Bildungsausschuss entscheidet: Überraschendes Votum gegen Gymnasium in Potsdam
Der Bildungsausschuss der Stadtverordneten hat sich anders als erwartet gegen den Bau eines Gymnasiums positioniert. Letztlich entscheiden müssen die Stadtverordneten Anfang Juni.
Potsdam - In dem kommunalpolitischen Streit, was für eine Schule im Potsdamer Norden als nächstes errichtet wird, gibt es eine erste Entscheidung: Der vom Rathaus vorgeschlagene Bau eines Gymnasiums am Standort Reiherweg/Pappelallee bis 2026 ist am Dienstagabend im Bildungsausschuss überraschend durchgefallen. Stattdessen wäre nun dort eine Gesamtschule zu errichten. Dafür votierten Grüne und Linke, SPD und CDU stimmten dagegen. Die Fraktion Die Andere enthielt sich, die AfD als Befürworter eines Gymnasiums war bei der virtuellen Sitzung nicht anwesend.
Allerdings machte SPD-Fraktionschef Daniel Keller nach dem knappen Votum auf PNN-Anfrage deutlich, er gehe von anderen Mehrheitsverhältnissen in der Stadtverordnetenversammlung Anfang Juni aus: Im Ausschuss sind bekanntlich nicht alle Fraktionen vertreten. Würde die Stadtverordneten anders entscheiden als der Ausschuss, soll die schon gegründete Gesamtschule „Am Schloss“, die übergangsweise an der Esplanade untergebracht ist, 2027 nach Krampnitz ziehen und nicht mehr an die Pappelallee. Dort soll wie berichtet stattdessen ein Gymnasium errichtet werden, das schon 2024 an einem Interimsstandort öffnen soll. Das Rathaus hatte bereits im Vorfeld deutlich gemacht, es gebe vermehrte Elternwünsche nach Gymnasialplätzen, auch das Schulamt habe man auf seiner Seite.
Lange Debatte im Ausschuss
Gegen die Pläne der Stadt wandten sich im Ausschuss allerdings auch Vertreter der Schloss-Schule. So seien die Planungen für die Pappelallee längst angelaufen, sagte Rektorin Sabrina Bippus. Das sehe auch die Schulkonferenz so, wie Videokonferenzen und E-Mail-Abfragen ergeben hätten. Hingegen sagte Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos), die vorgesehene, schon recht begrenzte Fläche für die Gesamtschule an der Pappelallee habe sich nach Verhandlungen mit dem Land um rund 2000 Quadratmeter verkleinert. Daher sei dort noch nicht einmal das früher geplante Bauvolumen machbar, mahnte sie. SPD-Stadtfraktionschef Daniel Keller sagte, es helfe nicht eine Schule zu planen, wenn gar nicht die nötige Fläche vorhanden sei. Wiederum Michael Vogt vom Kreisschulbeirat sagte, dieses Gremium stehe hinter den Verwaltungsplänen. Der Bedarf für Gymnasien sei vorhanden. Beigeordnete Aubel sagte, die zu geringe Zahl der Gymnasialplätze hätten viele Eltern und Schüler in den vergangenen Jahren leidvoll erfahren müssen. Die Stadt müsse deswegen immer wieder Gymnasialklassen extrem aufstocken. Dem Bedarf müsse man gerecht werden, so Aubel. Clemens Viehrig (CDU) sagte, ohne neue Gymnasialplätze werde man Menschen auf Privatschulen treiben. Nach mehr als zwei Stunden Debatte stimmten dennoch vier Stadtverordnete - eben Linke und Grüne - gegen das Gymnasium, Befürworter fanden sich nur drei. Viehrig sagte, auch er gehe von anderen Verhältnissen im Stadtparlament aus. Bildungsdezernentin Aubel sagte, mit dem jetzt getroffenen Beschluss könne das Gymnasium nicht einmal als Interimsstandort öffnen.
Ärger in Neu Fahrland
Hingegen brachten Grüne und Linke ihren Änderungsantrag durch, das Gymnasium an der Pappelallee stoppen. Alternativ soll ab 2027 ein vierzügiges Gymnasium am Standort Birnenplantage in Neu Fahrland errichtet werden – also zwei Jahre, bevor die Verwaltung dies derzeit für angezeigt hält. Dagegen gibt es aber erheblichen Widerstand. So sagte Ortsvorsteherin Carmen Klockow (Bürgerbündnis), diese Fläche würde als Naherholungsgebiet mit Zugang zum Wasser genutzt, die Wiesen dort seien schützenswert: „Warum sollen sie versiegelt werden?“ Der kleine Ortsteil dürfe nicht so überfrachtet werden. „Wir werden uns als Ortsbeirat dagegen auflehnen.“ Alternativ könne das Gymnasium doch auch zusätzlich nach Krampnitz. Das brachte ihr Kritik von Linken und Grünen ein. Auch hier setzten sich Linke und Grüne durch - ob das so in der Stadtverordnetenversammlung bestätigt wird, ist allerdings eben noch unklar. Bereits die mehrstündige Debatte im Ausschuss zeigte auch, wie knapp die Mehrheitsverhältnisse sein können, gerade auch bei Abwesenheit einzelner Kommunalpolitiker. Noch im Vorfeld hatte sich ein für das Stadtparlament eine knappe Mehrheit für die Gymnasiumspläne abgezeichnet. Das Thema sorgt seit Wochen auch für Streit in der rot-grün-roten Rathauskooperation.
Ü7-Verfahren: Viele Schüler gehen leer aus
Warum mehr Gymnasien in Potsdam durchaus nötig sind, macht gegen Ende der Sitzung auch noch einmal Eckhard Dörnbrack vom staatlichen Schulamt in Brandenburg a.d. Havel deutlich: So hätten von 1800 Schülern rund 110 keine Wunschschule erhalten, davon 44 nicht das von ihnen gewünschte Gymnasium. Hiervon seien nunmehr mehr als 35 Kinder an das Leibniz-Gymnasium am Stern vermittelt worden, so Dörnbrack - der von einer Übernachfrage für alle städtischen Gymnasien sprach. Anderen Kindern habe man lediglich noch einen Platz an der Steuben-Gesamtschule am Kirchsteigfeld oder an der Kollwitz-Oberschule in der Brandenburger Vorstadt zuweisen können, hieß es in der Sitzung weiter.