Serie | Barberini - die Kunst hinter der Kunst: Warum die Ziegen umziehen mussten
Im Barberini läuft der Umbau zur Schau „Impressionismus in Russland“. Wir stellen Menschen vor, die daran beteiligt sind. Teil 8: Gunther Kolck ist Ausstellungsarchitekt und hat die Schau erarbeitet.
Potsdam - Wenn die Kunst kommt, bekommt sie einen großen Bahnhof. „Die Räume sind perfekt vorbereitet und stabil klimatisiert“, sagt Gunther Maria Kolck. Das Klima wurde sogar protokolliert und die Kisten mit der kostbaren Fracht bekommen zwei Tage Zeit, um sich zu akklimatisieren – im Depot des Museums. Erst dann geht’s mit dem Lastenaufzug nach oben an den Zielort.
Den hat sich Kolck schon vor Monaten ausgedacht. Welcher Raum, welche Wand, welche Platzierung. Alles steht im Plan, nachdem jetzt das Team arbeitet. Eine Woche vor der Eröffnung liegt das Team gut in der Zeit. Im Lelbachsaal stehen die Bilder auf Schaumstoffklötzen an den Wänden, da, wo sie gleich hängen werden. Zum Teil sind das ganz neue Wände oder Wandmodule. Im Lelbachsaal wurde eine riesige Wand, etwa sechs mal 15 Meter, direkt vor die Fensterfront gesetzt, um mehr Fläche gewinnen.
„Ich muss verstehen, was die Kuratoren wollen“
In der Werkstatt im Untergeschoss saß Kolck vor Monaten über einem 3-D-Modell der verschiedenen Ausstellungsräume des Barberini. Alle Bilder hatte er als winzige, maßstabsgetreue Klebchen gefertigt, um am Modell, wie in einer Puppenstube, die perfekte Hängung auszuprobieren. Das ginge auch digital, sagt er, aber manches kommt am echten Modell doch besser zu Wirkung.
Auch für die Kuratoren, die manchmal nicht so vertraut mit dem Museum sind. Zwischen Kolck, dem Designer, und den Kuratoren, die die Ausstellung inhaltlich-wissenschaftlich vorbereiten, muss die Abstimmung perfekt funktionieren. „Ich muss verstehen, was die Kuratoren wollen“, sagt Kolck. Ob die Bilder chronologisch oder thematisch hängen sollen. Welche Schwerpunkte gesetzt werden sollen. Welche Bilder prominent platziert oder welche in Gruppen zusammengeführt werden sollen.
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Dazu muss man die Kunst kennen – und das Haus mit seinen Möglichkeiten und seinem Charakter. Der 59-jährige aus Hamburg arbeitet als freier Ausstellungsarchitekt für verschiedene Museen, für eigene Projekte und seit seiner Eröffnung auch regelmäßig für das Barberini. Dort passen die klassische Architektur, die klare gestalterische Ansprache und eine gewisse Wohl-Geordnetheit gut zusammen, findet Kolck.
Ausstellung soll nicht nach bewusster Gestaltung aussehen
Sein Beruf ist selten, sagt er, und eine Tätigkeit, die im Grund unsichtbar ist. „Der Museumsbesucher soll nicht wahrnehmen, wie viel Arbeit, wie viele Gedanken da drin stecken“, sagt Kolck. Die Ausstellung soll nicht nach bewusster Gestaltung aussehen, sondern einfach unterschwellig gut wirken, gut funktionieren.
Dafür muss alles zusammenpassen. Licht und Farbe – die der Wand und die der Bilder. Zwar kennt der Ausstellungdesigner diese aufgrund von Abbildungen, aber wie die Farben im Original und den Räumen vorort tatsächlich wirken, ist manchmal doch eine Überraschung. Oder man entdeckt neue inhaltliche Bezüge oder die Rahmen sind merkwürdig – dann muss last minute umsortiert werden.
Deshalb ist Kolck beim Aufbau immer dabei und nimmt sich Zeit für das Feintuning. Ist die Wand zu voll? Zu leer? Zu unruhig oder zu gleichförmig? Passen die zwei Blumenbilder wie geplant gut nebeneinander oder verblasst das eine neben dem anderen? Muss doch noch was getauscht oder verrückt werden? Und wohin schauen die Augen, wenn es sich um ein Porträt handelt? Wie fühlt sich das an für den Betrachter, wenn er davorsteht? „Ich gehe bis zum Schluss mehrfach durch die Räume und schaue, ob noch was verbessert werden kann“, sagt Kolck. Und erst dann, wenn die Direktion die gesamte Ausstellung frei gegeben hat, ist seine Aufgabe beendet.
Die aktuelle Ausstellung ist nun etwas Besonderes. Kolck kennt sie schon, weil die russischen Impressionisten bereits im Coronawinter 2020/21 im Barberini hingen, dann nach Baden Baden gingen und nun glücklicherweise noch einmal in Potsdam gezeigt werden können. Und so ergibt sich die Möglichkeit, Erfahrungen auszuwerten und manches notfalls zu verändern. Beispielsweise werden die neun Ziegen von Nicolas Tarkhoff, die, als einziges Tierbild, zunächst separat hingen, jetzt in eine Reihe ländlicher Motive integriert. Das passe doch gut zusammen, so Kolck.
Niemand rennt umher, niemand wirkt in Eile
Und während Kolck, Kuratoren und Restauratoren alles begutachten, sind mehrere Aufbauteams mit der Umsetzung beschäftigt. Aufhängung vermessen, elektronisch und mit klassischem Maßband, in diesem Fall für die horizontale Bildmitte 1,57 Meter vom Boden entfernt. Die optimale Bildhöhe ist abhängig von Bildgröße und Raumtiefe, da gibt es Regeln und Formeln.
Der betriebsame Aufbau erinnert ein bisschen ans Umdekorieren zu Hause, aber nur ein bisschen: Die Leitern in Signal-Orange sehen wesentlich stabiler aus als die aus dem Baumarkt. Alles ist auf Sicherheit ausgerichtet. Niemand rennt umher, niemand wirkt in Eile oder ruft durch den Raum. Alle bewegen sich mit Bedacht – es ist, als würde die Malerei, die gerade in ihr neues Zuhause einzieht, beruhigend auf alles und alle ausstrahlen. Und auch Gunther Maria Kolck ist schon jetzt sehr zufrieden.
Das Museum Barberini ist Potsdams meistbesuchte Kultureinrichtung. Mit hochkarätigen Ausstellungen zieht es ein Publikum aus der ganzen Republik und darüber hinaus an. Aber welche konzeptionellen, handwerklichen und logistischen Herausforderungen sind für die Vorbereitung einer Schau eigentlich zu bewältigen? Die PNN begleiten den Umbau für die Ausstellung „Impressionismus in Russland. Aufbruch zur Avantgarde“ und stellen die Menschen vor, die daran beteiligt sind – ein Einblick in die Kunst hinter der Kunst.
Teil 1: Museumsdirektorin und Kuratorin Ortrud Westheider
Teil 2: Malermeister Frank Herber
Teil 3: Vermittlung und Rahmenprogramm mit Achim Klapp, Andrea Schmidt und Julia Teller
Teil 4: Haustechniker Carsten Loeper
Teil 5: Die Registrars Anne Barz und Matthias Heitbrink
Teil 6: Gästemanagement mit Dorothee Entrup und Angela Winkler
Teil 7: Lichtplanerin Eva-Maria Henschkowski erweckt Gemälde zum Leben