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Geldübergabe vor Ruinen. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) übergab den Fördermittelbescheid auf dem Ex-Kasernenareal an Stadtwerke-Chefin Sophia Eltrop. 
© Sebastian Rost

Neuer Stadtteil in Potsdam: Wie Krampnitz das Klima schützen soll

Das Energiekonzept für das Ex-Kasernengelände wird mit mehr als fünf Millionen Euro gefördert. Doch viele Fragen zur Entwicklung des neuen Stadtteils sind offen – die Potsdamer Kommunalpolitik hat Diskussionsbedarf.

Potsdam - Für ein möglichst klimafreundliches Fernwärmesystem im künftigen Potsdamer Stadtteil Krampnitz erhalten die Stadtwerke mehr als 5,4 Millionen Euro Fördermittel. Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) und Vertreter der Brandenburger Investitionsbank (ILB) übergaben den Förderbescheid am Montag vor Ort. Das Geld stammt aus dem Energie-Förderprogramm „Renplus“, das aus Mitteln des Landes sowie des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gespeist wird. Steinbach erklärte, um Klimaziele im urbanen Raum erreichen zu können, komme kohlendioxidarmen Wärmenetzen wie für Krampnitz geplant eine Schlüsselstellung zu.

Was wird genau gefördert?

Gefördert werden konkret eine Solar- und eine Geothermieanlage sowie eine Abwasserwärmepumpe mit einer Gesamtleistung von 2100 Kilowatt. Ferner sind in der Förderung ein fünf Kilometer langes Wärmenetz und ein Wärmespeicher mit einer Fläche von 750 Kubikmeter enthalten. „Wird etwa im Sommer wenig Wärme gebraucht, übernimmt der Speicher die Versorgung vollständig“, erklären die Stadtwerke. Dann könnten die Wärmeerzeugungsanlagen vorübergehend abgeschaltet werden. Der Speicher funktioniere damit wie eine Art Thermoskanne. Das Wärmenetz wiederum sei so ausgelegt, dass weniger Energie eingesetzt werden müsse, auch durch eine enge Kopplung mit der Haus- und Gebäudetechnik.

In den Broschüren der Stadtwerke heißt es, das vorliegende Konzept sei auf 7000 Bewohner ausgelegt, lasse sich jedoch erweitern. Das Ziel: „Bewohner werden von Anfang an flächendeckend CO2-neutral und ab 2040/2050 auch fossilfrei mit Energie versorgt.“ Die Energie werde vor Ort erzeugt und auch genutzt. Die Erschließungsarbeiten sollen Mitte 2021 starten. Vorher wird ein ehemaliges Heizhaus zu einer Energiezentrale umgebaut. Insgesamt will die Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP) vor Ort rund 90 Millionen Euro investieren, hieß es – auch in die Wasserversorgung. Der jetzige Förderbescheid decke zumindest beim Thema Energie rund ein Drittel der Kosten, sagte ILB-Chef Tillmann Stenger.

Noch wendet die Tram 96 am Campus Jungfernsee, ab 2029 soll sie von dort nach Krampnitz und Neu Fahrland fahren. 
Noch wendet die Tram 96 am Campus Jungfernsee, ab 2029 soll sie von dort nach Krampnitz und Neu Fahrland fahren. 
© Andreas Klaer

Gibt es eine Lösung für die Verkehrsanbindung des neuen Stadtviertels?

Offizielle Pläne gibt es, doch es stellen sich noch immer viele Fragen: Im Norden der Stadt und in Spandau fürchten viele einen Dauerstau. Die Bauverwaltung setzt hingegen auf den Bau einer Straßenbahn. Dazu hatte im Juli ein Onlinedialog zur Bürgerbeteiligung begonnen, der noch bis zum 20. September läuft. Die Zahl der Hinweise der Potsdamer zur neuen Tramtrasse ist bisher mit 68 Vorschlägen überschaubar. Auf sieben Kilometern soll die Strecke ab 2029 von der jetzigen Endhaltestelle am Campus Jungfernsee über die Insel Neu Fahrland durch Krampnitz nach Fahrland führen. Inzwischen hat die Entwurfs- und Genehmigungsplanung begonnen, bis Ende 2021 soll dies abgeschlossen und eine Finanzierung gefunden sein. Krampnitz ist als autoarmes Viertel geplant, pro Wohnung steht rechnerisch ein halber Parkplatz zur Verfügung.

Wie hoch werden die Krampnitz-Mieten?

Das steht im Detail noch nicht fest. Doch auch dieser Punkt sorgt für Unbehagen. So haben Linke und SPD für die Stadtverordnetenversammlung am 16. September einen Antrag eingebracht, wonach die Stadtspitze erneut mit der Deutschen Wohnen AG verhandeln soll, die derzeit der größte Privatinvestor vor Ort ist. Dabei geht es um 1800 Wohnungen. Das Ziel der Gespräche soll sein, dass die in Berlin ansässige Aktiengesellschaft möglichst auch belegungsgebundene Wohnungen und Wohnungen im mietpreisgedämpften Segment ausweist.

Rückblick: Das Unternehmen hatte 2017, als mit seiner Hilfe ein langwieriger juristischer Konflikt um das Ex-Kasernengelände aufgelöst worden war, eine Durchschnittsmiete von 8,50 Euro pro Quadratmeter in Aussicht gestellt. Das ist auch in den damaligen Verträgen als kalkuliertes Ziel formuliert, jedoch nicht bindend. Und so sind bislang nach Angaben der Deutschen Wohnen AG keine Sozialwohnungen vorgesehen, die Miethöhen sind noch unklar.

Vor diesem Hintergrund hatten die Stadtverordneten schon 2018 Zusatzverhandlungen für möglichst preiswerte Mieten beschlossen. Im Ergebnis hatte die Bauverwaltung damals mitgeteilt, zu „weiteren vertraglichen Regelungen zur Einhaltung der kalkulierten Zielmiete war die Deutsche Wohnen aufgrund der wirtschaftlichen Risiken und den vagen Entwicklungsaussichten zum Zeitpunkte des Vertragsabschlusses nicht bereit“. Für eine Verpflichtung des Eigentümers zur Einhaltung der kalkulierten Zielmiete gäbe es „somit keine rechtlichen Möglichkeiten“. Insofern sind auch die Erfolgsaussichten der neuen Initiative vermutlich eher gering, zumal die Deutsche Wohnen auch im denkmalgeschützten Bestand der ehemaligen Kasernenanlage saniert, was als aufwendiger als ein Neubau gilt.

Allerdings setzt das Rathaus auch darauf, dass die weiteren Wohnungen in Krampnitz unter anderem von der kommunalen Pro Potsdam und den Genossenschaften gebaut werden. So will man perspektivisch auch eine Förderung für den sozialen Wohnungsbau in Anspruch nehmen – jedoch erst nach 2029, wenn es um die nächste Ausbaustufe von Krampnitz von 5000 auf 10 000 Bewohner geht. Am Ende der Entwicklung sind demnach 25 Prozent Sozialwohnungen geplant, hatte das Rathaus zuletzt vorgerechnet.

Wer hat welche Interessen am Quartier Krampnitz?

Die Stadtverwaltung hat ein immenses Interesse an dem Projekt. Bei vollständiger Umsetzung rechnet man mit 4500 neuen Arbeitsplätzen und 22 Millionen Euro Steuereinnahmen mehr pro Jahr. Das geht aus der Antwort der Bauverwaltung auf eine Anfrage der AfD hervor. Die Stadt beruft sich dabei auf eine vom kommunalen Entwicklungsträger für Krampnitz beauftragten Studie zu erwarteten sozioökonomischen Effekten.

„Neben der Wertschöpfung während der Bauphase wird diese langfristig in Krampnitz entstehende Beschäftigung eine Bruttowertschöpfung von circa 285 Millionen Euro jährlich erzielen“, zitiert das Rathaus daraus. Da es in Potsdam an anderen Standorten für die vorgesehene dichte Wohnbebauung fehle, könnten diese positiven wirtschaftlichen und fiskalischen Effekte ohne Krampnitz nicht erzielt werden. Zuzügler würden dann ins Potsdamer Umland ziehen, so die Bauverwaltung – „was sowohl ein höheres Pendleraufkommen als auch eine höhere Wohnkostenbelastung für Potsdamer Haushalte nach sich ziehen würde“. Denn ohne Krampnitz mit seinen langfristig geplanten 10 000 Bewohnern würde der ohnehin seit Jahren angespannte Potsdamer Wohnungsmarkt keine Entlastung erhalten.

Vor diesem Hintergrund will nun die alternative Fraktion Die Andere den Grundsatzbeschluss für Krampnitz im Stadtparlament erneuern. Dabei sollen laut dem Antragstext die Kommunalpolitiker auf die maximale Ausbaugröße von 10 000 Bewohnern eingeschworen werden. Denn nur ein Stadtteil „mit eigenen Versorgungsstrukturen und kurzen Wegen“ könne auch Bedarfe der benachbarten Ortsteile aufnehmen und „dadurch überflüssigen Verkehr reduzieren“, findet Die Andere. Doch dafür sei eine Mindestgröße notwendig, auch zur Ansiedlung von zusätzlicher Infrastruktur. Dieser Vorstoß wird am morgigen Mittwoch im Hauptausschuss behandelt. Demnach sollen auch mindestens 2500 der geplanten Wohnungen in städtischer Hand bleiben, will die Fraktion Die Andere festschreiben lassen.

Könnte das Vorhaben Krampnitz noch gestoppt werden?

Angesichts der vielen Vorplanungen und Fördermittelzusagen scheint das nur schwer vorstellbar. So hatte die Stadt im vergangenen Jahr bereits vier Millionen Euro Förderung für eine dort geplante Schule erhalten. Allerdings prüft die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg noch immer, ob das Vorhaben mit der Landesentwicklungsplanung verträglich ist. Das sagte eine Sprecherin des brandenburgischen Infrastrukturministeriums auf PNN-Anfrage. Die Zulässigkeit stehe unter dem Vorbehalt eines tragfähigen Verkehrskonzepts sowie einer Untersuchung der Emissionswirkungen, die durch das Vorhaben entstehen, so die Sprecherin. Die Stadt habe inzwischen entsprechende Unterlagen eingereicht: „Diese werden geprüft.“

Blick auf den Krampnitzsee.
Blick auf den Krampnitzsee.
© Foto (Archiv): Andreas Klaer

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