Gespräche mit potenziellen Investoren: Studio Babelsberg vor dem Verkauf?
Nach Angaben von Studio-Chef Carl Woebcken laufen Verhandlungen mit einem europäischem Investor. Das Potsdamer Rathaus ist über die Pläne informiert.
Potsdam - Muss in Potsdam wieder um die Zukunft von Studio Babelsberg, dem ältesten Großatelier-Filmstudio der Welt und Nachfolger der Defa, gebangt werden? „Wir stehen in Verhandlungen mit einem europäischen Investor. Ziel sind die Expansion und Internationalisierung des Studios” – so hatten „Bild“ und „BZ“ am Freitag in einem Bericht Studio-Chef Carl Woebcken zitiert. Es gebe einen „Verkaufs-Krimi“ um das Filmstudio.
Die Studio Babelsberg AG dementierte die Aussagen von Woebcken am Freitag auf PNN-Anfrage nicht; auch eine Verkaufsabsicht wurde nicht bestritten. Jedoch mühte sich Studio-Vorstand Christoph Fisser, der 2004 gemeinsam mit Woebcken Studio Babelsberg für einen symbolischen Euro übernommen hatte, die Wogen zu glätten.
Das Studio stehe „kontinuierlich in Gesprächen und Verhandlungen mit Unternehmen, potenziellen Investoren und Partnern“. Ziel sei dabei stets, „das Studio langfristig am Standort zu sichern sowie die Expansion und Internationalisierung im globalen Wettbewerb, in dem wir uns immer stärker befinden, voranzubringen“.
Keine Rede von dem einen „ausländischen Investor”
Von dem einen „ausländischen Investor”, mit dem die Chefs der AG „in Verhandlungen” stünden, ist in Fissers Stellungnahme keine Rede mehr. Offen ließ Fisser auch, in wessen Eigentum die Existenz von Studio Babelsberg in Potsdam gesichert werden soll. Der Studio-Vorstand betonte jedoch, insbesondere beim Thema ,Zukunftstechnologien’ müsse sich das Studio immer wieder neu positionieren und schauen, welche Partnerschaften sinnvoll seien.
Fisser weiter: „Sollten sich aus diesen Verhandlungen konkrete Ergebnisse oder neue Strukturen ergeben, werden wir das entsprechend bekannt geben.“ Bezogen auf den „Bild“-Bericht sei das „nicht der Fall“.
[Was ist los in Potsdam und Brandenburg? Die Potsdamer Neuesten Nachrichten informieren Sie direkt aus der Landeshauptstadt. Mit dem neuen Newsletter Potsdam HEUTE sind Sie besonders nah dran. Hier geht's zur kostenlosen Bestellung.]
Studio Babelsberg, gegründet 1912, gilt als Wiege des deutschen Films. Den Angaben nach beschäftigt das Studio derzeit 99 feste, 337 projektbezogene befristete Mitarbeiter und 15 Auszubildende. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD), der jüngst das Studio besucht hatte, sagte auf PNN-Anfrage: „Das Studio Babelsberg ist eine Erfolgsstory – und wir gehen davon aus, dass es seine Success-Story auch fortsetzt. Wir haben keine Kenntnis über konkrete Verhandlungsgegenstände, können daher auch zu Detailfragen wie Arbeitsplätzen keine Auskunft geben.“
Steinbach war am 20. August im Studio zu Gast gewesen, via Kurznachrichtendienst Twitter teilte er mit, er habe dort im neuen Studio für virtuelle Filmproduktionen „die Dreharbeiten zur Netflix-Mystery-Serie ,1899’” verfolgt. Das LED-Studio, so der Minister, belege eindrucksvoll „die große Innovationskraft der Medienstadt”.
Rathaus über Pläne informiert
Dabei kam Steinbach auch mit den Chefs von Studio Babelsberg ins Gespräch. Auf Anfrage der PNN räumte er ein, dass „die weitere Entwicklung des Studios sowie die künftige strategische Ausrichtung ein Bestandteil des Besuches” gewesen seien.
Auch das Potsdamer Rathaus ist nach eigenen Aussagen über Pläne von Studio Babelsberg informiert, kommentiert aber „laufende Verhandlungen zwischen privatwirtschaftlichen Akteuren nicht”, hieß es auf PNN-Anfrage.
Woebcken und Fisser hatten das Traditionsunternehmen vor gut 17 Jahren übernommen – für einen symbolischen Euro. Zudem zahlte ihnen der französische Konzern Vivendi eine Anschubfinanzierung von 18 Millionen Euro. Auch damals gab es große Sorgen um den Mythos Babelsberg.
Doch Woebcken und Fisser holten Hollywood nach Babelsberg, zahlreiche bekannte Filme entstanden im Studio, Stars wie Matt Damon, Kate Winslet, Quentin Tarantino und Brad Pitt drehten in Potsdam.
Erfolgreich trotz Corona
Nach einem ersten Einbruch in der Corona-Pandemie machte das Studio im vergangenen Jahr 10,8 Millionen Euro Gewinn – dies ist das beste Ergebnis der jüngeren Unternehmensgeschichte. 2019 waren es 2,1 Millionen Euro. Der Umsatz stieg 2020 gegenüber 2019 von 73,1 Millionen Euro auf 135 Millionen Euro.
Im Studio hatten 2020 Dreharbeiten unter anderem für den vierten Teil der „Matrix“-Serie mit Keanu Reeves sowie die Computerspieladaption „Uncharted“ mit Tom Holland stattgefunden. Das Unternehmen spricht von der besten Studioauslastung seit 2004.
Im März 2020 waren die Dreharbeiten wegen der Pandemie unterbrochen worden. Mehrere hundert Projektmitarbeitende standen zwischenzeitlich vor dem Nichts - für sie konnte dann aber doch Kurzarbeitergeld beantragt werden. Seit Juli wurde im Studio unter Hygieneauflagen wieder gedreht.
Dividende deutlich gesteigert
Auch für das Geschäftsjahr 2021 zeichne sich „eine sehr gute Geschäftsentwicklung ab“, heißt es im Geschäftsbericht aus dem Juli. Der vierte Teil der Action-Reihe „John Wick“ mit Keanu Reeves stand auf dem Drehplan, zudem die neue Mystery-Serie „1899“ für die Streamingplattform Netflix.
Die Aktionäre freuten sich darüber, dass die Dividende deutlich gesteigert wurde – auf 35 Cent statt wie in den Vorjahren 6 oder 4 Cent. Den Gesamtwert der Studio Babelsberg AG schätzt das Online-Portal wallstreet auf 31,35 Millionen Euro, Stand Freitag bei einem Kurs von 1,90 Euro pro Aktie. Die Gesellschaft ist seit fünf Jahren nicht mehr an der Börse notiert, sondern hat sich für ein „Delisting“ entschieden. (mit jaha)