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Heruntergekühlt. Hagen Pohle erhält von seinem Trainer Ronald Weigel während des WM-Rennens in Doha Wasser gereicht. Für Olympia nächstes Jahr soll ein Ortswechsel gegen die schwüle Hitze helfen. 
© imago/Chai v.d. Laage

Marathon und Gehen soll bei Olympia 2020 von Tokio nach Sapporo verlegt werden: Wie das Eingeständnis einer offensichtlichen Fehlplanung

Nach den Erfahrungen der WM in Doha sollen nun bei Olympia 2020 die Leichtathletik-Straßenrennen wegen des Klimas von Tokio nach Sapporo verlegt werden. In Potsdam herrscht darüber geteilte Meinung. Zumal für viele Athleten das Dilemma bleibt. 

Das Schicksal des Potsdamers Nils Brembach und vieler weiterer Geher sowie Marathonläufer bei den diesjährigen Weltmeisterschaften in Doha hat beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zum Umdenken geführt. Wie das IOC mitteilte, sollen bei den Sommerspielen 2020 die Leichtathletik-Straßenwettbewerbe nicht in Tokio stattfinden, sondern ins 800 Kilometer nördlich gelegene Sapporo verlegt werden. IOC-Präsident Thomas Bach betonte, dass die Gesundheit und das Wohlergehen der Sportler im Mittelpunkt stünden: „Die neuen, weitreichenden Ankündigungen, den Marathon und die Rennen der Geher zu verlegen, zeigen, wie ernst wir die Sorgen nehmen.“

Abtransportiert. Wie der britische Geher Tom Bosworth fanden sich in Doha viele Leichtathleten völlig entkräftet in Rollstühlen wieder. 
Abtransportiert. Wie der britische Geher Tom Bosworth fanden sich in Doha viele Leichtathleten völlig entkräftet in Rollstühlen wieder. 
© MUSTAFA ABUMUNES/AFP

Bei der WM in Doha waren aufgrund hoher Temperaturen (über 30 Grad Celsius) und Luftfeuchtigkeit (rund 75 Prozent) zahlreiche Aktive kollabiert, darunter Brembach. In Tokio drohen nächstes Jahr sogar noch heftigere Bedingungen. Zur Zeit der Spiele (24. Juli bis 9. August) herrschen in der Regel Spitzenwerte von 35 Grad und mehr, hinzu kommt ebenfalls sehr feuchte Luft, war für ein drückendes, schwüles Klima sorgt. In Sapporo, auf der Insel Hokkaido, liegen die Tagestemperaturen im Hochsommer um fünf bis sechs Grad unter denen Tokios. Zudem ist in der Ausrichterstadt der Olympischen Winterspiele 1972 die Luftfeuchtigkeit deutlich geringer.

Der mögliche Ortswechsel für die Leichtathletik-Straßenrennen steht im Mittelpunkt einer Sondersitzung vom 30. Oktober bis 1. November in Tokio. Das IOC wird das Thema mit der Gastgeberstadt, mit dem Weltverband, den Nationalen Olympischen Komitees und den Fernsehanstalten diskutieren. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, spricht von einem „ermutigenden Signal“, dass auf die besorgniserregenden Vorfälle in Katar reagiert werde und eine Entscheidung „im Sinne der Sportler“ erfolgen solle. 

Zum Wohle der Gesundheit, auf Kosten des olympischen Geistes

Auch aus Potsdam gibt es Unterstützung für die Idee. „Ich fände das gut, denn es geht um die Gesundheit der Athleten – und die muss im Fokus stehen“, sagt Geher Hagen Pohle, der bei der WM Rang 17 über 20 Kilometer belegt hatte und anschließend die Ausrichtung eines Wettkampfes unter solchen Bedingungen kritisierte. „Bilder wie von dort, als die Leute reihenweise umgekippt sind, braucht niemand. Das schadet dem Sport“, meint er. Er befürwortet die Verlegung zudem hinsichtlich der zu erwartenden Leistungen. In Doha waren die Siegerzeiten im Gehen und Frauen-Marathon historisch schlecht. „Wenn der Wettkampf bei vernünftigen äußeren Umständen ausgetragen wird, setzt sich am Ende auch der Beste dieser Disziplin durch. Und nicht derjenige, der am besten die Extreme beherrscht.“

Befürworter. Der Potsdamer Geher Hagen Pohle hält eine Verlegung des Wettkampfortes für richtig. 
Befürworter. Der Potsdamer Geher Hagen Pohle hält eine Verlegung des Wettkampfortes für richtig. 
© Gerhard Pohl

Mit einem Aspekt aber hadert Pohle etwas: „800 Kilometer von Tokio entfernt wird man wohl vom olympischen Geist nichts so richtig spüren.“ Er hoffe jedoch, dass in der Wintersport-Region, wo regelmäßig Weltcups (etwa im Nordischen Skisport) stattfinden, die Menschen auch für die langen Leichtathletik-Disziplinen Begeisterung zeigen und eine gute Atmosphäre erzeugen.

TV-Anstalten wollten Spiele im Sommer statt im Herbst

Die Kehrtwende in der Leichtathletik scheint wie das Eingeständnis einer offensichtlichen Olympia-Fehlplanung. Anders als bei Tokios ersten Sommerspielen 1964 steigt die zweite Auflage dort nicht im Herbst, sondern in der heißesten Phase des Jahres. Warum? Weil sich das IOC dem Wunsch der internationalen TV-Anstalten (allen voran den US-amerikanischen) beugte – sie zahlen Milliarden Euro für Übertragungsrechte und bestanden auf die für sie bessere Zeit im Sommer. 

Und am Ende haben die Sportler das Dilemma. Geher und Marathonläufer vielleicht nicht mehr. Aber dafür andere Ausdauerathleten wie die Straßenradfahrer, Ruderer und Triathleten. Selbst den Freiwasserschwimmern wird wohl kein Aufenthalt im kühlen Nass bevorstehen. Potsdams Triathletin Laura Lindemann berichtete nach ihrem Testevent in Tokio Mitte August, dass allein das Wasser um die 30 Grad hatte. Die abschließende Laufstrecke wurde beim Test für Lindemann & Co. sogar halbiert. Trotzdem erlitt die Französin Cassandre Beaugrand einen Hitzschlag. Auch bei den Junioren-Ruder-Weltmeisterschaften im August kam es zu Zusammenbrüchen.

Keine guten Vorzeichen. So drohen dann Bilder von kollabierenden Sportlern unter den fünf Ringen. 

+++ WM-Vierter Christopher Linke hält nichts von Verlegung nach Sapporo +++

Während Hagen Pohle einem Ortswechsel für die Leichtathletik-Straßenrennen bei Olympia 2020 durchaus Positives abgewinnen könnte, äußert sein Vereinskollege Christopher Linke klare Kritik. Sollten die Marathonläufe und Geherwettbewerbe - wie vom Internationalen Olympischen Komitee vorgeschlagen - von Tokio ins klimatisch angenehmere, aber rund 800 Kilometer entfernte Sapporo verlegt werden, würde es in diesen Disziplinen "ein Wettkampf wie jeder andere", sagte Linke der MAZ. 

Klares Contra. Christopher Linke will, dass Marathon und Gehen in Tokio stattfinden. 
Klares Contra. Christopher Linke will, dass Marathon und Gehen in Tokio stattfinden. 
© Michael Kappeler/dpa

Der Geher des SC Potsdam, der unlängst WM-Vierter wurde, fügt hinzu: "In Sapporo kann niemals olympisches Flair aufkommen. Ich glaube nicht, dass man extra für Marathonläufer und Geher ein Olympisches Dorf baut. Alles, was Olympia ausmacht, das Zusammensein mit anderen Sportlern aus anderen Sportarten, geht uns in Sapporo sicher verloren.“ Auch befürchtet er, dass im Zuge einer örtlichen Veränderung gleichsam die zeitliche Wettkampfschiene angepasst wird und dann womöglich der von ihm angepeilte Doppelstart aus 20 und 50 Kilometern nur schwer oder gar nicht zu bewältigen wäre. 

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