Neues Gymnasium oder Gesamtschule in Potsdam?: Schulstreit sorgt für Zerreißprobe in der Rathauskooperation
Der von der Stadt Potsdam geplante Bau eines neuen Gymnasiums in Bornstedt sorgt für heftigen Krach in der rot-grün-roten Rathauskooperation - weil Linke und Grüne eine Gesamtschule wollen.
Potsdam - Wegen der Pläne der Stadt Potsdam für ein Gymnasium statt einer Gesamtschule an der Pappelallee gibt es heftigen Krach in der rot-grün-roten Rathauskooperation - der nun auch öffentlich ausgetragen wird. Wie es am Ende ausgeht, ist völlig unklar, die Mehrheitsverhältnisse im Stadtparlament in der Frage sind ungewiss.
SPD pro Gymnasium
Den Anfang im Diskurs dieser Woche machte am Montag die SPD-Fraktion - die per Mitteilung "auf den schnellen Bau dringend notwendiger Schulen pochte". So erklärte SPD-Fraktionschef Daniel Keller, man unterstütze den Vorschlag der Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos), dass die schon gegründeten Gesamtschule „Am Schloss“, die interimsweise an der Esplanade untergebracht ist, 2027 nach Krampnitz ziehen soll und nicht mehr an die Pappelallee. Dort soll wie berichtet stattdessen ein Gymnasium errichtet werden, dass schon 2024 an einem Interimsstandort öffnen soll.
Keller verwies auf den von den Stadtverordneten selbst beschlossenen Schulentwicklungsplan, der bisher eigentlich für 2023 ein Gymnasium am Schlaatz vorsah - am Standort der derzeitigen Förderschule, die in den umstrittenen Waldstadt-Schulcampus ziehen soll, gegen den Umweltschützer klagen wollen. Schon wegen solchen Verzögerungen sei mit einem Gymnasium am Schlaatz erst 2029 zu rechnen, sagte Keller. Angesichts der vermehrten Elternwünsche nach Gymnasialplätzen, auf die auch Aubel verwiesen hatte, stehe man hier auch im Wort, die bisherigen Schulplanungen umzusetzen, so Keller.
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Allerdings sorgt diese Haltung bei den Bündnispartnern der SPD für Verärgerung. Sie verweisen auf den Kooperationsvertrag, in dem es heißt: "Wir werden nur weiterführende Schulen errichten, die alle Schulabschlüsse anbieten." Das schließt Gymnasien eigentlich aus. Daran erinnerte auch der Linken-Kreisvorsitzende Roland Gehrmann - hier werde eines der "zentralen Ziele" der Kooperationsvereinbarung "infrage gestellt", teilte er am Montag mit. "Ich erwarte von der SPD, dass sie ihre Position noch einmal deutlich überdenkt." Die Linke werde "diesen politisch falschen Weg nicht mittragen“. Mit mehr Gymnasien "würde das selektive Schulsystem gestärkt, anstatt den eingeschlagenen Weg der Chancengleichheit in guten Gesamtschulen weiter zu gehen", so Gehrmann. Keller erklärte dazu, es würde kein neues Gymnasium gebaut - sondern eben ein schon geplantes, nur eben nicht am Schlaatz.
Ein Gymnasium in Neu Fahrland?
Am Dienstag legten die Linken nach - ihr Fraktionschef Stefan Wollenberg erklärte, nur Gesamtschulen würden alle Abschlüsse in einer Schulform anbieten, im Hybrid-Modell sogar im 12- oder 13-jährigen Abitur. "Gymnasien sind dagegen auf ein Modell festgelegt." Beide Linken-Vertreter erklärten, maximal sei ein neues Gymnasium an der Birnenplantage in Neu Fahrland akzeptabel. Das wiederum hält SPD-Mann Keller nicht für zielführend: "Mangels einer Planungsgrundlage ist hier ein deutlich längerer Vorlauf nötig, der eben nicht zeitnah für die dringend benötigten Schulen sorgen würde." Wie berichtet hatte auch das märkische Bildungsministerium mehr Gymnasialplätze in Potsdam angemahnt - und die besagten Hybrid-Schulen als Allheilmittel verworfen.
In der Tat wäre der Standort Birnenplantage in vielerlei Hinsicht problematisch, wie auch die Neu Fahrländer Ortsvorsteherin Carmen Klockow (Bürgerbündnis) den PNN auf Anfrage berichtete. Sie sagte, dieses Sport- und Freizeitareal sei bisher bewusst frei von Bebauung gehalten worden, zumal sich dort auch ein Wohnviertel befindet - und ein Trinkwasserschutzgebiet. "Wir möchten dort keine verdichtete Bebauung haben", sagte Klockow. Nach PNN-Informationen prüft die Stadtverwaltung aktuell mit einer Machbarkeitsstudie, ob sich das Gelände für einen Schulbau eignen würde.
Grüne: Pro Gesamtschule
Klar gegen das Gymnasium an der Pappelallee haben sich auch schon die Grünen positioniert. Deren Fraktionschef Gert Zöller teilte den PNN auf Anfrage mit: "Der Kooperationsvertrag wie auch das bündnisgrüne Wahlprogramm sehen unmissverständlich vor, dass weiterführende Schulen als Gesamtschulen zu errichten sind." In Richtung SPD erklärte der Grünen-Mann weiter: "Wenn andere Fraktionen von dieser gemeinsamen Vereinbarung abweichen, werden sie sich hierzu erklären müssen.“
Die Verwaltung hatte die Planungen für mehr Gymnasien vor allem mit den Wünschen der Eltern begründet. So würde seit Jahren auch die Zahl der Potsdamer Schüler wachsen, die mangels kommunaler Gymnasialplätze auf private Schulen ausweichen. Die Mehrheitsverhältnisse in der Frage sind in der Stadtverordnetenversammlung sehr knapp, allerdings wohl mit leichten Vorteilen für das Gymnasium. So kommen SPD und CDU zusammen mit Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) auf 19 Stimmen, auch FDP, Bürgerbündnis und AfD dürften mit insgesamt zehn Stadtverordneten im Lager pro Gymnasium zu verorten sein. Das wäre eine hauchdünne Mehrheit, insgesamt können 57 Personen im Kommunalparlament entscheiden.
Attacke gegen eine Grünen-Stadtverordnete
Die Debatte dürfte hart werden. Das lässt sich auch schon daran sehen, dass Gegner einer Gesamtschule an der Pappelallee die Befürworter auch indirekt angreifen - wie die Grünen-Stadtverordnete Wiebke Bartelt. Diese plädiert auch für die Gesamtschulen - mindestens eines ihrer Kinder geht aber auf ein evangelisches Privatgymnasium. Auf Nachfrage, wie das Engagement für staatliche Gesamtschulen mit dem privaten Handeln zusammenpasst, erklärte sie den PNN: "Ich bin christlich geprägt, deshalb war mir ein christlicher Träger wichtig." Da es in Potsdam aber keine entsprechende Gesamtschule gebe, sei die Wahl auf das Gymnasium gefallen. Bartelt: "Vielleicht findet sich einmal ein Träger, der wie in Werder eine evangelische Gesamtschule anbietet. Das würde ich persönlich sehr begrüßen." Diese Aussage der Grünen sorgte am Mittwoch für Kritik aus der CDU. Deren Bildungsexperte Clemens Viehrig sagte, hier würden Theorie und Praxis des eigenen Handelns deutlich auseinander klaffen: "Das ist wie Wasser predigen und Wein trinken." Das Gymnasium in der Pappelallee würde aus Viehrigs Sicht, weil es weniger Platz als eine größere Gesamtschule benötigt, auch zusätzliche Außensportflächen möglich machen - und könnte so den Bedarf an solchen Flächen in Potsdams Norden decken helfen.