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Vor dem Abgang. Tabea Kemme und Lia Wälti werden zur nächsten Saison ins Ausland wechseln.
© Verein

Turbine Potsdam: Verlust an Qualität und Identifikationspotenzial

Tabea Kemme sowie Lia Wälti waren über Jahre prägende Figuren bei Turbine Potsdam. Im Sommer werden sie nun den Potsdamer Frauenfußball-Bundesligisten verlassen. Zuvor haben beide aber noch Großes mit Turbine vor - was der Klub auch braucht.

Mit dem deutlichen Auswärtssieg am vergangenen Sonntag gegen den FF USV Jena startete der 1. FFC Turbine Potsdam erfolgreich in die Rückrunde der Frauenfußball-Bundesligasaison. Für zwei Führungsspielerinnen der Potsdamer Mannschaft begann zugleich eine persönliche Abschiedstour. Olympiasiegerin Tabea Kemme und Kapitänin Lia Wälti werden zur nächsten Saison ins Ausland wechseln. „Natürlich haben wir versucht, die beiden Spielerinnen zu halten und ihre auslaufenden Verträge zu verlängern“, sagt Turbine-Präsident Rolf Kutzmutz. Der Verein habe jedoch letztlich die Vorstellungen und Pläne von Stürmerin Kemme und Mittelfeldakteurin Wälti akzeptiert.

Eine schwierige Entscheidung

Wohin es die beiden zieht, sei „noch nicht spruchreif“, betonen sie. Hartnäckig kursiert das Gerücht, Arsenal London werde ihr neuer Club. „Ich habe mich bei der Entscheidung, Potsdam zu verlassen, schwer getan. Aber ich denke, dass das jetzt für mich persönlich der richtige Schritt ist“, meint die 24-jährige Lia Wälti. Sie möchte allerdings auch nicht ausschließen, irgendwann nochmal für Turbine zu spielen. „Der Verein ist schließlich für mich eine zweite Heimat geworden“, sagt die Schweizer Nationalspielerin, die im Sommer 2013 von Young Boys Bern an die Havel kam.

Und mit Tabea Kemme verliert der Bundesligist seine derzeit dienstälteste Kickerin des Teams. Seit 2006 ist die 27-Jährige im Verein, 2008 gab sie ihr Erstligadebüt. Sie gilt als großes Vorbild eines ehrlichen, leidenschaftlichen Fußballs sowie als perfektes Brandenburger Beispiel für die erfolgreiche duale Karriere, den Spagat zwischen Leistungssport und Arbeit an der Jobzukunft. 2012 gehörte die gebürtige Niedersächsin zum ersten Jahrgang, der das Studium in der märkischen Polizei-Sportfördergruppe aufnahm. Ende September 2017 hatte sie es offiziell abgeschlossen, wurde zur Polizeikommissarin ernannt. Insofern ist für Tabea Kemme nun, da das berufliche Fundament gelegt ist, der optimale Zeitpunkt gekommen, sportlich nochmal etwas Neues zu wagen.

Ziele: Titel und Europapokalrückkehr

Trotz der prominenten Abgänge sieht Rolf Kutzmutz seinen Klub für die Bundesliga weiterhin gut aufgestellt. In den vergangenen Monaten hatte Turbine sukzessive mit zahlreichen Vertragsverlängerungen gute Planungssicherheit bis Sommer 2019 oder darüber hinaus geschaffen. Zudem würden aus dem eigenen Nachwuchs interessante Spielerinnen wie Gina Chmielinski, Caroline Siems und aktuell Melissa Kössler nachrücken, findet der Präsident. Nichtsdestotrotz werden die Verantwortlichen um Cheftrainer Matthias Rudolph in naher Zukunft noch einiges auf personeller Ebene ausloten müssen. Neben den Arbeitspapieren von Lia Wälti und Tabea Kemme enden dieses Jahr auch die von acht weiteren Spielerinnen – darunter befinden sich Felicitas Rauch und Jennifer Cramer, die ebenfalls Identifikationsfiguren des Klubs sind. Zudem löste die Australierin Elise Kellond-Knight am gestrigen Dienstag ihren bis 2019 laufenden Kontrakt mit sofortiger Wirkung auf.

Wie Lia Wälti erklärt, werde sie „jetzt nochmal alles daran setzen, etwas zu erreichen, was mir bislang noch nicht mit Potsdam gelungen ist: einen Titel holen. Deshalb werde ich All In gehen. In der Meisterschaft und im Pokal haben wir unsere Chance“, so die Spielführerin. Auch Tabea Kemme lässt keinen Zweifel, dass sie noch mit Turbine Großes vor hat: „Ich möchte helfen, den Verein zurück in die Champions League zu führen.“ Diese Kampfansagen an die Liga will Rolf Kutzmutz hören. „Wir müssen angreifen“, formuliert der Präsident die Parole für die Rückrunde. „Verwaltungsrat, Vorstand und Trainerteam sorgen für gute Rahmenbedingungen“, sagt er. „Der Rest liegt im Verantwortungsbereich der Mannschaft.“ Doch zeige auch die aktuelle Saison, dass die Leistungsdichte in der Bundesliga zugenommen habe und es – anders als zu Zeiten des Zweikampfs zwischen Turbine und dem 1. FFC Frankfurt – eine härtere und größere Konkurrenz um die Champions-League-Plätze gebe. Mit dem attraktiven Etikett, auf europäischer Vereinsebene zu spielen, will Turbine für Spielerinnen mit internationalem Format zwar interessant bleiben. „Aber das Interesse und der Zuspruch hängt vom Erfolg ab“, so Kutzmutz. Und Erfolg blieb in den vergangenen Jahren aus, zumindest was die Erwartung betrifft, in der Champions League anzutreten: Turbine ist in der vierten Saison nacheinander nur Zaungast beim europäischen Wettbewerb.

Daheim gegen den MSV Duisburg

Dort spielen zunehmend Klubs, die im Fußball sehr klangvolle Namen haben: Olympique Lyon, Paris St. Germain, FC Barcelona, Bayern München, Manchester City oder eben auch Arsenal London. Sie bestimmen den Frauenfußball-Maßstab des Kontinents. Nicht nur sportlich, sondern auch finanziell. Bei Top-Vereinen wie Champions-League-Sieger Olympique Lyon kassieren Weltklasse-Spielerinnen wie die Deutsche Dzsenifer Marozsan laut Medienberichten zwischen 120.000 und 150.000 Euro pro Jahr. Dimensionen, von denen Turbine Potsdam weit entfernt ist. Vielmehr hat Rolf Kutzmutz in der Vergangenheit wiederholt verdeutlicht, dass der wirtschaftliche Kredit des Vereins aus den erfolgreichen Jahren aufgebraucht sei.

Daher müssen nun, um den eigenen Finanzspielraum wieder zu erweitern, neue Top-Ergebnisse her. Das Bestreben, diese Saison unter den Top 2 der Liga abzuschließen, kann am Samstag erneut untermauert werden. Nach dem souveränen Sieg beim Tabellenvorletzten Jena folgt das erste Heimspiel des Jahres 2018 gegen Schlusslicht MSV Duisburg (Beginn: 14 Uhr/Karl-Liebknecht-Stadion). Der MSV hatte voriges Wochenende überrascht. Durch ein 2:1 gegen den SC Freiburg holten die „Zebras“ ihre ersten drei Saisonpunkte – und machten so in der Konsequenz möglich, dass das Polster der drittplatzierten Freiburgerinnen zu Turbine auf nur noch zwei Zähler zusammengeschrumpft ist.

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