden. Der Untergrund in Norddeutschland eigne sich hervorragend dazu, so die Geoforscher. Die Gase lassen sich in Kavernen oder dichtem, porösem Gestein – salinen Aquiferen wie beispielsweise bei Ketzin – einspeisen. In Ketzin hatten die GFZ-Forscher anhand von CO2 den gesamten Speicherzyklus erfolgreich erprobt. In Potsdam sei dazu die weltweit beste Sensorik zur Überwachung entwickelt worden, die nun international eingesetzt werde, so Hüttl.
„Im Untergrund lassen sich große Mengen Gas speichern – und zwar langfristig“, lautet das Fazit des Bodenwissenschaftlers. „Der Trick ist, dass das Gas wieder herausgeholt werden kann“, erklärt Hüttl. Dann lasse sich beispielsweise in Verbindung mit CO2 synthetisch Methan herstellen, das als Erdgas genutzt werden kann. GFZ-Forscher haben dazu bereits ein Patent angemeldet.
Brandenburg sei schon heute ein Labor für die Energieversorgung, so Hüttl. Die Fragen der Netze, Speicher und Transformation von herkömmlicher zur regenerativer Energie seien aber noch nicht wirklich gelöst. Projekte, die nun auf die Schiene gebracht wurden, laufen rund zehn Jahre. Es wird also noch dauern, bis ein umfassender Wandel eingeleitet ist. Die Energiewende sei mehr als eine Stromwende: Vor allem sei auch eine Wärmewende nötig, so Hüttl. Der Stromanteil am Energieverbrauch betrage nur etwa 20 Prozent, beim Verkehr sind es 30 Prozent und bei der Wärme immerhin rund 50 Prozent. „Das ist der ganz große Bereich.“
Etwa 12 Prozent der Primärenergien kommen aktuell aus erneuerbaren Energien. „Das heißt, dass immer noch rund 88 Prozent aus konventionellen Georessourcen stammen“, gibt Bodenwissenschaftler Hüttl zu bedenken. Nach wie vor seien über 95 Prozent der Wärme in Berlin fossilen Ursprungs – 24 Prozent davon aus heimischen Georessourcen wie etwa der Braunkohle. Da ist also noch viel zu tun. Doch trotz des Ziels der Energiewende hält Hüttl auch diese Ressourcen weiterhin für wichtig. „In einer volatiler werdenden Welt ist das sicherlich etwas, das man im Hinterkopf behalten sollte, zumindest als Option, die man unter schwierigen Bedingungen zum Einsatz bringen kann.“ Hinzu komme, dass aktuell auch etwa die Hälfte des deutschen Holzeinschlags für Wärme genutzt würde. „Das ist eine bemerkenswerte Entwicklung“, schätzt Hüttl. Deutschland verfüge über den größten Holzvorrat Europas.
HEIZEN AUS DER TIEFE
Die Geoforscher haben weitere Methoden entwickelt, um den Untergrund als Energiespeicher zu nutzen, so auch als thermischen Speicher. Bereits seit dem Jahr 2000 wird am Berliner Bundestag im Sommer, wenn das Biomassekraftwerk zu viel Energie produziert, diese als heißes Wasser unter die Erde gepumpt. Im Winter wird es zum Heizen wieder hervorgeholt. Umgekehrt wird Winterkälte unterirdisch eingelagert, um im Sommer Räume zu klimatisieren. Hüttl spricht von Rückholraten von über 70 Prozent bei der Wärme. Ein ähnliches Pilotprojekt ist mit der TU Berlin 2016 angelaufen.
Hinzu kommt die Geothermie, deren Einsatz am GFZ seit vielen Jahren erforscht wird. Wärme aus dem oberen Bereich der Erdkruste wird dabei genutzt. Ihr Vorteil: Sie ist im Gegensatz zu Wind und Sonne immer verfügbar, man spricht von grundlastfähig. Potsdams Geoforscher haben dazu einen langfristigen Forschungsstandort im brandenburgischen Groß Schönebeck, wo aktuell eine neues Verfahren der 3D-Seismik eingesetzt wird. Geothermie wird immer bedeutender: Die Großstadt München will bis 2040 in der Fernwärme bis zu 100 Prozent aus regenerativen Energien decken. Geothermie spiele dabei eine zentrale Rolle. „Auch Brandenburg ist ein Geothermieland“, sagt Hüttl. Und das GFZ könne bei Bedarf die Forschung dazu ausbauen.
UMSTRITTENES CCS
Das Klimaziel des Weltklima-Vertrags von Paris hat die Diskussion um die unterirdische Speicherung des Treibhausgases Kohlendioxid in der Wissenschaft neu aufleben lassen – viele halten das umstrittene CCS-Verfahren (Carbondioxide Capture and Storage) mittlerweile für unabdingbar, wenn man die globale Temperatur unter zwei Grad begrenzen will. „Neben der Nutzung des Kohlendioxid wird es ohne eine Speicherung zumindest für einen bestimmten Zeitraum nicht funktionieren“, so auch Hüttls Auffassung. Das gelte vor allem auch für Emissionen der Zement- und Schwerindustrie.
Eigentlich hatte das GFZ eine CCS-Demonstrationsanlage in der Altmark geplant. Aufgrund der öffentlichen Ablehnung habe man das Vorhaben aber abgesagt. CCS würde nun vor allem von Kanada, Australien und China realisiert. „Wir verlieren etwas von dem Knowhow-Vorsprung, den wir eigentlich haben“, warnt Hüttl. CCS und auch die Nutzung von CO2 (CCU) seien wichtig, um am Ende eine Kohlenstoffkreislaufwirtschaft zu etablieren. „Mit dem Ziel, das CO2 dort wieder hinzubringen, wo wir es am Anfang her hatten, nämlich unter den Boden.“ Natürlich gebe es keine Technologie ohne Risiken, weiß auch Hüttl. „Damit müssen wir uns auseinandersetzen.“ So sind beispielsweise bei Geothermie-Bohrungen bereits kleine Erdbeben und statisch relevante Bodenhebungen aufgetaucht. Bei der unterirdischen Erdgasspeicherung war in den USA 2016 ein Leck aufgetaucht. GFZ-Forscher halten ein ähnliches Leck in Deutschland allerdings aufgrund der umfassenden Bohrungsüberwachungen für unrealistisch. Unter der Berliner Heerstraße lagern seit vielen Jahren große Mengen Erdgas zur Energieversorgung der Hauptstadt.
GFZ-Chef Hüttl warnt indes auch vor einer Fortschrittsfeindlichkeit. Die Forschung erarbeite Optionen. Ob sie umgesetzt werden, müsse letztlich die Gesellschaft entscheiden. „Aber wenn wir nicht mehr in Lage versetzt werden, diese Optionen zu erarbeiten, haben wir gar nicht mehr die Fakten, auf deren Grundlage wir uns entscheiden können.“
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