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Intensives Prestigeduell. Zwischen Turbine und Wolfsburg geht es stets ordentlich zur Sache. 
© Jan Kuppert

Frauen-Bundesliga: Turbine Potsdam will Wolfsburg-Siegesserie stoppen

Mit großem Selbstvertrauen möchten Potsdams Fußballerinnen die perfekte Hinrunde des VfL Wolfsburg verhindern. Vor dem Spitzenspiel stellt sich die Frage nach der Konkurrenzfähigkeit der Bundesliga und von Traditionsvereinen wie Turbine.

Potsdam - So sauber und blütenrein wie die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg durch die aktuelle Bundesligasaison sausen, wünschten es sich auch viele Deutsche von den Dieselautos aus der Volkswagen-Stadt. In allen bisherigen zehn Partien erbeuteten die Wölfinnen den Sieg und weisen dabei ein Torverhältnis von 48:2 auf – das zweitbeste zu diesem Zeitpunkt in der Geschichte der seit 1997 bestehenden eingleisigen Frauen-Bundesliga. Zum Abschluss der Hinrunde gastiert der VfL nun am Mittwochabend beim Tabellendritten Turbine Potsdam (Beginn: 19 Uhr/Karl-Liebknecht-Stadion). Der einstige Branchenführer von der Havel ist also der letzte Verein, der dem derzeitigen Primus die perfekte erste Saisonhälfte vermasseln kann. Die volle Punktzahl nach elf Spieltagen schafften bisher nur der 1. FFC Frankfurt (2004/05) und FCR Duisburg (1999/2000).

In Ehrfurcht angesichts der großen Wolfsburger Dominanz erstarren die Turbinen aber nicht. Ganz im Gegenteil. Auf die Frage, warum seine Mannschaft die erste sein wird, die diese Saison den VfL bezwingt, antwortet Trainer Matthias Rudolph entschlossen: „Weil wir jetzt genau das Selbstvertrauen haben, das es dafür braucht. Wir haben uns die nötige Qualität erarbeitet.“ Die vergangenen sechs Pflichtspiele endeten für Potsdam mit einem Sieg. Stets souverän. „Fußballerisch haben wir uns in einen hochwertigen Bereich entwickelt, aber dabei nie die Grundtugenden Kampf und Willen vermissen lassen. Diese Mischung macht uns erfolgreich“, begründet Rudolph. Das Spitzenmatch gegen Wolfsburg komme daher genau zur richtigen Zeit. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“

Rudolph: "Wir müssen furchtbar aggressiv sein"

Als wichtigen Knackpunkt für den positiven Lauf seines Teams nennt er den fünften Spieltag. Die Potsdamerinnen waren zunächst stotternd ins neue Spieljahr gestartet – mit je zwei Siegen und Niederlagen. Dann kam es zur Heimpartie gegen Bayern München. Um den eigenen Ansprüchen einer Top-Platzierung nicht frühzeitig im Saisonverlauf hinterher zu rennen, musste eine erneute Pleite gegen den Deutschen Vizemeister zwingend verhindert werden. „Diese Drucksituation haben wir gut überstanden“, erinnert sich Matthias Rudolph. „Das 1:1 mit tollem Fußball von uns in der ersten Halbzeit hat den Glauben an die eigene Stärke zurückgebracht.“ Danach begann die Siegesserie. Dass der Vorjahresvierte, den momentan nur ein Punkt vom zweiten Europapokal-Qualifikationsplatz trennt, einige Anlaufschwierigkeiten haben könnte, war durchaus zu erwarten. Vor allem die Wechsel der Führungsspielerinnen Lia Wälti und Tabea Kemme zum FC Arsenal London wurden eine Herausforderung. „Da ist natürlich sportlich und besonders charakterlich bei uns etwas verloren gegangen. Wir mussten uns nach den Abgängen finden. Es musste sich eine neue Hierarchie im Team bilden“, erklärt Trainer Rudolph. „Das ist mit der Zeit gut gelungen.“

Nun folge die „allergrößte Belastungsprobe“ im Duell mit Wolfsburg. Gegen die enorme Klasse des heutigen Kontrahenten, der laut Rudolph „den besten Angriff Europas“ hat, gebe es zwei Zutaten für ein Erfolgsrezept. Erstens: Man muss den VfL-Frauen schlichtweg den Ball wegnehmen. „Wenn wir das Geschehen in unserer Hand haben, sie laufen lassen, können sie uns nicht gefährlich werden.“ Und zweitens: „Wenn sie den Ball haben, müssen wir furchtbar aggressiv sein, um ihn schnell zurückzuerobern.“

Niveau-Verfall in der deutschen Bundesliga?

In der Bundesliga ist es diese Saison noch keiner Mannschaft gelungen, die Wölfinnen zu bändigen. Vielmehr wurden die Gegner meist von ihnen zerrissen. 9:0, 7:0, nochmal 7:0, 5:0 oder sogar gegen den Zweitplatzierten aus München ein 6:0. „Für uns ist das dann natürlich toll, aber gute PR für die Liga war das nicht – da denkt doch jeder: Was sind denn das da für Ergebnisse im Frauenfußball?“, sagte VfL-Spielerin Lena Goeßling unlängst im Interview mit der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung. Sie läutet die Alarmglocken. Die Bundesliga sei „insgesamt schlechter geworden“, weil es zunehmend viele gute Spielerinnen ins Ausland zieht.

Wie Tabea Kemme und Lia Wälti von Potsdam nach London. Kemme schwärmt von den hochprofessionellen Strukturen im englischen Frauenfußball. „Es ist in England so, dass die Männerteams gleichzeitig Frauenteams haben. Komplett anders als in Deutschland, wo es die nur vereinzelt gibt“, erzählte sie der „Bild“-Zeitung. Daher mahnt Wolfsburgs Lena Goeßling, dass Deutschland im Frauenfußball stehen geblieben sei, von anderen Nationen überflügelt wurde. Es drohe ein weiteres Zurückfallen hinter europäische Rivalen. Sie fordert daher von den Vereinen aus der Männer-Bundesliga mehr Engagement für die weiblichen Kickerinnen. Das würde wiederum auf Kosten der reinen, wirtschaftlich nicht annähernd so potenten Frauen-Traditionsclubs wie Turbine Potsdam gehen. Die seien nach Meinung von Goeßling aktuell nur noch konkurrenzfähig, „weil die anderen Vereine nicht richtig Gas geben“. Den Moment gilt es für die Turbinen noch zu nutzen. Am Mittwoch wollen sie zunächst die Gunst ihrer Stunde nutzen, den eigenen Erfolgslauf fortsetzen und den VfL Wolfsburg kurz vor der perfekten Hinrunde ausbremsen.

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