Architektur-Chef der Potsdamer Schlösserstiftung im Interview: „Unsere größte Sorge sind die steigenden Baupreise“
Ayhan Ayrilmaz, Architekturchef der Schlösserstiftung, über die Herausforderungen bei der Sanierung des preußischen Welterbes, die nächsten Projekte und die Frage, wie weit man mit 400 Millionen Euro kommt.
Herr Ayrilmaz, als Architekturchef der Schlösserstiftung sind Sie dafür verantwortlich, das preußische Welterbe zu generalüberholen, sitzen selbst aber seit Jahren in einer Baracke. Ärgert Sie das?
Ich hätte sicher nichts dagegen, wenn wir in einer etwas repräsentativeren Umgebung arbeiten könnten (lacht). Im Ernst: Der Charme unseres Laborcontainers ist auf den ersten Blick natürlich begrenzt, aber das hat auch Vorteile. Die schlichte Atmosphäre ermöglicht ein sehr sachliches, ergebnisorientiertes Arbeiten. Wir alle schätzen den Werkstattcharakter, es sind sehr kurze Wege und die Hierarchien bleiben flach, nicht zuletzt, weil jedes Büro gleich groß ist. Zudem sind hier alle Fachbereiche der Stiftung vertreten, was ganz wesentlich zum Erfolg des ersten Sonderinvestitionsprogramms beigetragen hat.
Das hatte ein Volumen von 155 Millionen Euro, im zweiten Masterplan dürfen Sie nun sogar 400 Millionen Euro ausgeben. Hatten Sie mit einer solchen Summe gerechnet?
Offen gesagt nicht. Natürlich ist der Bedarf da, aber dass es so viel werden würde, hat alle überrascht. Wir freuen uns natürlich sehr darüber, denn das ist auch eine Anerkennung unserer bisherigen Arbeit.
Die Baupreise steigen in rasantem Tempo und die Agenda umfasst 60 Projekte. Wird das Geld überhaupt für alles reichen?
Die Baupreise sind in der Tat für uns der größte Unsicherheitsfaktor – und damit verbunden ist die Schwierigkeit, überhaupt geeignete, fähige Planer und Firmen zu finden. Das macht uns wirklich große Sorgen. Im Moment sind wir bei den meisten Projekten noch in der Planungsphase. Meine Hoffnung ist, dass sich die Baukonjunktur etwas abschwächt und sich die Preise wieder normalisiert haben, bis wir wirklich zu bauen anfangen. Außerdem haben wir in unsere Kalkulationen einen Puffer eingerechnet, sodass das Geld eigentlich reichen müsste.
Gibt es Erfahrungen aus dem ersten Masterplan, die Ihnen jetzt helfen?
Sehr viele sogar. Wir haben die Erfahrungen der vergangenen zehn Jahren gründlich analysiert – und zwar in der gesamten Stiftung – und wo es nötig war nachgesteuert. Das kommt uns jetzt zugute. Auch deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir mit dem Budget hinkommen. Aber man darf nicht vergessen, dass wir es mit jahrhundertealten Denkmälern zu tun haben, da gibt es immer Überraschungen.
Solche Überraschungen haben letztlich auch dazu geführt, dass die Sanierung von zwei Denkmälern verschoben werden musste, die besonders gefährdet sind, nämlich die Römischen Bäder und das Schloss auf der Pfaueninsel.
Ja, leider. Wir hatten beim ersten Masterplan ein recht begrenztes Budget – für fast 50 Projekte. Und das waren auch die wirklich wichtigsten, also jene, die sonst womöglich nachhaltige Schäden davongetragen hätten. Zwischendurch mussten wir trotzdem immer wieder abwägen und neu justieren. So stellte sich etwa während der Arbeiten am Dach des Neuen Palais’ heraus, dass die Schäden viel größer waren – trotz gründlicher Planungsvorbereitungen – als angenommen werden konnte. Also mussten wir umschichten. Natürlich haben wir die Römischen Bäder und das Pfaueninsel-Schloss so gut wie möglich gesichert, aber jetzt müssen wir da wirklich ran.
Beim Pfaueninsel-Schloss laufen die Planungen bereits, bei den Römischen Bädern sind Sie noch nicht so weit. Warum?
Beim Pfaueninsel-Schloss handelt es sich nur um ein einzelnes, wenn auch in der Instandsetzung sehr anspruchsvolles Baudenkmal. Die Römischen Bäder hingegen sind ein ganzer Gebäudekomplex, noch dazu von Wasser umspült. Daher sind viel umfänglichere Untersuchungen nötig. Aber auch dort beginnen jetzt die Planungen.
Was genau muss dort gemacht werden?
Aus denkmalpflegerischer Sicht eigentlich alles. Es gibt Risse und konstruktiv Schäden im Mauerwerk, die Dächer und die Dachkonstruktion müssen saniert werden, Fenster, Türen, alles. Das ist deswegen eine besondere Herausforderung, weil die Oberflächen des Ensembles so einzigartig und wertvoll sind, diese aber fast alle im Freien liegen und der Witterung ausgesetzt sind.
25 der 60 Projekte sind so wichtig, dass sie in den nächsten fünf Jahren fertig oder zumindest begonnen werden sollen. Drehen sich denn in diesem Jahr bereits irgendwo Baukräne?
In diesem und wohl auch im nächsten Jahr nicht, weil wir noch in der Planungsphase sind. Die Gebäude müssen ausführlich untersucht werden. Aber – und auch das ist eine Lehre aus dem ersten Masterplan – wir wollen die Öffentlichkeit bereits in den Planungsprozess einbeziehen. Es ist uns wichtig, die Potsdamer und alle Interessierten darüber zu informieren, was wir wo und wann machen. Wir wollen die Ergebnisse vorstellen, bevor es mit dem Bauen und Restaurieren losgeht. Das Format ist noch unklar, aber wir wollen es, wenn es das Objekt zulässt, jeweils vor Ort machen, vielleicht im Rahmen eines Tags der offenen Tür. Letztlich ist das ein Moment der Zeitgeschichte, schließlich wird man die Gebäude nie wieder so sehen wie jetzt.
Und wo beginnen Sie mit den Sanierungsarbeiten?
Wir starten mit dem Schloss auf der Pfaueninsel. Das haben wir beräumt und da wird es zeitnah losgehen. Es gibt aber auch kleinere Projekte wie das Rote, das Weiße und das Damenhaus im Neuen Garten oder die Meierei am Kuhtor. Das sind alles kleine, aber stark geschädigte Perlen, an denen man sehr bald auch Gerüste sehen wird.
Das sind aber alles Gebäude, die weniger im Fokus der Besucher stehen. Wäre es nicht sinnvoller, sich zunächst auf die großen Touristenmagneten zu konzentrieren?
Wir haben es uns bei der Festlegung der Prioritäten nicht einfach gemacht, ein ganzer Blumenstrauß an Kriterien wurde untersucht. Ein ganz starker Punkt dabei war der Zustand des jeweiligen Gebäudes. Wo immer irreparable Schäden drohten, gab das den Ausschlag für die Aufnahme in die Liste der dringlichsten Projekte. Doch natürlich haben wir auch das Besucherinteresse stark im Blick. Aus diesem Grund stehen auch der Neubau eines Besucherzentrums an der Historischen Mühle und eines am Schloss Charlottenburg auf dieser Liste. Und weil der Schutz unserer beweglichen Kunstgüter ebenfalls Priorität genießt, soll an der Friedrich-Engels-Straße ein neues Skulpturendepot gebaut werden. Außerdem müssen wir etwas für die Gärtnerinnen und Gärtner tun, die etwa im Park Sanssouci keine angemessenen Aufenthalts- oder Sanitärräume haben.
Jeder Transport schadet diesen Kunstgütern.
Ayhan Ayrilmaz
Das Skulpturendepot rangierte zuletzt gar nicht so weit vorn in der Priorität, es gab nicht einmal einen Zeitplan. Warum ist es plötzlich so dringend?
Der Grund ist ganz einfach und hängt mit einem anderen großen Projekt zusammen, nämlich der Instandsetzung des Orangerieschlosses. In den Pflanzenhallen ist derzeit ein großer Teil unserer großen Skulpturen untergebracht. Und weil wir das Schloss in den nächsten Jahren weiter sanieren, müssen diese Skulpturen woanders hin. Jeder Transport schadet aber diesen Kunstgütern, selbst wenn man noch so sorgsam dabei vorgeht. Daher ziehen wir den Neubau des Skulpturendepots vor, dann müssen die Skulpturen nur einmal bewegt werden – und zwar dahin, wo sie sowieso hinkommen sollen. Abgesehen davon sparen wir sehr viel Geld, weil wir kein Interimsquartier herrichten müssen.
Der Neubau des Besucherzentrums an der Historischen Mühle sollte hingegen längst stehen. Der Entwurf von Landtagsarchitekt Peter Kulka, mit dem er den Wettbewerb gewann, wurde bereits 2011 präsentiert.
Ja, deswegen genießt dieser Neubau jetzt wirklich höchste Priorität. Aber es ist auch eine sehr komplexe Maßnahme, denn wir bauen ja nicht nur das Besucherzentrum in Anlehnung an das im Krieg zerstörte Schweizerhaus, sondern sanieren auch die historischen Bestandsgebäude ringsherum wie den Remisenhof und den Marstall – und das alles bei laufendem Betrieb.
Und wann soll es fertig werden?
Es dauert noch einige Zeit. Wir müssen die Planungen noch einmal überarbeiten. Eine Grundsteinlegung wird es frühestens 2021 geben, vier bis fünf Jahre später könnte alles fertig sein.
Vorgezogen wird auch die Sanierung der Innenräume des Schlosses Babelsberg. Aus welchem Grund?
Da laufen die Vorbereitungen in der Tat auf Hochtouren. Nachdem die Schlosshülle bereits saniert wurde, wollten wir nicht wieder zehn Jahre verstreichen lassen, bevor es weitergeht. Wir haben dafür etwa neun Millionen Euro zur Verfügung. Das reicht zwar nicht, um alle Innenräume museal herzurichten, aber ein, zwei Bereiche des Schlosses werden öffentlich zugänglich gemacht – und zwar barrierefrei. Das ganze Schloss instand zu setzen und als Museum herzurichten, würde rund 35 Millionen Euro kosten. Das gibt das Budget nicht her.
Die drei größten Schlösser der Stiftung bleiben auch die größten Baustellen. In aller Kürze – wie geht es am Neuen Palais, am Orangerieschloss und am Schloss Charlottenburg weiter?
Diese drei allein verschlingen mit etwa 120 Millionen Euro mehr als ein Viertel des gesamten zweiten Sanierungsprogramms. Im Schloss Charlottenburg werden wir bis 2030 die Hüllensanierung abschließen, die Schlossumgebung wieder herrichten und wie schon gesagt ein neues Besucherzentrum bauen. Dafür wird es einen internationalen Wettbewerb geben. Der gesamte Besucherzugang wird in diesem Zusammenhang neu geordnet. Zudem erneuern wir die gesamten Wasserleitungen, allein das kostet zwei Millionen Euro.
Und am Neuen Palais?
Dort geht die Dachsanierung weiter – inklusive Balustrade und Gesimse, die beide sehr stark geschädigt sind. Dafür müssen wir bereits einen zweistelligen Millionenbetrag ausgeben. Wir werden 2020 das Schlosstheater wieder in Betrieb nehmen und danach das Schloss barrierefrei machen, indem wir einen Aufzug einbauen. Im Schloss selbst werden wir den Grottensaal fertig restaurieren, da ist ja bislang nur ein Teil gemacht worden. Perspektivisch wird auch der marode Boden des Spiegelsaals saniert. Dort gibt es ja die gleichen Probleme wie mit dem Boden des Marmorsaals – einen wertvollen Belag und darunter marode Balken, deren Köpfe wir erneuern müssen, ohne das Parkett zu beschädigen.
Bleibt noch das Orangerieschloss.
Das fassen wir in Gänze an. Der Südost-Pavillon ist fertig, der Mitteltrakt in Teilen auch. Jetzt kommen noch die Pflanzenhallen dran, dann sind wir mit allen Fassaden durch. Zudem wird eine der Hallen als Veranstaltungsort hergerichtet.
Die Orangerieterrassen sind nicht Bestandteil des Sanierungsprogramms?
Nein. Das ist ein weiteres gigantisches Projekt, das viele Millionen Euro kostet. Denken Sie nur an die ganzen Leitungen unter dem Berg. Dafür reicht das Geld momentan einfach nicht.
Vor allem Schloss Charlottenburg und das Neue Palais scheinen wie Fässer ohne Böden. Wie weit kommen Sie bei beiden mit dem Sanierungsprogramm?
Ich lehne mich jetzt mal sehr weit aus dem Fenster und sage: Bis 2030 werden wir im Schloss Charlottenburg die wesentlichen Maßnahmen abgeschlossen haben. Seit dem Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wird es dann zum ersten Mal komplett instand gesetzt worden sein – inklusive Brandschutz, Barrierefreiheit, Leitungen und Gärten. Beim Neuen Palais ist das anders. Erstens ist es größer und zweitens viel älter. Hinzu kommen die bekannten Mängel, die mit der raschen Erbauung zu tun haben. Aber im Mai werden wir die Sockelsanierung abschließen, ein gewaltiges Projekt. Zum ersten Mal überhaupt wurde dieser Bereich grundlegend saniert. Und nach der Dachsanierung und der Behebung der wesentlichen konstruktiven Mängel in den Schlossräumen wird das Schlimmste überstanden sein. Es wird dort immer etwas zu tun geben, aber nicht mehr in diesen Dimensionen.
Auf der Agenda stehen auch Infrastrukturprojekte wie die Sanierung des Ökonomiewegs im Neuen Garten. Sind das nicht eher Fälle für das normale jährliche Baubudget der Stiftung?
Wir hatten vieles davon schon auf dem Zettel – und dann hat das Geld doch nicht gereicht. Nun müssen wir das einfach mal von Grund auf angehen und zumindest die wichtigsten Verbindungswege in den Schlossparks einmal durchsanieren. Übrigens kümmern wir uns um noch etwas, das auf den ersten Blick vielleicht ebenfalls wenig spektakulär erscheint.
Und das wäre?
Wir säubern die Parkgewässer in Sanssouci. Die sind im Laufe der Jahrhunderte so verschlammt, dass sie etwa ihren Beitrag zum Parkklima nicht mehr richtig leisten können, von der Ästhetik ganz zu schweigen.
Die Gartendenkmalpfleger klagen schon seit Jahren über den Zustand der Ufer der Parkgewässer.
Richtig. Die von Lenné einst sanft modellierten Uferzonen gibt es schon lange nicht mehr, das meiste ist zugewachsen, ausgewaschen worden und dann abgebrochen. Wir stellen den historischen Zustand wieder her. Die Parkgewässer sind ja ein wesentlicher Bestandteil des gesamten Gartenkunstwerks. Mit dieser Maßnahme beginnen wir aber erst nach 2023, im zweiten Fünf-Jahres-Abschnitt.
Es ist kein Geheimnis, dass auch die 400 Millionen Euro nicht für alles reichen werden, was gemacht werden müsste. Wie groß müsste der Topf für ein drittes Sonderinvestitionsprogramm sein?
Es gibt ja bereits jetzt Projekte, die auf einer Nachrückerliste stehen. Die Gewässersanierung im Neuen Garten gehört dazu. Die Sanierung des Maschinenhauses im Park Babelsberg ist ein weiteres Projekt, ebenso die bereits angesprochenen Jubiläumsterrassen des Orangerieschlosses und die Restaurierung der Mopke vor dem Neuen Palais. All diese Vorhaben könnten wir nur in Angriff nehmen, wenn am Ende des zweiten Masterplans noch Geld übrigbleibt, ansonsten würden sie Fälle für einen dritten.
Also bräuchten Sie noch einmal etwa 400 Millionen Euro?
Es ist ganz schwer, so weit in die Zukunft zu schauen. Sicher ist aber: Es wird auch für nachfolgende Generationen noch genug Arbeit geben. Mit den ersten beiden Sanierungsprogrammen werden wir aber mehr als die Hälfte geschafft und den Verfall gestoppt haben. Wir sind dann über den Berg.
Das Interview führte Peer Straube.
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