Jüdisches Leben in Potsdam: Synagogengemeinde zieht um
Mit einem feierlichen Umzug hat die Synagogengemeinde ihr neues Gemeindezentrum in der Kiezstraße eröffnet. Auch der Streit um die neue Synagoge kam zur Sprache.
Potsdam - Mit einem Umzug und einer Zeremonie hat die jüdische Synagogengemeinde ihre neue Torarolle eingeweiht und gleichzeitig das neue Gemeindezentrum in der Kiezstraße eröffnet. Etwa 100 Menschen trafen sich am Sonntagnachmittag in der Schlossstraße. Zur Feier des Tages waren hochkarätige Gäste gekommen, etwa der niederländische Oberrabbiner Binyomin Jacobs, der Berliner Gemeinderabbiner Yehuda Teichtal und Shlomo Bistritzky, der Landesrabbiner der Hansestadt Hamburg.
Ein "historischer Tag"
Es sei ein „historischer Tag“ für die Potsdamer Juden, sagte Rabbiner Nachum Presman vor dem Grundstück, auf dem seit vielen Jahren eine neue Synagoge entstehen soll. Das vom Land Brandenburg geförderte Bauprojekt ist Gegenstand eines komplexen Streites, der den Baubeginn immer wieder verzögert.
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Eine Torarolle herzustellen, sei sehr aufwändig und dauere lange, betonte der Gemeindevorsitzende Ud Joffe. Die Tora wird traditionell von Hand in hebräischer Sprache mit Tinte geschrieben. Unterläuft dem Schreiber ein Fehler, muss er wieder von vorn beginnen. Umso größer ist die Freude, wenn das Werk vollendet ist. Ausgelassen zu Musik tanzend zog die Gemeinde über die Breite Straße, die für den Umzug zur Hälfte gesperrt worden war.
Scharfe Kritik von Zimmermann
Ulrich Zimmermann vom Synagogenförderverein übte in seinem Redebeitrag scharfe Kritik am Kulturministerium wegen des umstrittenen Synagogenbauprojektes. Das Ministerium führe „keine Gespräche mit den Juden dieser Stadt“, sagte er. Tatsächlich will das Land Brandenburg die Synagoge seit Juni gemeinsam mit den beiden jüdischen Landesverbänden bauen. Die beiden Potsdamer Gemeinden sind im Landesverband West der Jüdischen Kultusgemeinden in Brandenburg organisiert. Sie sind also nur noch indirekt beteiligt, die Planung liegt im Wesentlichen beim landeseigenen Bauträger und dem Architektenbüro Haberland. Die Jüdische Gemeinde Stadt Potsdam ist damit einverstanden, aber die Synagogengemeinde nicht.
„Es ist gut, dass die Regierung die Gemeinden beim Bau unterstützt“, sagte der niederländische Oberrabbiner Jacobs den PNN. Doch die Gemeinden müssten bestimmen, wie das Gotteshaus aussehen solle. Denn das sei eine wichtige Frage der jüdischen Identität. Die Eltern des 1949 geborenen Geistlichen waren Shoa-Überlebende. Als Kind sei er nie in Deutschland gewesen, im Elternhaus habe es nicht einmal Produkte „Made in Germany“ gegeben. Doch heute sei die deutsche Gesellschaft eine andere, die sich in ihrer Mehrheit dem Antisemitismus entgegenstelle. Jüdisches Leben müsse sichtbarer sein, Juden sollten sich nicht verstecken, sagte Jacobs.
Die Potsdamer Juden sollten selbst über ihre Synagoge entscheiden
Für deutsche Politiker sei es schwierig, mit innerjüdischen Konflikten umzugehen, sagte der Hamburger Oberrabbiner Shlomo Bistritzky. Doch über die Potsdamer Synagoge sollten seiner Ansicht nach die Juden in Potsdam entscheiden. Sonst bestehe die Gefahr, dass eine Synagoge gebaut werde, die an Feiertagen leer bleibe, weil die Juden nicht dorthin gehen wollen, glaubt der in Jerusalem geborene Geistliche. Dass es in Potsdam fünf Gemeinden gibt, findet Bistritzky erstaunlich. Nicht alle würden das Judentum gleich Ernst nehmen, meint Bistritzky, und schlug augenzwinkernd einen „Test“ vor. Würde das Land für ein Jahr aufhören, Fördermittel auszuzahlen, würden einige Gemeinden ihre Arbeit einstellen, behauptet Bistritzky. Nur die wirklichen Gläubigen würden eine solche Durststrecke überstehen.
Der Potsdamer Rabbiner Nachum Presman findet die Idee zwar nicht ganz so gut, nutzt aber die Steilvorlage: „Wir haben jahrelang gearbeitet, ohne einen Cent zu bekommen“, sagt Presman selbstbewusst. Heute stünde die Synagogengemeinde für die Zukunft des jüdischen Lebens in Potsdam, das könne man an den vielen Kindern und Jugendlichen sehen. Das neue Zentrum soll ein Ort der Gemeinschaft werden, denn darum ginge es in der Religion. „Kein Mensch soll allein sein müssen“, sagt Presman.
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