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Irgendwann ging es nicht mehr. Nils Brembach brach nach etwa Dreiviertel der Strecke zusammen.
© Michael Kappeler/dpa

Nach der Leichtathletik-WM 2019: Nils Brembach: "Es war, als stünde ich in Flammen"

Der Potsdamer Geher Nils Brembach über seinen Zusammenbruch bei der Leichtathletik-WM in Doha und die Lehren für Olympia in Tokio. Bei den Sommerspielen 2020 liebäugeln zwei seiner Vereinskollegen gar mit dem "langen Kanten".

Bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften Anfang des Monats in Doha starteten über 20 Kilometer Gehen vier Aktive des SC Potsdam. Christopher Linke trotzte in der katarischen Nacht den Temperaturen von rund 32 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit jenseits der 75 Prozent mit Platz vier herausragend. Saskia Feige wurde Elfte, Hagen Pohle belegte den 17. Rang – für alle ihr bisher bestes WM-Ergebnis. Aber Nils Brembach, der Europameisterschaftsfünfte des Vorjahres, kam nicht ins Ziel. Er kollabierte nach etwa Dreiviertel der Strecke.

Herr Brembach, wie haben Sie den Zusammenbruch bei der WM verkraftet?
Es ist erst einmal wieder alles okay. Zumindest körperlich habe ich das weggesteckt. Allerdings kratzt so etwas ziemlich stark am Ego.

Inwiefern?
Ich habe mich über drei Monate lang sehr intensiv auf solche harten Bedingungen vorbereitet, ein spezielles Hitzetraining gemacht. Meine Leistungswerte waren sehr gut. Ich war dann der Meinung, dass ich gut auf diesen Tag und das Drumherum eingestellt bin. Bei vielen anderen aus unserem deutschen Geher-Team hat es ja dann auch super geklappt, aber mein Körper streikte – das ist für mich bitter.

Wie hatte sich der Moment angefühlt, als Ihr Körper in den Streik ging?
Bis Kilometer zehn hatte ich mich gut gefühlt, lag auch gut im Rennen. Dann fing das schleichend an. Eineinhalb Kilometer bevor ich umgefallen bin, wurde mir schon kurz schwarz vor den Augen. Da hatte ich aber gerade eine Wasserflasche in der Hand, mit der ich mich kühlen konnte – dann war ich erst einmal wieder da und habe weitergemacht. Kurz darauf fühlte ich mich plötzlich wie vor einer Feuerwand, als wäre ich in eine viel zu heiße Dampfsauna gestürzt. Es war, als stünde ich in Flammen. Und dann war ich weg.

Welche Maßnahmen erfolgten?
Die Leute an der Strecke waren gut vorbereitet und haben schnell geschaltet. Sie haben mir gefühlt tonnenweise Eis über den Körper geschüttet. Das war wie ein Gefrierbrand, wie tausend kleine Explosionen auf meiner Haut, ich bekam kaum Luft. Doch dieses schnelle Herunterkühlen ist sehr wichtig, um aus dem Fieberbereich herauszukommen. Bei diesen Bedingungen ist die Grenze von 38,5 Grad Celsius bereits nach zwei, drei Kilometern erreicht. Meine Körperkerntemperatur muss letztlich irgendwo zwischen 40 und 41 Grad gelegen haben. Als ich mich wieder etwas berappelt hatte, wurde ich in ein Medizinzelt gebracht und weiter untersucht. Ich bekam eine Infusion. Weil mein Kreislauf wieder stabil und ich gut auf Normaltemperatur war, durfte ich etwa nach einer Stunde ins Hotel.

Wie beurteilen Sie jetzt im Nachhinein, dass die WM in Doha stattgefunden hat?
Es macht eigentlich keinen Sinn bei solchen Bedingungen. Klar, alle haben denselben äußeren Rahmen und wer am besten damit klar kommt, gewinnt. Aber irgendwann muss eine Grenze gezogen werden. Leistungssport ist zwar an sich schon nicht unbedingt gesund, doch an diesem Punkt da ist es gesundheitsgefährdend. Ich denke, die Vergabe nach Doha war offensichtlich rein politisch und es wurde nicht auf die Sportler Rücksicht genommen. Zumindest aus Sicht eines Ausdauerathleten, der seinen Wettkampf auf der Straße hatte, muss man das kritisch sehen.

Dann denken Sie auch hinsichtlich Olympia 2020 in Tokio so? Da werden womöglich noch härtere Bedingungen herrschen, weil es mitten im Hochsommer ist. 1964, als Tokio erstmalig die Spiele ausrichtete, fanden diese extra erst im Oktober statt.
Jetzt könnte man natürlich damit hadern. Aber das möchte ich nicht. Es ist so, wie es ist. Und Olympia ist das Größte für einen Geher wie mich. Daher will ich mich im Vorfeld nicht solche negativen Gedanken machen, die mich selbst ausbremsen könnten. Ich nehme keine Abwehreinstellung ein, sondern tue alles dafür, dass ich da nächstes Jahr meinen sportlich bisher besten Tag habe.

Könnte das Dilemma von Doha für diese Mission sogar hilfreich sein?
Jedenfalls versuche ich, das Positive aus dem Ganzen zu ziehen. Ich weiß jetzt noch besser als zuvor, was in Tokio auf mich zukommt. Der Extremtest unter Wettkampfbedingungen ist eben immer noch etwas anderes als Training. Ich werde im Hinblick auf Tokio mit meinem Trainer und Ärzten besprechen, was ich besser machen muss – vermutlich muss ich dann noch mehr Zeit in die Hitzeanpassung investieren. Aber insgesamt bin ich auf jeden Fall optimistisch: Wenn die Generalprobe daneben geht, klappt es doch mit der Uraufführung gut.

+++ Linke und Pohle peilen Olympiastart über 50 Kilometer an +++ 

Christopher Linke möchte bei den Olympischen Spielen in Tokio einen Doppelstart wagen. Neben den 20 Kilometern, die der Geher des SC Potsdam unlängst als WM-Vierter meisterte, peilt er auch eine Teilnahme über 50 Kilometer an. Bei einem Meeting am 1. Dezember in Melbourne versucht er, sich zu empfehlen. Die direkte Normzeit lautet 3:50:00 Stunden. Auch sein Vereinskollege Hagen Pohle plant einen Angriff auf dieser Strecke, schon am 27. Oktober in Frankreich. 

Seine Schützlinge würden sich die Chance erkämpfen wollen, letztmalig den „langen Kanten“ bei Olympia zu bestreiten, sagt Bundestrainer Ronald Weigel. Künftig soll das internationale Gehen-Programm geändert werden – hin zu kürzeren Distanzen. Linke hat eine 50-Kilometer Bestzeit von 3:47:33 Stunden aus dem Jahr 2012, mit der er sich erstmalig für Olympia qualifiziert hatte. Pohle schaffte die Langstrecke 2015 in 3:51:18. Für die Spiele von Tokio hat Linke schon die Vorgabe über 20 Kilometer erfüllt, Pohle nicht. Potsdams dritter Top-Geher Nils Brembach konzentriert sich nur auf die kürzere Distanz, für die er schon die Olympia-Qualifikationszeit unterboten hat. 

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