Studio Babelsberg: Kamera läuft - trotz Corona
In der Medienstadt wird inzwischen mehr gedreht als vor der Pandemie. Doch vieles hat sich geändert - auch bei GZSZ.
Potsdam - Ein dummer Zufall ist schuld. Maren und Michi sind zusammen in einer Kühlkammer eingesperrt, die Tür ist defekt. Doch Michi hat eine Flasche Schnaps dabei. Bei einem Trinkspiel kommen die beiden einander näher. Dabei wollten sie doch eigentlich nur Freunde sein... Wie am Fließband liefert die Serie “Gute Zeiten, Schlechte Zeiten” (GZSZ) emotionale Geschichten wie diese, die am Ostersonntag in Folge 7230 zu sehen war. Denn trotz Corona wird weiter gedreht in Babelsberg.
Kein Corona in der fiktiven Welt von GZSZ - das geht mit Kameratricks
In der fiktiven Welt der Serie gibt es keine Pandemie. Die Schauspieler:innen tragen daher vor der Kamera keine Masken. Sie werden aber täglich getestet. Die meisten Szenen werden mit Abstand gedreht - mithilfe von Kameratricks. Szenen mit körperlicher Nähe, wie die eingangs beschriebene, sind nur dann möglich, wenn die Hygienebestimmungen eingehalten werden können.
Hinter der Kamera werde mehr Technik benötigt, sagt Christina Vogel-Froehlich, Line Producerin bei der Ufa Serial Drama GmbH der beliebten Serie. Normalerweise teilten sich zum Beispiel mehrere Menschen ein Regiepult, nun seien sie auf mehrere, voll ausgestattete Plätze verteilt. Am ganzen Set gebe es mehr Funkgeräte und Headsets als vor der Pandemie. Für den Abstand sorgten Markierungen auf dem Boden. Desinfektionsmittel und Masken seien ständig im Einsatz.
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“In meinem Büro habe ich ein ganzes Regal davon”, sagt Vogel-Froehlich. “Das sieht fast aus wie in einer Apotheke. Es erinnert mich jeden Tag daran, dass wir uns in einer Ausnahmesituation befinden.“ Ein Teil der Belegschaft arbeite im Homeoffice, zum Beispiel die Drehbuchautor:innen oder die Buchhaltung. Dafür gebe es aber auch Grenzen: „Wir sind eine sehr kommunikative Branche. Der Austausch vor Ort und persönlich ist wichtig, um Qualität liefern zu können."
Am 30. März des vergangenen Jahres wurde GZSZ zum ersten Mal mit Maske und Abstand gedreht. Es gilt ein strenges Regelwerk. Seither sei die Planung viel aufwändiger, sagt Christina Vogel-Froehlich. “Hätte uns damals jemand gesagt, dass das Ganze ein Jahr dauern wird, hätten wir in der Ufa nicht daran geglaubt, dass wir so lange trotz Schutzmaßnahmen jeden Tag eine Folge über den Fernseher schicken werden.“
Gedreht wird seit Januar in der neuen Außenkulisse
Unterdessen arbeitet das Team seit Januar in einer neuen Außenkulisse, seit 10. März sehen auch die Zuschauer den neuen "Kolle-Kiez" auf den Bildschirmen. Das alte Außenset - ursprünglich für fünf Jahre geplant - ging nach 14 Jahren außer Dienst. Es wurde abgerissen, 100 Meter davon entfernt wurde der Nachfolger errichtet. Das neue Set erleichtere die Arbeit für Kamera und Licht und ermögliche teilweise auch wetterunabhängiges Drehen, hieß es von der Ufa. Im Set wurden beispielsweise die U-Bahn und der Hofeingang als Spielort erweitert, mit den S-Bahn-Bögen habe man Größe gewonnen, sagt Vogel-Froehlich. Dem Bau seien mehrjährige Planungen von Ufa, RTL und Studio Babelsberg vorausgegangen.
Auch im Studio soll ab Mai wieder gedreht werden
Auch im Studio Babelsberg wird ab Mai wieder gedreht. Die großen Kinoproduktionen lägen zwar momentan auf Eis, sagt der Geschäftsführer Carl Woebcken. Aber Streamingplattformen wie Netflix, HBO Max oder Disney Plus hätten großen Bedarf nach aufwändig produzierten Serien, weil das Publikum viel Zeit zu Hause verbringe. Diese Serien bräuchten ähnlich viel Kostüme, Masken und Kulissen wie Kinofilme, hätten aber deutlich längere Drehzeiten. Mehrere Folgen würden gleichzeitig gedreht, was für eine stärkere Auslastung sorge.
Studio drängt auf mehr Planungssicherheit für Serien, Bund erweitert Förderung
Allerdings habe sich die Filmförderung in Deutschland noch nicht auf diese Situation eingestellt, kritisiert Woebcken. Zuschüsse oder Darlehen seien zeitlich begrenzt. Die Förderung biete haushaltstechnisch in der Regel nur für ein Jahr Planungssicherheit. “Aber die großen Serien mit mehreren Staffeln, die sich vielleicht gern in Babelsberg ansiedeln würden, denken in drei bis fünf Jahren.” Für den Standort sei das ein Nachteil im Vergleich zur internationalen Konkurrenz.
Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hat am Osterwochenende immerhin die Erweiterung des Fördertopfes des Bundes für Serien angekündigt: Die Förderhöchstsumme des German Motion Picture Fund sei von vier auf zehn Millionen Euro erhöht worden, „um auch für hochbudgetierte Serien einen attraktiven Produktionsstandort bieten zu können“, hieß es.
Auftragslage in der Film- und Fernsehbranche nach Corona-Flaute überdurchschnittlich gut
Wegen der Pandemie mussten 2020 in Babelsberg zwei große Produktionen verschoben werden. Eine Tochterfirma der Studio Babelsberg GmbH entließ im Frühjahr abrupt etwa 800 Beschäftigte, was für viel Wirbel und Kritik sorgte. Die Filme wurden in der zweiten Jahreshälfte gedreht. Von den etwa 100 fest Beschäftigten seines Unternehmens sei unterdessen niemand entlassen worden oder in Kurzarbeit gegangen, sagt Woebcken. In der Zeit zwischen den Produktionen seien mithilfe der hauseigenen Gewerke Sanierungsarbeiten durchgeführt worden, zum Beispiel seien Bodenflächen, Anschlüsse und Bepflanzungen erneuert worden.
Matthias von Fintel, der Leiter der Fachgruppe Medien bei der Gewerkschaft ver.di, bestätigt: Seit dem zweiten Halbjahr werde in der gesamten deutschen Film- und Fernsehbranche wieder produziert. Und zwar sogar überdurchschnittlich viel. Anfangs seien ausgefallene Drehzeiten nachgeholt worden, sagt von Fintel. Inzwischen komme der Boom der Streamingserien auch den Beschäftigten zugute. Viele Filmschaffende, die bisher vorrangig für Kino-Produktionen oder das Fernsehen gearbeitet hätten, würden dort Arbeit finden. Die vergleichsweise langen Beschäftigungszeiten würden ihnen Planungssicherheit bringen. “Die Kolleginnen und Kollegen sind froh, dass sie wieder drehen können.”
Pandemie-Maßnahmen machen körperliche Tätigkeiten schwieriger
Allerdings bedeutet die Pandemiesituation auch erhebliche Belastungen. Zum Beispiel, wenn schwere körperliche Tätigkeiten wie das Aufbauen von Szenenbilden mit FFP2-Maske durchgeführt werden müssten. “Deshalb bestehen wir auf tarifvertragliche Arbeitszeitbegrenzungen.” Das bedeute maximal 12 Stunden Arbeitszeit an einem Drehtag und eine Fünf-Tage-Woche. Die Bestimmungen sind Teil eines Tarifvertrags, der im März 2020 ausgehandelt wurde. Für Beschäftigte anderer Branchen mag dieses Arbeitspensum hoch erscheinen, für den Mediengewerkschafter ist es ein wichtiger Meilenstein. (mit jaha/dpa)